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Wiki Loves Broadcast

Wie frei lizenzierte Rundfunkinhalte die Wikipedia bereichern

Einmal im Jahr lädt Wikimedia Deutschland Vertreter*innen aus öffentlich-rechtlichem Rundfunk, Politik, Bildung und Kreativbranche zum Runden Tisch, um über den Einsatz freier Lizenzen bei Bildungs- und Wissenssendungen zu sprechen. Immer dabei: Wikipedia-Autor*innen aus dem Projekt Wiki Loves Broadcast. Denn sie sind dafür verantwortlich, Inhalte zu sichten und geeignete Formate in die Wikipedia zu bringen. Wir haben mit zwei Freiwilligen über ihre Arbeit gesprochen.

Frank Böker

10. August 2022

New York-air, du engagierst dich seit vergangenem Jahr bei Wiki Loves Broadcast. Was hat dich bewogen, bei dem Projekt mitzumachen?

NEW YORK-AIR: Auf der WikiCon 2021 in Erfurt habe ich an der Verleihung der WikiEule teilgenommen. Die ProjektEule ging an das Team von Wiki Loves Broadcast, hier wurde ich erstmals darauf aufmerksam. Als ich mich im Anschluss mit meinem Wikipedia-Kollegen Wikiolo, der das Projekt mit initiiert hat, weiter darüber austauschte, wurde mein Interesse geweckt und ich habe mich entschlossen, dem Projektteam beizutreten. Was sicherlich das Interesse befördert hatte, war, dass ich so gut wie nie Zugang zu einem Fernseher habe, daher hielt ich es gleich für eine sinnvolle Idee, die Rundfunkinhalte im Netz frei zugänglich zu machen.

Welches Ziel verfolgt ihr denn mit Wiki Loves Broadcast? Und welche Rolle spielt der Runde Tisch mit öffentlich-rechtlichem Rundfunk, Politik, Gewerkschaften und Kreativverbänden dabei?

NEW YORK-AIR: Unser Ziel ist, dass die Rundfunkinhalte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten für die Allgemeinheit dauerhaft im Netz unter einer freien Lizenz zur Verfügung stehen. So können sie auch on demand statt nur linear konsumiert und in der Wikipedia genutzt werden. Teilweise wird dies ja bereits jetzt von den Mediatheken umgesetzt, jedoch sind viele Inhalte dort auch nur zeitlich begrenzt abrufbar und nicht permanent, vor allem jedoch nicht unter einer freien Lizenz. Der Runde Tisch ist dabei notwendig, damit alle Beteiligten sich untereinander verständigen, da bei unserem Projekt sehr viele Akteur*innen aus den unterschiedlichen Rundfunkanstalten miteinander und untereinander kommunizieren und sensibilisiert werden müssen. Dafür brauchen wir die Möglichkeit, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen anstatt nur „bilateral“ zu kommunizieren.

Stefan Kühn, warum sind frei lizenzierte Rundfunkinhalte so wertvoll für die Wikipedia?

STEFAN KÜHN: Frei lizenzierte Rundfunkinhalte helfen uns fantastisch bei der multimedialen Ausgestaltung unserer Artikeltexte. Vieles können wir selber durch eigenes Bildmaterial gut bebildern. Aber in einer aufwändigen Video-Animation zu sehen, wie z. B. die Berliner Mauer entstand oder der Humboldtstrom funktioniert, ist für alle Interessierten sehr anschaulich und lehrreich. Die verbesserte Wissensvermittlung macht das Material so wertvoll für Wikipedia und alle Nachnutzer.

Was ist eure Aufgabe innerhalb des Projekts Wiki Loves Broadcast? Beschreibt bitte einmal, wie eure Arbeit aussieht!

NEW YORK-AIR: Eine der Aufgaben ist es, das Projekt sichtbarer zu machen. Zum einen intern, aber auch extern. Intern, damit die Wikipedia-Community das Projekt unterstützt, da ohne die Unterstützung der Community eine Projektumsetzung keinen Sinn macht. Schließlich sollen die Inhalte ja in der Wikipedia eingebunden werden. Hierzu gehören beispielsweise Umfragen innerhalb der Community oder auch Diskussionsformate wie auf der WikiCon 2021. Externe Sichtbarkeit ist auch notwendig, damit das Thema in der Gesellschaft ankommt und mehr Zuspruch erhält. Genauso wichtig wie die Sichtbarkeit ist auch die Kommunikation mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, wo wir mehr eine beratende Funktion innehaben, schließlich können wir am ehesten nachvollziehen, welche Inhalte in der Wikipedia gebraucht werden und in Artikel eingebunden werden können.

STEFAN KÜHN: Aktuell stellt die Terra-X-Redaktion des ZDF jede Woche zwei Videos in Wikimedia Commons online. Ich versuche, diese Videos zeitnah in die passenden Wikipedia-Artikel einzupflegen. Das heißt, ich sichte die Videos und überlege, welche Artikel in der Wikipedia davon profitieren könnten. Außerdem sortiere ich die Videos in Commons passend in den riesigen Kategorienbaum ein, damit auch andere sie gut finden können.

