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“Urheberrecht: Ausreichend und zeitgemäß” – So antworten die zur Bundestagswahl 2017 antretenden Parteien auf unsere Wahlprüfsteine

Lilli Iliev

5. September 2017

Spezial zur Bundestagswahl 2017 – Wohin steuert die Politik zur Förderung des Freien Wissens?

Anlässlich der bevorstehenden Bundestagswahl schauen wir uns in der Blogbeitrag-Serie “Spezial zur Bundestagswahl” die Wahlprogramme der Parteien, Antworten auf unsere Wahlprüfsteine und Ansichten von Netz-Insidern zur politischen Gestaltung (oder Verwaltung) des Freien Wissens an.

Das Bündnis Freie Bildung, der Digitale Gesellschaft e. V.,  Freifunk, die Free Software Foundation Europe, die Open Knowledge Foundation und Wikimedia Deutschland haben sich wieder zur Koalition Freies Wissen zusammengefunden, um anlässlich der bevorstehenden Wahl des Bundestages am 24. September einige Parteien zu befragen.

Dazu haben wir uns im Sommer 2017 an alle Parteien gewandt, die zur Bundestagswahl antreten und die in allen Umfragen seit letztem Jahr durchgängig die 5%-Schwelle überschritten haben.Die Parteien konnten dabei Stellung nehmen zu aktuellen Themen aus den Bereichen Freie Software, Offene Daten, Freies Wissen, Digitale Bildung und Grundrechten, sowie Zugang zum Digitalen Raum. Geantwortet haben Bündnis 90/Die Grünen, CDU, die Linke, FDP und SPD. Lediglich von der AfD haben wir keine Antwort bekommen.

Die Fragen haben wir versendet, da sich eine Auswertung der Wahlprogramme als für unsere digitalpolitischen Themen zu unkonkret erwiesen hat.  In diesem Beitrag nehmen wir die Antworten der Parteien auf die Fragen des Wikimedia Deutschland e. V. unter die Lupe. 

 

Dateneigentum

Zuerst haben wir die Parteien gefragt, wie sie sich in der Debatte um die Schaffung eines neuen Eigentumsrechtes an Daten positionieren.

Sollte ein dem Sacheigentum gleichgestelltes Eigentumsrecht an solchen faktischen Daten geschaffen werden, wie sie etwa aggregiert bei der Nutzung von vernetzten Kraftfahrzeugen anfallen, um die Nutzung dieser Daten zu einem handelbaren Gut werden zu lassen? Ließe sich eine sachgerechte Regelung auch unabhängig von Sonderschutzrechten auf vertraglicher Basis erreichen?

Hier zeigt sich zuallererst ein Konflikt zwischen den zur Zeit regierenden Parteien und der Opposition. Sowohl die Linke als auch die Grünen lehnen die Einführung eines neuen “Dateneigentums” ab. Die Große Koalition, bestehend aus CDU/CSU und SPD, verweist hingegen darauf, dass die Möglichkeit der Einführung eines Dateneigentums zur Zeit diskutiert wird. Von der FDP wird dem Dateneigentum das Konzept der Daten-Souveränität gegenübergestellt, wobei Daten als “eine Art Eigentum der Menschen” beschrieben werden und die Trennung zu dem noch unbestimmten Konzept des Dateneigentums unklar bleibt.

Als Wikimedia Deutschland e. V. lehnen wir die Einführung eines Eigentumsrechtes an nicht personenbezogenen Daten ab, da die damit einhergehenden Nachteile die kaum vorhandenen Vorteile klar übersteigen. So würde die Schaffung eines “Dateneigentums” unter anderem bedeuten, dass bei jeder Art von Datensammlung zusätzlich zu den legitimen Datenschutzfragen immer auch noch Eigentumsverhältnisse zu klären wären. Die Rechtssicherheit bezüglich der Verwendung selbst von anonymisierten Daten wäre dahin.

Das verhindert nicht nur das Entstehen neuer Wissensinhalte auf der Basis frei zugänglicher Informationen, sondern gefährdet auch die bereits bestehenden Projekte, wie etwa die vielen Datenprojekte rund um Open Street Map und diverse andere Arten von Linked-Open-Data-Projekten wie auch Wikidata sie ermöglicht. Zudem würden auch personenbezogene Daten durch ein Eigentumsrecht nicht etwa besser geschützt, sondern endgültig zum Handelsgut, da das Eigentum endgültig und vollständig auf andere übergehen kann. Der Personenbezug im Datenschutzrecht dagegen bleibt immer bestehen und ist insofern auch in Sachen Privatheit die sicherere Alternative.

Hier die Ansichten der Parteien zum “Dateneigentum” im Einzelnen:

Die CDU/CSU deutet in ihrer Antwort an, dass ein mit dem Sacheigentum und dem geistigen Eigentum vergleichbares Eigentumsrecht an Daten, das im Rahmen der Datenschutzgrundverordnung in ein sogenanntes “Datenregelwerk” integriert werden könnte, als wünschenswert angesehen wird. Der Zugang für wirtschaftliche Zwecke und Sicherheitsbehörden soll dabei genauso im Vordergrund stehen wie die „berechtigten Datenschutzinteressen der Bürgerinnen und Bürger“.

