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Sträuße, Körbe und Bouquets: Wie man Urheberrecht verpacken kann

WMDE allgemein

1. Oktober 2012

The future is already here —

it’s just not very evenly distributed.

– William Gibson

Auf Einladung des Bundesjustizministeriums kamen gestern runde 150 Interessierte, Experten und Vertreter von Verbänden in Berlin zusammen, um über die Zukunft des Internets zu reden. Das “Zukunftsforum Urheberrecht” stach aus unserer Sicht aus mehreren Gründen aus der Serie von Veranstaltungen zum Urheberrecht heraus:

  1. Anspruch der Veranstaltung war explizit der Blick in die Zukunft sowohl des Urheberrechts selbst als auch die Betrachtung zukünftiger Wertschöpfung mit Produkten und Dienstleistungen aus dem Kreativbereich. Diesen Anspruch kennen wir auch von anderen Veranstaltungen, dann jedoch häufig entweder in weniger prominenter Aufführung – oder es geht explizit um die Zukunft bestimmter Industrien und die Frage, ob hier Urheberrecht dieser Änderung im Weg steht.
  2. Über die Nichtteilnahme von Vertretern fünf üblicherweise sehr prominent anwesender Verbände hinaus machten diese einen Tag vor der Veranstaltung in einer Pressemitteilung auf ihren Boykott des Zukunftsforums aufmerksam: Börsenverein, GVU, Musik- und Filmindustrie erklärten das Zukunfsforum zur Alibiveranstaltung, für die sie nicht zur Verfügung stünden.

Beide Punkte verdienen Beachtung. An vielen Stellen der Urheberrechtsdiskussion in den letzten Jahren wurde “Zukunft” mehr im Sinne von “Gegenwart” verwendet, als konkrete Belege der Zukunft dienten je nach Lust und Branche Kindle (2007), iPad (2010) oder Spotify (2008). Dabei beschränkte man sich zumeist auf alarmistische Hinweise auf aktuelle Schieflagen ohne jede konkrete Handlungsempfehlung.

Das Fernbleiben von fünf allseits bekannten Interessenverbänden ist auf vielen Ebenen spannend. Auch nach mehrfacher Rückfrage mit den Verbänden gibt es keine plausible Begründung für einen so offenen Affront gegen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Alle im Raum stehenden Gründe (Ihre Weigerung, über Warnhinweismodelle zu reden, seit drei Jahren fehlende Referentenentwürfe zur Reform des Urheberrechts aus dem Ministerium selbst, Verschnupftsein über die Erweiterung von Stakeholder-Kreisen) sind an sich alt und haben auch in der Vergangenheit nicht zur Gesprächsverweigerung geführt. Für gestern lässt sich festhalten: Die Interessen von Urhebern waren auch ohne diese fünf Verbände gut und ausreichend vertreten, ihr Fehlen fiel nicht weiter ins Gewicht. Der Austausch auf den Podien blieb angenehm sachlich und weitgehend frei von schrillen Tönen.

Nicht außergewöhnlich, sondern leider völlig üblich war der dramatische Männerüberhang auf allen Panels, neben der Bundesministerin war mit Cornelia Tausch (Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. ) nur noch eine einzige weitere weibliche Teilnehmerin auf dem Podium vertreten. Die gerne genommene Entschuldigung, dies sei in der Eile nicht anders möglich gewesen, erweist sich angesichts existenter Vorschlagslisten als fadenscheinig.

Um auch anderen interssierten Beobachtern außerhalb Berlins einen zeitnahen Einblick in den Ablauf der Veranstaltung zu geben, testete Wikimedia Deutschland erstmals den Einsatz eines Google Docs zur Echtzeitprotokollierung. Via Twitter wurde der Link für den Lese- und kommentierzugriff herumgereicht und die Kollegen von netzpolitik.org haben in schöner Regelmäßigkeit den Text jeweils auf eines der meistgelesenen deutschsprachigen Weblogs zum Thema Urheberrecht&Co. gespiegelt. Die Rückmeldungen dazu waren insgesamt sehr positiv, wurden von den Leserinnen und Lesern als Mehrwert empfunden (insbesondere da der video-stream der Veranstaltung mitunter Aussetzer hatte) und wir werden in Zukunft bei ähnlichen Veranstaltungen an eine Wiederholung denken. Von Moderationsseite aus war auf das Twitter-Hashtag #zufo hingewiesen worfen, die Konferenorganisatoren selbst haben jedoch twitter zu keinem Zeitpunkt als Rückkanal für die Veranstaltung und ihre Teilnehmer und Zuschauer genutzt.