Was für Rundfunkinhalte sind denn überhaupt geeignet für die Einbindung in Wikipedia? Nach welchen Kriterien sucht ihr die Videos aus?

STEFAN KÜHN: Da wir keinen direkten Zugang zum Medienarchiv des ZDF haben, ist es jede Woche ein Überraschungspaket, was da für uns hochgeladen wurde. Grundsätzlich könnten wir zu jedem Geschehen der Weltgeschichte bewegte Bilder und Tondokumente gebrauchen. Auch Interviews mit Sportlern, Politikern, Forschern und eben Erklärvideos zu allen Wissensgebieten sind hilfreich. Ein schönes Beispiel findet sich im Artikel über Karthago. Die Animation lässt die berühmte, untergegangene Metropole virtuell auferstehen und wurde allein 2022 schon über 500.000 Mal angesehen.

ARD und Bayerischer Rundfunk haben angekündigt, ab 2023 Neuproduktionen für das Bildungsformat kolleg24 unter freier Lizenz veröffentlichen zu wollen. Seht ihr da Potenzial, Inhalte für Wikipedia oder Wikimedia Commons zu verwenden?

STEFAN KÜHN: Auf jeden Fall hat solches Material Potenzial und sollte in Commons hochgeladen werden. Dort bedienen sich ja dann ja auch andere Schwesterprojekt der Wikipedia, wie Wikiversity oder Wikibooks an dem Material. Für die Artikel in der Wikipedia sind meist kürzere Videos (< 10 Minuten) interessant. Diese werden oft von den weltweiten Freiwilligen übersetzt und mit Untertiteln in der jeweilige Landessprache versehen. Dadurch erreichen solche Videos auch viele Menschen außerhalb des deutschen Sprachraums.

Beim jährlich stattfindenden Runden Tisch und auch darüber hinaus bleiben Wikimedia und Wikipedia-Ehrenamtliche wie ihr im ständigen Austausch mit den öffentlich-rechtlichen Sendern. Wie zuversichtlich seid ihr, dass freie Creative-Commons-Lizenzen endgültig in den Anstalten angekommen sind?

NEW YORK-AIR: Wir beobachten, dass sich zunehmend mehr Anstalten mit dem Thema auseinandersetzen und sich dazu positionieren. Damit haben wir schon einmal erreicht, dass ihnen das Thema bekannt ist. Einige Anstalten haben ja auch bereits begonnen, Inhalte auf Wikimedia Commons zur Verfügung zu stellen. Erst kürzlich ist wie oben ja beschrieben der Bayerische Rundfunk dazugekommen. Bis wir unser Ziel erreicht haben, dass alle in der Wikipedia und der Bildung nutzbaren Inhalte unter einer freien Lizenz zur Verfügung gestellt werden können, ist es noch ein weiter Weg mit Hürden wie beispielsweise dem Urheberrecht. Auch wenn wir schon einige Erfolge erreicht haben. Letztendlich wollen wir dabei auch niemandem etwas aufzwängen, sondern die Urheber*innen sollen selber entscheiden, ob und unter welcher freien Lizenz sie ihre Inhalte zur Verfügung stellen.

Was für Inhalte aus dem Programm der Öffentlich-Rechtlichen würden die Wikipedia denn noch bereichern, wenn sie unter freier Lizenz verfügbar wären? Habt ihr vielleicht sogar eine Wunsch-Sendung, die ihr gern verwenden würdet?

STEFAN KÜHN: Eigentlich alle Beiträge aus den Nachrichten könnten für die passenden Artikel interessant sein. Meine Wunsch-Sendung ist die Informationssendung „Mit offenen Karten“ von ARTE. Einige Wikipedianer haben genau zu der Frage auch schon eine Ideen-Liste zusammengetragen.

NEW YORK-AIR: Generell hilfreich sind Animationen zu verschiedenen Themen, mit denen komplexe Sachverhalte einfach dargestellt werden. Da einen Spagat zu finden ist nicht einfach, schließlich haben die Artikel einen Anspruch auf fachliche Korrektheit. Für einfachere Erklärungen für diejenigen, die nur den Sachverhalt verstehen wollen ohne gleich ein Studium in dem Bereich abschließen zu müssen, könnte so etwas jedoch sehr hilfreich sein.

Stefan Kühn und New York-air sind ehrenamtliche Wikipedia-Autoren und engagieren sich im Projekt „Wiki Loves Broadcast“. Gemeinsam mit der Redaktion der ZDF-Sendung Terra X wurde Wiki Loves Broadcast 2021 mit der WikiEule ausgezeichnet. Beim einmal jährlich stattfindenden Runden Tisch mit Vertreter*innen aus öffentlich-rechtlichem Rundfunk, Politik, Bildungsbereich und Kreativbranche vertritt Wiki Loves Broadcast die Interessen der ehrenamtlichen Wikipedia-Community.

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