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Rechtsgutachten

Gutachten zeigt: Öffentliche Hand darf und sollte CC-Lizenzen nutzen

Damit Open Data von öffentlichen Stellen und aus verschiedenen Ländern gemeinsam genutzt und wiederverwendet werden können, müssen sie unter weltweit anerkannten Standardlizenzen veröffentlicht werden. Besonders verbreitet ist die Creative-Commons-Lizenzfamilie (CC). In Deutschland halten sich jedoch hartnäckig Vorbehalte gegenüber CC-Lizenzen. Ein Gutachten der Kanzlei TaylorWessing im Auftrag von Wikimedia Deutschland zeigt nun: Es gibt keine relevanten rechtlichen Bedenken gegen den Einsatz von CC-Lizenzen durch staatliche Stellen. Stichhaltige Argumente sprechen dafür, der EU-Empfehlung zur Verwendung von CC-Lizenzen zu folgen.

Stefan Kaufmann

4. April 2024

Open Government Data, also Informationen der öffentlichen Hand, die von allen zu jedem Zweck frei genutzt, wiederverwendet und weiterverbreitet werden können, sind längst kein Nischenthema mehr. Spätestens durch die Überarbeitung der Open-Data-Richtlinie der Europäischen Union und die Durchführungsverordnung über hochwertige Datensätze hat die EU klargestellt: Staat und Verwaltung sollen ihren Wissensschatz wiederverwendbar veröffentlichen, sofern nicht personenbezogene Informationen oder Geheimnisse darunter fallen. Die europäischen Gesetzgeber haben dabei in mehreren Rechtsakten ausdrücklich die bevorzugte Verwendung bestimmter CC-Lizenzen empfohlen.

Woher die Vorbehalte gegen CC-Lizenzen kommen

In Deutschland hält sich seit 2012 die Ansicht, dass staatliche Stellen die CC-Lizenzen nicht verwenden können oder dürfen. Der Grund dafür: Eine Studie im Auftrag des Bundesministerium des Innern, die unter anderem behauptete, dass bestehende, etablierte Lizenzen nicht passgenau für den deutschen Rechtsrahmen seien. Sie empfahl die Entwicklung einer eigenen Datenlizenz. Das Ergebnis war die „Datenlizenz Deutschland“. Seither entwickelte Empfehlungen oder Vorgaben zur Veröffentlichung staatlicher Informationen unter der „Datenlizenz Deutschland“ greifen immer wieder auf die Thesen des Gutachtens von 2012 zurück. 2019 kam ein weiteres Gutachten im Auftrag des Landes Nordrhein-Westfalen hinzu, das jedoch nur Bezug auf die Creative-Commons-Lizenzversion 3.0 zu nehmen schien, obgleich seit 2013 die aktuelle Lizenzversion 4.0 existiert, die Kritikpunkte der Vorversion weitestgehend ausgeräumt hat.

Um die bestehenden Vorbehalte gegen die Verwendung von CC-Lizenzen auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen und staatlichen Akteur*innen mehr Rechtssicherheit zu verschaffen, hat Wikimedia Deutschland daher die Anwaltskanzlei TaylorWessing beauftragt, zu prüfen: Gibt es tatsächlich Gründe, die gegen die Nutzung von CC-Lizenzen durch öffentliche Stellen in Deutschland sprechen? Denn die Verwendbarkeit verschiedener Datensätze über nationale Grenzen hinweg ist schließlich erklärtes Ziel von Open Data und auch der Open-Data-Rechtsakte der EU. Das geht dann besonders gut, wenn Nutzende vor der Wiederverwendung nicht erst verschiedenste nationale Lizenzen analysieren müssen.