Zum Ende der Konferenz gab es eine faire Zusammenfassung durch die Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger mit genau dem Maß an Verbindlichkeit in der Aussage, die auch bei der jetzt anstehenden Umsetzung angesprochener Reformprojekte zu erwarten ist. Ich habe diesen Teil nach Kräften mitgeschrieben, es handelt sich jedoch nicht um ein Wortprotokoll der Güte eines stenografischen Dienstes. Wenn durch das Ministerium eine offizielle Abschrift geliefert wird, werde ich diesen Teil dann gerne ersetzen:

Ich hatte viele Stunden Gelegenheit, diesem Forum und den Beratungen zuzuhören. Es hat sich gelohnt, diesen Rahmen zu schaffen. Es bleiben immer kontroverse Punkte. Den ganzen Tag beschäftigen uns die Interessen von Nutzern, Urhebern und Verwertern. Unser Urheberrecht wurde immer wieder ergänzt, weil man immer wieder unterschiedliche Interessen berücksichtigen will. Wir brauchen die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Die Akzeptanz zum Urheberrecht wird nicht gewonnen, wenn Rechte auf abschreckende Weise durchgesetzt werden. Es wurden viele Punkte genannt. Ja, da sehe ich auch bei dem prozesshaften Vorgehen einen Änderungsbedarf. Mit den Grenzen, was überhaupt geht. Und da ist das EU-Recht eine striktere Vorgabe, als das auf den Panels durchklang. Beispiel: Auskunftsrecht. Auch was die Schutzfristen angeht. 70 Jahre – auch für audiovisuelle Werke – sind vorgegeben. Wir können uns nur innerhalb dieses Rahmens bewegen. Dies erklärt, warum man sich vom deutschen Gesetzgeber erhofft, was er nicht leisten kann.

Ich will zu einem konkreten Vorschlag gehen: Warnhinweise. Wir haben die illegale Nutzung von geschützten Werken. Was könnte man mit Warnhinweismodellen verbessern im Interesse der Urheber und Rechteinhaber? Ein Kritikpunkt an dem BMJ ist, dass wir uns dem Modell nicht öffnen. Dazu gehört, dass die Provider nicht nur Warnhinweise verschicken, sondern dass sie auch durch die Analyse der Daten in die Verkehrsdaten schauen, um zum Ergebnis zu kommen, dass beim mehrmaligen Verstoß eine Sperrung vorliege. Was in anderen Staaten passiert. Diesem Modell wollen wir uns nicht annähern. Das Abmahnen ist hier als Abmahnindustrie genannt worden. Wir haben Abmahnmöglichkeiten, breit, nicht nur im UrhG, weil das natürlich eine Möglichkeit zur Rechtsdurchsetzung ist, die nicht das teurere Instrument Klage verlangt. Wir haben Auswüchse, die genauen Zahlen will ich nicht festlegen. Minimum 220.000, manche sagen deutlich mehr. Das ist sehr einprägsam dargelegt worden, dass es dort zu Überziehungen kommt, auch zu Entwicklungen für Anwälte wie ein Geschäftsmodell mit Textbausteinen mit horrenden Summen für junge Mitglieder im Haushalt oder Gäste zu Besuch. Viele verstehen nicht, warum man da mit Kostendrohungen abgemahnt wird. Das gefährdet die Akzeptanz.

