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WissensWert-Abschlussbericht: Open Citizen Science und Genotypisierungen

Nicole Ebber

18. Juli 2012

Das im WissensWert-Wettbewerb 2011 geförderten Projekte Open Science durch mehr öffentlich verfügbare Genotypisierungen ist nun erfolgreich abgeschlossen. Wir gratulieren und freuen uns, dass unsere Unterstützung so freudig angenommen wurde und zu einem solch positiven Ergebnis führen konnte. Der Projektverantwortliche Bastian Greshake hat folgenden Abschlussbericht verfasst und zur Veröffentlichung frei gegeben. Ein Statusbericht für die anderen Projekte folgt.

Seit ein paar Jahren kann man nicht nur Bücher und Musik über das Web kaufen, sondern auch Gentests. Auf Bestellung gibt es eine Teströhre für die Speichelprobe nach Hause. Diese geht dann zurück an den Anbieter und ein paar Wochen später gibt es die Testergebnisse elektronisch nach Hause geliefert. Über 150.000 Menschen haben bereits solche Direct-To-Consumer (DTC) Gentests machen lassen. Die dabei gewonnenen Daten klären nicht nur über Krankheitsrisiken und Medikamentenverträglichkeiten auf, sondern können auch in der Forschung weiter verwendet werden.

Standardmäßig sind die Ergebnisse dieser Tests jedoch nicht für die Allgemeinheit zugänglich. Kunden von Direct-To-Consumer-Gentests können den entsprechenden Firmen zwar Zugang zu ihren Ergebnissen für die Forschung gewähren, eine freie Veröffentlichung ist in der Regel aber nicht vorgesehen. Ende September schalteten wir deshalb openSNP online. Als Webplattform bietet es Kunden solcher Gentests die Möglichkeit ihre Test-Ergebnisse zusammen mit genetisch bedingten Eigenschaften wie Größe, Augen-/Haarfarbe etc. über die freie Creative Commons Zero-Lizenz kostenlos der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen.

Zum Zeitpunkt der Bewerbung für den WissensWert-Wettbewerb war das openSNP-Projekt noch relativ jung und mit 35 Datensätzen auch nicht sonderlich umfangreich, geschweige denn erfolgreich. Unsere Idee war es mit den WissensWert-Fördermitteln jenen Leuten einen Gentest zu ermöglichen, die zum einen natürlich bereit sind ihre Ergebnisse (auf Wunsch unter Pseudonym) zu veröffentlichen und zum anderen in den meisten Studien bislang unterrepräsentiert sind; denn bis dato stammen die meisten menschlichen Gendaten von männlichen, weißen, gebildeten und wohlhabenden Europäern & US-Amerikanern.

Von Mitte Februar bis Ende März konnten sich daher Interessierte um eine Genotypisierung bei uns bewerben. Neben dem Geschlecht, Herkunft und eventuell vorhandenen genetisch bedingten Krankheiten war uns auch wichtig, dass die erfolgreichen Bewerber verstanden hatten, welche potentiellen Risiken eine freie Veröffentlichung von Gendaten haben kann. Daher enthielt das Bewerbungsformular sechs Ja/Nein-Fragen zu den Risiken.

Unsere Skepsis, ob sich überhaupt genug Bewerber finden würden, stellte sich dabei schnell als unbegründet dar: Innerhalb der ersten 48 Stunden bewarben sich über 200 Personen und schlussendlich hatten wir weit über 400 Bewerbungen aus aller Welt. Nicht nur durch die schiere Anzahl der Einreichungen, sondern auch durch die durchgehend spannenden Bewerbungen selbst war die Auswahl nicht einfach. Schlussendlich konnten wir uns auf 22 Teilnehmer einigen. Diese wurden zwischen April und Anfang Juni durch 23andMe, einen der kommerziellen Anbieter für solche DTC Tests, genotypisiert.

Bislang unterrepräsentierte Gruppen sind unter unseren Teilnehmern recht gut vertreten: 36% der Teilnehmer gaben ihr chromosomales Geschlecht als XX (weiblich) an und nur 9 der Teilnehmer stammen aus Europa; dagegen 8 aus Afrika, je 2 aus Ost-Asien und Polynesien und ein Teilnehmer stammt aus dem mittleren Osten. Mittlerweile haben die meisten Teilnehmer ihre Ergebnisse bereits erhalten und ein Teil hat seine Daten auch schon ins Netz gestellt. Die WissensWert-Förderung ist für uns damit ein voller Erfolg gewesen.