Wesentliche Erkenntnisse aus dem neuen Rechtsgutachten

  • Die Vorgaben der europäischen Open-Data-Gesetzgebung empfehlen durchgehend und explizit die Verwendung der Creative-Commons-Lizenzen CC BY 4.0 und CC0 1.0 „oder gleichwertiger Lizenzen“
  • Nach deutschem Recht bestehen keine relevanten rechtlichen Bedenken gegen die Verwendung der Creative-Commons-Lizenzen durch die öffentliche Hand. Insbesondere die immer wieder vorgebrachten Einwände wegen der Gewährleistungs- und Haftungsklauseln haben keine praktische Relevanz.
  • Die Creative-Commons-Lizenzen bieten durch ihr „Drei-Schichten-Modell“ mit Kurzfassung, ausführlichem Vertragstext und maschinenlesbarer Komponente ein ausgereiftes Lizenzierungsmodell, das durch Auslegungshilfen und laufende Rechtsprechung ein hohes Maß an Rechtssicherheit bei der Verwendung bietet.
  • Die aktuellen zwei Varianten der Datenlizenz Deutschland (DL-DE) bestehen nur in einer Kurzfassung, die offene Fragen und Auslegungszweifel hinterlässt – insbesondere zur Frage, ob sie aufgrund von Urheber- bzw. sonstigen Schutzrechten gelten oder durch einen behördlichen Widmungsakt. Ihre Gleichwertigkeit zu den Creative-Commons-Lizenzen kann angezweifelt werden. Außerdem bestehen Zweifel am Bedarf für diese Lizenz, die in erster Linie auf Datenpunkte ausgerichtet ist, welche jedoch nach geltendem Recht gerade keinem Urheberschutz unterliegen.
  • Die Open-Data-Commons-Lizenzen kommen nur für die Lizenzierung von Datenbanken in Betracht, so dass für die Lizenzierung beispielsweise von Sprachwerken weitere Lizenzen notwendig sind. Ein Mehrwert gegenüber der Verwendung der Creative-Commons-Lizenzen ist nicht ersichtlich.

Für Kenner*innen der Rechtsdogmatik kommen diese Ergebnisse wenig überraschend. Das TaylorWessing-Gutachten deutet an, dass die Vorbehalte im Wesentlichen auf die 2012 vom BMI beauftragte Studie zurückgingen. Allerdings wurden die CC-Lizenzen seit 2012 weiterentwickelt. Zum Zeitpunkt des Gutachtens lagen die CC-Lizenzen noch in der Version 3.0 vor, die in die jeweiligen nationalen Rechtsrahmen „portiert“ werden mussten. Mit der aktuellen Version 4.0 ist dies nicht mehr notwendig. 2012 bestand offenbar auch der staatliche Wunsch, eine Lizenz mit verpflichtender Namensnennung durch amtliche Widmung anwenden zu können, selbst wenn es sich bei dem zu lizenzierenden Gegenstand gar nicht um urheberrechtlich geschütztes Material handelt.

Die verschiedenen existierenden Positionspapiere von Arbeitsgruppen und staatlichen Stellen scheinen sich dabei stets aufeinander und dann letztlich auf die BMI-Studie von 2012 zu beziehen, ohne die dort aufgestellten Thesen zu hinterfragen – beispielsweise, welche rechtliche Bindungskraft eine per Widmungsakt einer deutschen Behörde angewandte Lizenz für Wiederverwender*innen so lizenzierter Daten in Italien oder Österreich haben soll.

Auch das immer wieder als Problem vorgebrachte Thema der Amtshaftung scheint im Ergebnis keine Rolle zu spielen. Die Creative-Commons-Lizenzen schließen zwar standardmäßig jegliche Gewährleistung und Haftung aus – was im deutschen Rechtsraum nicht zulässig ist. In der Konsequenz greift hier schlicht die gesetzliche Regelung, die zu einer begrenzten Gewährleistung bzw. Haftung der Daten bereitstellenden Stellen führt. Das TaylorWessing-Gutachten macht auch einen Formulierungsvorschlag, wie eine Behörde den Verzicht auf den in der Lizenz vorgesehenen Gewährleistungs- und Haftungsausschluss erklären kann, um dies eindeutig klarzustellen.

Die europäischen Empfehlungen sprechen indes eine klare Sprache: Informationen der öffentlichen Hand sollen die vorgeschlagenen CC-Lizenzen „oder gleichwertige Lizenzen“ verwenden. Der Datenlizenz Deutschland fehlt jedoch eine nachvollziehbare rechtliche Definition – inklusive der Beschreibung, auf welcher Rechtsgrundlage sie auch außerhalb der Bundesrepublik und der Rechtskraft eines behördlichen Widmungsakts gelten könnte. Sie enthält außerdem keine maschinenlesbare Komponente, die eine Gleichwertigkeit mit Creative Commons herstellen würde. Aus Sicht von Wikimedia Deutschland bestärkt das Gutachten von TaylorWessing, dass es keinen Anlass gibt, den Empfehlungen der EU nicht zu folgen.

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