Der Gesetzentwurf, den wir erarbeiten, das ist mühsam genug, zur Eindämmung des Abmahnwesens. Ich will nicht jede Abmahnung per se diskreditieren. Andere in der Bundesregierung sagen, da muss man nichts tun. Wir sind bald soweit, dass wir zu den Verbänden gehen. Da fühle ich mich durch die Beratungen in den Panels bestätigt.

Schrankenregeln: Was kann man da tun, wo kann man öffnen. Nicht im Sinne von Einschränkungen im Interesse des Urhebers, sondern im Sinne der Öffnung. Es ist – mit Blick auf USA – eine völlig andere Ausgestaltung mit mehreren Schrankenregelungen. Wir könnten nicht in Deutschland unsere Schrankenregelungen abschaffen und dann eine reine Fair use regelung einführen. Das würde gegen Europarecht verstoßen. Ich abin aber der Meinung, dass man sehrwohl im Rahmen unseres UrhG überlegen muss, wo kann man möglicherweise fair use als Ergänzung im ein oder anderen Punkt machen. Das muss man sich sorgfältig anschauen. Ich denke, wir sollen, wir müssen die Offenheit mitbringen, wie können wir im Rahmen unseres UrhG fair use als Ergänzung einfügen. Wir sind noch nicht soweit, das man morgen in eine gesetzgebung eintreten kann.

Verwertungsgesellschaften. Ich glaube, wir bruachen Verwertungsgesellschaften. Es wäre für einige absolut nicht machbar, das Urheberrecht alleine schon in Deutschland, in der Verwendung von Büchern, von Überrechtswerken selbst durchzusetzen. Es ist gut, dass wir sie habne. Was kann man flexibilisieren, was kann man transparenter machen. Das wurde schon durch einen Bundetagsausschuss angestossen. Dat hat man sich intensiv mit beschäftigt. Jetzt ist aber die EU dran. Es muss über die Territorialgrenzen durchgesetzt werden. Stattfindender Wettbewerb. Legitim, Erlöse zu erziehlen. Der Gesetzgeber hat Rahmenbestimmungen vorgesehen. Beispiel Mietshausbau. Artikel 14 Grundgesetz. Es geht jetzt darum, wie finden wir eine Balance zwischen Gemeinwohlinteressen und zwischen Urhebern auf der anderen Seiten.

Technologieneutrale Weiterleitung: Das ist für mich ganz klar, wann wir das machen. dass wir das klarstellen. Das hätten wir schon gemacht, wenn es nicht durch die EU bei Verwaisten Werken zu Verzögerungen gekommen wäre. Jetzt, wo die EU-Richtlinie einem Ergebnis nähert, wollen wir die Spielräume ausschöpfen. Wir hatten das vor der Sommerpause fertig, das hat uns in unseren Möglichkeiten gestoppt.

Beim Urheberrechtswahrnehmungsgesetz wollen wir da versuchen, Möglichkeiten der Beschleuniggung zu nutzen, beispielsweise bei den Gutachten einen Beschleunigungseffekt zu erzielen. Sie sehen, da kommt ein Strauss zusammen.

P2P macht noch 20%  des Internettraffics aus. Bei allen Einwänden (Art 10GG), man kommt damit, weil es ja andere Wege gibt, man kommt maximal an 20% heran. Man sollte das – Beckedahl sagte es – vom Rechteinhaber aus eine kostenfreie Warnung schicken. Wir werden ja nicht die Abmahnung unmöglich machen. In angemessener Form. Das wäre wenn. Da müsste man nach geltendem Recht nichts ändern

Vielleicht das als kleiner Blick darauf, wie aus dem Ministerium, das, was hier diskutiert wurde, gesehen wird.

Herr Beckedahl, zur Störerhaftung, da sprechen sie die Rechtssprechung an. Die rechtsprechung hat, mit Dauer, für Klarstellung gedauert. Die Justizministerkonferenz hat den Auftrag erteilt bis November zu prüfen, wie die Störerhaftung und WLAN-Haftung tatsächlich auswirkt und ob es da Handlungsbedarf gibt. Es gibt hier ein Ungleichgewicht unterschiedlicher Haftung beseitigt.

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