Unser Datenbestand konnte aber nicht nur unmittelbar durch die WissensWert-Förderung gesteigert werden, sondern auch mittelbar: Durch die damit verbundene Medienaufmerksamkeit konnte der Bekanntheitsgrad von openSNP auch über Deutschland hinaus gesteigert werden und mittlerweile führen wir über 200 frei erhältliche Datensätze, zusammen mit entsprechenden Annotationen genetisch bedingter Eigenschaften. Seit dem Beginn des WissensWert-Projekts haben wir darüber hinaus auch Unterstützung für neue Datentypen und eine erweiterte API eingebaut. Gleichzeitig nutzen die ersten (Hobby-)Forscher die frei verfügbaren Daten bereits für ihre Forschung.

Wer wissen möchte, was sonst noch seit dem Start des Projekts bei uns passiert ist, und auf dem laufenden bleiben möchte, wird im openSNP-Blog fündig. Wir haben auch schon ein nächstes Projekt, um die Anzahl der frei verfügbaren Daten weiter zu erhöhen, im Kopf.

  • Ja, ich halte es tatsächlich besser, Einwände vorzubringen, bevor das Kind in den Brunnen fällt.

    Bitte lies noch einmal genau: mein Vorschlag war nur, dass die Kommission einen Rahmen formuliert, an dem man sich orientieren kann. Eine dauerhafte Ethik- oder Datenschutzkommission halte ich auch nicht für notwendig.

    Kommentar von poupou am 19. Juli 2012 um 22:09

  • Wir brauchen dringend eine Datenschutzkommission, eine Ethikkommision und eine Technikfolgenabschätzungskommission. Nur so ist sichergestellt, dass bei jeder Idee mindestens eine Kommission dabei ist, die Einwände hat.

    Kommentar von Daniel am 19. Juli 2012 um 21:15

  • Ich fände es überlegenswert, eine Art Ethikkommission zu installieren, die für WMDE verbindliche Leitlinien erarbeitet, die die MV dann beschließt und an denen sich Wissenswert-Juroren oder z.B. die Mitglieder des Community Projekt Budgets orientieren müssen, denn es erscheint mir sehr wichtig, Sensibilität und Risikobewusstsein, ggf. auch gewisse Grundanforderungen auch unabhängig von den gerade beteiligten Personen zu sichern. Das ist hier aber sicher nicht der richtige Ort, das zu diskutieren. Ich werde versuchen, das WMDE-Präsidium einmal auf diese Thematik aufmerksam zu machen.

    Kommentar von poupou am 19. Juli 2012 um 19:52

  • Poupou, du sprichst da ein wichtiges Thema an, und das ist ein Aspekt, der den Machern auch schon sehr früh bewusst war. Sie haben deshalb Vorkehrungen getroffen, dass es eben nicht zu den von dir beschriebenen Probleme kommt. Zum einen weisen sie im Disclaimer auf OpenSNP deutlich auf mögliche Risiken hin, zum anderen fragen sie im Bewerbungsformular für die Genotypisierung explizit ab, ob die Nutzer verstanden haben, welche Konsequenzen ihr Handeln haben kann.

    Bei der Diskussion mit der Jury kam dieses Thema auch zur Sprache, Sensibilität und Risikobewusstsein war also nicht nur bei WMDE selber sondern auch bei den Juroren vorhanden. Wir waren uns aber einig, dass es seitens der Antragsteller einen zufriedenstellenden Umgang mit dem Thema gibt. Ich bin mir außerdem sicher, dass die Macher über jeden Dialog, alle Bedenken und alle Anregungen zur Verbesserung dankbar sind.

    Kommentar von Nicole Ebber am 19. Juli 2012 um 19:09

  • ich finde solche projekte, bei denen am ende die genetische information von individuen, noch dazu ggf. mit foto und klarnamen, öffentlich im netz herumliegt, nicht von vornherein unbedenklich. hat WMDE hier irgendeine prüfungsinstanz, die sich ethischen fragen widme, bevor solche projekte gefördert werden? ich will hier dem projekt keinen missbrauch unterstellen, aber mich beschleicht ein gewisses unbehagen, wenn ich lese, dass der projektträger “eine offene gruppe von vier personen” ist, also keine mit einer irgendwie gearteten reputation ausgestatte institution.

    Kommentar von poupou am 18. Juli 2012 um 22:18

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