Auch die SPD bezieht sich in ihrer Antwort stark auf das Innovationspotential von wirtschaftlich relevanten anonymisierten Daten, für welche sie das Datenschutzrecht als nicht anwendbar befindet. Fraglich bleibt bei ihrer Antwort, wie beispielsweise “wettbewerbshemmende Ausschließlichkeitsrechte” durch die Schaffung eines Dateneigentums verhindert werden sollen und ob nicht eher die Gefahr besteht, diese damit zu ermöglichen.

Dem gegenüber stehen die Antworten der Grünen und der Linkspartei, welche ein Dateneigentum kategorisch ablehnen:

Die Linke bezieht sich dabei ausdrücklich auf die auch von der SPD angemerkte Tatsache, dass anonymisierte Daten nicht in den regelungsbereich der Datenschutzgrundverordnung fallen und fordert eine Anpassung selbiger. Dies wird damit begründet, dass die rechtliche Zuordnung des Eigentums an Daten nicht davor schützt, dass deren Offenlegung zur Grundvoraussetzung digitaler Partizipation wird.

Die Grünen hingegen sehen in einem Recht auf “Dateneigentum” eine unnötige zivilrechtliche Ausprägung der bereits existierenden informationellen Selbstbestimmung. Sie bemängeln (unserer Ansicht nach zu Recht), dass die aktuelle Diskussion eher die Gefahr birgt, zu einer Monopolisierung von Informationen und damit Wissen beizutragen.

Zuletzt stellt die FDP dem Dateneigentum, wie eingangs angedeutet, das Konzept der Datensouveränität gegenüber, wobei sie sich entgegen der von uns gestellten Frage jedoch auf personenbezogene Daten bezieht. Nach Aussage der FDP sollten Menschen, die ihre Daten beispielsweise bei der Nutzung eines intelligenten Fahrzeugs preisgeben, weiterhin ein Auskunftsrecht über die von ihnen gesammelten Daten haben sowie über deren Löschung verfügen können.

Fazit

Insgesamt zeigt sich somit bei den Parteien das gesamte Spektrum der Debatte über den Begriff des “Dateneigentums”. Während die Regierungsparteien sich zurückhaltend positiv äußern, lehnen die Oppositionsparteien die Schaffung eines Dateneigentums ab. Als gemeinnütziger Verein, der sich der Förderung Freien Wissens und freier Daten verschrieben hat, sehen wir hier die Haltung der Oppositionsparteien positiv. Die Gefahr, die bei der Einführung eines solchen Rechtes besteht, übertrifft aus unserer Sicht dessen kaum vorhandenen Nutzen.

So kann die Idee der “Datensouveränität” das Interesse der Bürgerinnen und Bürger nach Kontrolle der von ihnen produzierten Daten gewährleisten und meint letztlich nichts anderes als das bereits existierende Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die daraus folgenden Datenschutzregeln von BDSG (Bundesdatenschutzgesetz) und DS-GVO (Datenschutz-Grundverordnung). Es entsteht bei der Einführung eines echten Eigentumsrechts an Daten hingegen die Möglichkeit der Schaffung von Datenmonopolen verbunden mit einer Hemmung der wirtschaftlichen Innovationskraft freier Daten, vor allem durch die entstehende Rechtsunsicherheit und Rechteklärungskosten. Daher sollte aus unserer Sicht der Zugang zu Informationen sowie die Datensouveränität – verstanden als verbessertes Datenschutzregime – im Mittelpunkt der Debatte stehen.

Amtliche Werke

In unserer zweiten Frage haben wir die Parteien gefragt, wie “sonstige amtliche Werke” im Sinne des Urheberrechts definiert werden sollten.

Abgesehen von Gesetzen, Erlassen, Verordnungen und Gerichtsentscheidungen, da insoweit keine Zweifel bestehen: Wie sollten sonstige “amtliche Werke” im Sinne des § 5 Absatz 2 Urheberrechtsgesetz zeitgemäß definiert sein? Käme eine entsprechende gesetzliche Aktualisierung auf Bundesebene in Frage, etwa parallel zur anstehenden Umsetzung der im Entstehen befindlichen EU-Urheberrechtsrichtlinie in nationales Recht?

Hierbei geht es uns vor allem darum, dass im Sinne von Transparenz und Freiem Wissen möglichst alle durch öffentliche Gelder finanzierten Inhalte generell für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten – es also abgesehen von beispielsweise sicherheitspolitischen Überlegungen keine Begrenzungen beim Zugang zu amtlichen Werken geben sollte. Gerade bei den “sonstigen amtlichen Werken” ist jedoch über Jahrzehnte eine Kasuistik entstanden, die kaum jemand noch versteht. Daher ist beispielsweise bei Publikationen wie Ratgebern, die aus Ministerien stammen, fast nie ersichtlich, ob es sich dabei um ein amtliches und damit frei nutzbares Werk handelt oder nicht. Auch ist völlig unklar, inwieweit öffentliche Register wie etwa das Unternehmensregister darunter fallen und nutzbar sind.

