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#OpenGLAM? – Bitte warten Sie …

WMDE allgemein

6. September 2017

Spezial zur Bundestagswahl 2017 – Wohin steuert die Politik zur Förderung des Freien Wissens?

Anlässlich der bevorstehenden Bundestagswahl schauen wir uns in der Blogbeitrag-Serie „Spezial zur Bundestagswahl“ die Wahlprogramme der Parteien, Antworten auf unsere Wahlprüfsteine und Ansichten von Netz-Insidern zur politischen Gestaltung (oder Verwaltung) des Freien Wissens an.

Offener Zugang zu kulturellem Erbe – Blick auf ausgewählte Wahlprogramme

Zieht eine digitale Kulturpolitik am 24.9. in den Bundestag ein? Lizenzhinweis: Jürgen Matern, Reichstag building Berlin view from west before sunset, CC BY-SA 3.0

IN WENIGER als drei Wochen sind Bundestagswahlen. Zeit für Versprechungen und Zukunftsszenarien. Kulturpolitik ist in Deutschland eine der letzten Bastionen der Länder. Wikimedia Deutschland setzt sich für die Förderung des Freien Wissens ein. Danach soll digitalisiertes Kulturgut – zumal wenn es bereits gemeinfrei ist – frei nachnutzbar sein, sowohl für die Verwendung in Wikimedia-Projekten wie Wikipedia, aber auch darüber hinaus. Dazu braucht es in den Institutionen: Finanzinvestitionen, Ressourcen für die Klärung rechtlicher Rahmenbedingungen, spezielles IT-Know-How und neue Arbeitsprozesse. Ohne Unterstützung der Bundespolitik ist das von den Ländern und in den Institutionen allein nicht zu stemmen. Daher haben wir uns die Parteiprogramme aller im Bundestag vertretenen Parteien sowie der aussichtsreicheren Aspiranten für den Bundestag angeschaut, ob und wie hier über die Zukunft des Kulturerbes im Sinne von #openGLAM nachgedacht wird. Wobei der englische Hashtag #openGLAM für eine weitestgehende offene Nachnutzung digitalisierter Kulturgüter aus den Archiven, Bibliotheken, Museen und Kunstsammlungen im Netz steht.

Die Wahlaussagen der Außenseiter

In den Wahlprogrammen der hier untersuchten sieben Parteien steht grundsätzlich wenig zu Kultur. In der Verknüpfung mit dem Thema der Digitalisierung scheint es, als wäre #OpenGLAM  immer noch “Neuland”. Beginnen wir mit den Außenseitern. Die Piraten, angetreten die digitale Transformation von der Zukunft in die Gegenwart zu holen, fordern: “Die Schaffung von Gemeingütern (Commons), wie beispielsweise Freie Software, freie Kulturgüter… freie Bildungsangebote, muss durch geeignete rechtliche Rahmenbedingungen abgesichert und gefördert werden.” Dazu brauche es eine digitale Agenda für Europa, die durch Fair-Use-Klauseln die Interessen der Allgemeinheit und deren zunehmend in “digitalen Räumen sich abspielende Sozialleben” in Balance zu den Interessen von Urhebern und Verwerten brächten (Seite 89). Das heißt, der Fokus liegt auf: Keine Abmahnung mehr bei der Nachnutzung von Bildmaterial aus dem Museum beim Teilen auf Twitter & Co. Okay, aber die Problemstellungen in den Institutionen, wie fehlende Expertise und Mittel bei der Digitalisierung, bleiben gänzlich unerwähnt.

Die Kulturperspektive der AfD fällt erwartungsgemäß noch enger aus, denn sie will sich allein dafür einsetzen, Kulturförderung von den Fesseln der “politischen Korrektheit” zu befreien (Seite 48).

Digitale Kulturpolitik bei den Juniorpartnern

Die Freien Demokraten schweigen zum Thema Digitalisierung des kulturellen Erbes. Sie fordern zwar “eine Open-Data- und Open-Government-Strategie für Deutschland. Open Data und Open Government bedeuten, dass nicht-unternehmensbezogene oder nicht-personenbezogene Daten der Verwaltung in maschinenlesbarer Form veröffentlicht und frei zugänglich gemacht werden.” Offen bleibt, inwieweit die staatlichen Werke der Archive, Bibliotheken, Museen und Kunstsammlungen hier als mit eingeschlossen gedacht werden sollen (Seite 46). Für die Wahrung der Interessen von Urhebern und Verwertern im digitalen Raum setzt die FDP auf “technische Lösungen” (Seite 47). Auf diese Lösungen dürften wir zu Recht gespannt sein.

Die Linke fokussiert generell den arbeitenden Menschen stärker als die meisten anderen Parteien. Daher fordern sie eine verlässliche finanzielle und personelle Basis für alle Kultureinrichtungen. In den Spiegelstrichen dann eine gesamtstaatliche Digitalisierungsstrategie zur Sicherung und Öffnung der Kulturgüter für alle bei der Veröffentlichungen der Kultureinrichtungen unter freie Lizenz gestellt werden sollten sowie die Zusammenarbeit mit der Deutschen Digitalen Bibliothek ausgebaut werden soll (Seite 58 f.). Details zu dieser Strategie finden sich im Wahlprogramm jedoch nicht. Unklar bleibt auch, ob unter “Veröffentlichungen” auch das digitalisierte Kulturerbe zählt.

Auch die Grünen erkennen, dass es eine Novelle des Urheberrechtes braucht, dabei sind sie die einzigen, die fordern, die Gemeinfreiheit von digitalisierten Kulturerbe zu schützen (Seite 165 f.). Ansonsten verlangen sie freien Eintritt ins Museum, und wollen allgemein Zugänge zu Kultur fördern. Dazu brauche es eine finanzielle und institutionelle Förderung der Digitalisierung und Konservierung des Kulturerbes (Seite 153 ff.).

Die Volksparteien im Neuland

Die CDU will einen Staatsminister für Digitalpolitik berufen. Ob dieser und wenn in welchem Umfang sich des Themas digitales Kulturerbe annähme, wissen wir nicht. Denn bei 60 Nennungen des Begriffes “digital” im Wahlprogramm findet sich keine Stelle im Kontext mit Kultur. Verwiesen wird in Kulturfragen auf die Länderhoheit (Seite 45 & 49). Ob die Länder sich auch der Novelle des Urheberrechtes widmen sollten, wäre reine Spekulation, da das Wahlprogramm der CDU hierzu schweigt.

Die SPD wird dagegen ziemlich konkret. Sie will das kulturelle Erbe durch Digitalisierung sichern und daher stärker in die Deutsche Digitale Bibliothek investieren (Seite 90). Auch die SPD sucht nach einem Ausgleich zwischen Urhebern, Verwertern und Nutzern im Rahmen des Urheberrechts und setzt auf pauschale Vergütungen (Seite 93).

In keinem Programm fanden sich Aussagen zur aktuellen Debatte zu TTIP, CETA und & Co wie dort transparent für die Sicherung der kulturellen Vielfalt und die Belange der Zivilgesellschaft im Hinblick auf Kultur eingetreten wird.

Zusammengefasst: Für die Aktiven der Wikimedia-Bewegung bleibt noch viel zu tun, um den Gedanken des Freien Wissens in den Köpfen der bundesdeutschen Legislative zu verankern. Jetzt heißt es erst einmal wählen gehen. Dann folgt die Analyse der Koalitionsverträge.

Weitere Informationen:

Bis zum Gipfel ist es ein weiter Weg. Lizenzhinweis: Kira Nerys, Kaskaden1, CC BY-SA 3.0

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