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Eine andere digitale Welt: Paneldiskussion zum Thema „Wem gehört das Internet?“

Das Internet, einst eine Verheißung auf mehr Demokratie, Teilhabe und Freiheit, hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Heute dominieren wenige Tech-Giganten den digitalen Raum, während nicht-kommerzielle Projekte wie Wikipedia, Mastodon, Signal oder Freifunk theoretisch ein selbstbestimmtes digitales Leben ermöglichen könnten. Doch warum setzen sich manche dieser Projekte, wie Wikipedia oder Mozilla, bei der breiteren Bevölkerung durch und andere noch nicht? Dieser Frage widmete sich eine Podiumsdiskussion bei Wikimedia Deutschland, an der Stefan Mey, Autor des Buches „Der Kampf um das Internet“, die Bürgerrechtlerin Katharina Nocun und der Bundestagsabgeordnete Tobias B. Bacherle teilnahmen.

Zarah Ziadi

14. März 2024

Das Dilemma der alternativen Projekte

Stefan Mey präsentierte zunächst sein Buch, das die Vielfalt nicht-kommerzieller Projekte als “digitale Gegenwelt zu den kommerziellen Tech-Giganten” beschreibt. Trotz ihrer Transparenz und Nutzerorientierung bleiben diese Projekte oft hinter den Angeboten großer Konzerne zurück. Mey identifizierte fehlende finanzielle Ressourcen und stabile Infrastrukturen als Hauptprobleme. Er betonte: „Stabile Infrastrukturen wie große Rechenzentren fehlen, wodurch die alternativen Anwendungen nicht immer reibungslos laufen.“

Herausforderungen und Lösungsansätze

Die Diskussion verdeutlichte, dass staatliche Institutionen mehr tun müssen, um nicht-kommerzielle Projekte zu fördern. Katharina Nocun betonte die Bedeutung staatlicher Unterstützung für die Entwicklung gemeinnütziger Software. Tobias B. Bacherle kritisierte die komplizierten Ausschreibungsverfahren, die großen Konzernen zugutekommen. Eine Lösung könnte laut Stefan Mey in Kooperationen zwischen kleineren Unternehmen und Open-Source-Entwicklern liegen. Er fügte hinzu: „Eine weitere Möglichkeit der Finanzierung kann auch entstehen, wenn kleinere Unternehmen, die ebenfalls mit Big-Tech Konzernen hadern, Kollaborationen mit Open Source Entwicklern eingehen.“

Bewusstsein für digitale Souveränität schaffen

Es wurde diskutiert, dass fehlendes Bewusstsein für digitale Souveränität ein zentrales Problem darstellt. Die Bedeutung dieses Themas muss sowohl von Unternehmen als auch von der Bevölkerung erkannt werden. Hier besteht noch Aufklärungsbedarf, um ein Umdenken zu erreichen.

Förderung und politische Maßnahmen

Abschließend wurde betont, dass konkrete Maßnahmen und Förderungen notwendig sind, um nicht-kommerzielle Projekte zu stärken. Dies kann durch finanzielle Unterstützung, aber auch durch politisches Engagement und Sensibilisierung für digitale Souveränität geschehen. Katharina Nocun erinnerte daran: „Dass aktuell von staatlicher Seite eher kommerzielle Dienstleister genutzt werden, ist auch ein Regulierungsversagen.“

Fazit: Eine andere digitale Welt ist möglich

Die Diskussion bei Wikimedia Deutschland verdeutlichte die Herausforderungen und Chancen nicht-kommerzieller Projekte im digitalen Raum. Es liegt an allen Beteiligten, gemeinsam Lösungen zu finden und eine digitale Welt zu schaffen, die auf Prinzipien wie Transparenz, Freiheit und Selbstbestimmung basiert.

Die gesamte Podiumsdiskussion im Video:

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Mehr zu den Panelteilnehmer*innen:

Stefan Mey ist Buchautor und investigativer IT-Journalist. Er interessiert sich dafür, welche Auswirkungen digitale Umstände auf eine Gesellschaft haben und hat sich von Anfang an für die Frage von Macht und Gegenmacht im Internet interessiert. Mey kennt sowohl große IT-Konzerne als auch viele unbekannte Projekte der digitalen Gegenwelt von innen.

Katharina Nocun ist Publizistin und ehemalige Politikerin. Sie war von Mai bis November 2013 politische Geschäftsführerin der Piratenpartei Deutschland und leitete bei Campact unter anderem die Kampagne „Schutz für Edward Snowden in Deutschland“. Seit 2012 veröffentlichte Nocun vornehmlich Artikel zu digital politischen Themen und seit 2020, häufig gemeinsam mit der Sozialpsychologin Pia Lamberty, Sachbücher und Artikel zu Verschwörungstheorien und Esoterik.

Tobias B. Bacherle ist ein deutscher Politiker (Bündnis 90/Die Grünen) und seit 2021 Mitglied des Deutschen Bundestages. Für seine Fraktion ist Bacherle Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und Ausschuss für Digitales. Bacherle ist entschiedener Gegner der sogenannten Chatkontrolle.

Moderation: Tobias Schmid ist Informations- und Kommunikationswissenschaftler und Moderator, dessen Arbeit sich darum dreht, die digitale Transformation besser zu verstehen. Als Moderator legt er Wert darauf, eine angenehme und rücksichtsvolle Atmosphäre zu schaffen, damit sich Publikum und Gäste während des Diskurses wohlfühlen.

Neue Folge von „Wissen. Macht. Gerechtigkeit.“: Wer bricht die Macht der IT-Konzerne?

Um die Frage, wem das Internet gehört, geht es auch in der aktuellen Folge des Podcasts „Wissen. Macht. Gerechtigkeit.“ in Zusammenarbeit mit dem Deutschlandfunk Kultur. Autor Stefan Mey, der Informatiker und KI-Kritiker Jürgen Geuter alias tante und die Autorin und Forscherin Zara Rahman diskutieren, wie Wikipedia, Mastodon, Firefox oder Signal das Internet fairer, freier und demokratischer machen.

Kommentare

  1. Dietmar Fischer
    29. März 2024 um 09:26 Uhr

    Aller Anfang ist schwer, doch wenn der Anfang nicht wär…
    Schönes Thema, welches hier angesprochen wird. Leider verweist die Verlinkung des Videos auf Youtube. Ich müsste mich vor dem Anschauen mit den “Datenschutzbestimmungen” von Google bzw. Youtube einverstanden erklären. Zumindest bin ich zur Einschätzung der Folgen für mich, aufgefordert die zugehörigen Erklärungen zu lesen. Für mich stellt sich hier die Frage, warum man die Aufzeichnung der Diskussion nicht mit einer Instanz von “Invidious” verlinkt. Das wäre gleichzeitig eine Möglichkeit den am Thema Interessierten schon mal eine Alternative aufzuzeigen. Das nächste mal hoffentlich besser!
    (https://invidious.io/)

    1. Zarah Ziadi
      4. April 2024 um 09:57 Uhr

      Herzlichen Dank für Ihr Interesse an dem Thema und Ihren konstruktiven Kommentar. Wir sind als Befürworter offener, freier Software darauf bedacht, diese so stark wie möglich einzusetzen. Deshalb werde ich Ihre Anmerkung auf jeden Fall weitergeben. Es bleiben jedoch immer ein paar Graubereiche, bei denen wir abwägen müssen, denn wir wollen auch Menschen erreichen, denen Konzepte wie das Fediverse noch nicht bekannt sind.

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