Die Antworten der Parteien auf diese Frage sind weitestgehend einheitlich ausgefallen. So bezeichnen bis auf die FDP alle Parteien den Status quo des Urheberrechts als ausreichend und zeitgemäß.

Hier die Ansichten der Parteien zu amtlichen Werken im Einzelnen:

Lediglich die FDP kritisiert die Verortung amtlicher Werke im Urheberrecht, da dies nicht dazu dienen darf, die “Informationsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger oder der Presse einzuschränken”. Wir begrüßen den in ihrer Antwort vorgebrachten Lösungsvorschlag, dies über eine Ausweitung des Begriffs “amtlicher Werke” beizulegen.

In ähnlicher Weise kann die Antwort von Bündnis90/Die Grünen verstanden werden, welche eine stärkere Ausschöpfung des Rahmens der Informationsfreiheit für eine erhöhte Zugänglichkeit amtlicher Werke fordern. Dabei ist jedoch anzumerken, dass gerade der (urheberrechts-)gesetzlich abgesteckte Rahmen – wie er zur Zeit existiert – die Verfügbarkeit amtlicher Werke unangemessen weit einschränkt. Ihn will die Partei nicht angehen, sondern eher stärkere Veröffentlichungspflichten für staatliche Stellen schaffen.

Die Linke sieht keinen Änderungsbedarf bei der Definition von amtlichen Werken. Das wird mit der Umsetzung des Transparenzgesetzes begründet, welches die nicht unter die Definition der amtlichen Werke im Sinne des Urheberrechtes fallenden Dokumente umfassen sollte. Anders als die Grünen oben und nachfolgend die SPD sagt die Partei Die Linke aber zumindest etwas darüber, wie die aufgrund von Transparenzgesetzen herausgegebenen Informationen dann weitergenutzt werden können, nämlich, dass daran kein urheberrechtlicher Schutz bestehen dürfe.

Ebenso sieht die SPD keinen Handlungsbedarf und verweist auf die Tendenz, dass immer mehr Institutionen von Ihnen erstellte Dokumente frei im Internet zur Verfügung stellen. Als Wikimedia Deutschland e. V. bevorzugen wir zwar die Praxis, dass Inhalte proaktiv von den Behörden zur Verfügung gestellt werden, eine gesetzliche Regelung halten wir trotzdem überall dort für notwendig, wo zugleich auch das Urheberrecht anwendbar ist.

Zuletzt äußert sich die CDU/CSU zu der Definition amtlicher Werke im Sinne des Urheberrechtsgesetzes. Die CDU/CSU bezeichnet den dortigen Absatz als “grundsätzlich […] ausreichend und praktikabel”, schränkt in ihrer Begründung die Definition amtlicher Werke jedoch erneut stark ein und begibt sich damit vollständig auf Linie mit der momentanen Unklarheit. Die Union hält die durch Urheberrechtsgesetz und zugehörige Rechtsprechung entstandenen Hürden für sinnvoll und nutzt dabei sogar den Begriff “Verwerterinteressen”, so als würde es um ein Geschäftsmodell der öffentlichen Hand gehen.

Fazit

Bedauerlicherweise geht keine der Parteien in ihrer Antwort darauf ein, dass es Zeit für einen Paradigmenwechsel sein könnte von “im Zweifel nicht nutzbar es sei denn freigegeben” zu “im Zweifel freigegeben außer in besonderen Fällen”. Und selbst wenn Inhalte durch Behörden herausgegeben werden, ist damit noch nicht die Frage der Nachnutzbarkeit beantwortet.

Nur wenn die Öffentlichkeit auch etwas mit den Inhalten tun darf, werden sie zu einem wirklichen Gemeingut. Das auch urheberrechtliche Freisein der Werke, die unser Staat mit unserem Geld produziert, sollte der Normalfall, Ausschließlichkeitsrechte und Geheimhaltung der Sonderfall sein. Trotzdem bleibt festzuhalten, dass die Ansätze einiger Parteien zumindest in die richtige Richtung gehen. So fordern die Grünen die Ausreizung der Möglichkeiten zur Freigabe amtlicher Werke, die Linke Transparenzgesetze mit urheberrechtlicher Dimension und die FDP eine Ausweitung des Begriffs der amtlichen Werke.

Die ausführlichen Antworten der Parteien auf diese und weitere Fragen der Koalition Freies Wissen gibt es hier.

 

Weitere Informationen:

 

Diesen Beitrag hat Nils Wach verfasst, der ein Praktikum im Bereich Politik & Recht absolviert.

Kommentare

  1. […] Blogbeitrag: „Urheberrecht: Ausreichend und zeitgemäß“ – So antworten die zur Bundestagswahl… […]

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