Politik für Freies Wissen
Das kann die Bundesregierung jetzt für Freies Wissen tun


Lilli Iliev

Heike Gleibs
5. März 2025
Open Data als Schlüssel für Zugang, Vernetzung und Transparenz
Wissen, Daten und Software, die in Verwaltungen oder Ministerien entstehen, werden mit öffentlichen Mitteln finanziert. Sie sollten daher auch der Öffentlichkeit zur freien Wiederverwendung zur Verfügung stehen. Wikipedianer*innen können dieses Wissen in der freien Enzyklopädie teilen. Aber auch Forschende, Journalist*innen oder Verwaltungen selbst profitieren davon, wenn mehr Informationen gut auffindbar und frei zugänglich sind.
Rechtsanspruch auf Open Data
Wenn Verwaltungen Daten von sich aus offen, maschinenlesbar und vernetzt zur Verfügung stellen, schafft das Transparenz. Sie fördert Vertrauen in Regierungs- und Verwaltungshandeln und trägt zur Modernisierung der Verwaltung bei. Das Transparenzgesetz schaffte es in der vergangenen Legislatur nur bis zu einem Entwurf und sollte sofort erneut begonnen werden.
„Öffentliches Geld, öffentliches Gut“
Was maßgeblich mit öffentlichen Mitteln finanziert wurde, muss der Öffentlichkeit frei zur Verfügung stehen. Doch dafür braucht es entsprechende rechtliche und politische Rahmenbedingungen. Wikimedia Deutschland setzt sich dafür ein, dass Archivinhalte, öffentlich beauftragte Software, digitalisierte Bestände von Kulturinstitutionen und vieles mehr für alle frei nutzbar sind.
Freie Software priorisieren
Der Staat sollte auf Freie Software setzen. Sie ist ein wiederverwendbares öffentliches Gut und die öffentliche Hand fördert so gemeinwohlorientierte IT-Strukturen, Transparenz sowie die eigene Unabhängigkeit von Tech-Giganten. Menschen, die beispielsweise ehrenamtlich Softwareprojekte oder Apps entwickeln, können diese Software ebenfalls nutzen.
Weitere Informationen zu offenen Daten und freien Lizenzen
Demokratie und digitale Zivilgesellschaft stärken
Die freie Enzyklopädie Wikipedia verdeutlicht es jeden Tag: Digitale Ehrenamtsarbeit erbringt einen unschätzbaren gesellschaftlichen Nutzen. Im letzten Jahr wurde das digitale Ehrenamt erstmals als eigenständige Engagementform in der Engagementstrategie der damaligen Bundesregierung genannt. Am Gemeinnützigkeitsrecht hat die Regierung aber trotzdem nichts geändert. Viele tausend Menschen engagieren sich außerdem ehrenamtlich für Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und Demokratie. Unser Ziel ist es, eine gemeinwohlorientierte Digitalisierung zu fördern, die auf den Prinzipien Offenheit, Transparenz, Teilhabe, Zugang sowie dem Schutz der Grund- und Menschenrechte basiert.
Digitales Ehrenamt fördern
Die ehrenamtliche Entwicklung von Software, Apps oder Plattformen und anderer digitale Projekte wie OpenStreetMap oder Wikipedia erzeugen täglich gesellschaftlichen Mehrwert. Sie werden in der Abgabenordnung bisher nicht als gemeinnützig anerkannt. Dabei sind sie Infrastrukturen für das Gemeinwohl und verdienen als solche Anerkennung und Förderung.
Reform des Gemeinnützigkeitsrechts
Viele tausend Menschen engagieren sich ehrenamtlich für Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und Demokratie. Sie brauchen Rechtssicherheit. Politisches Engagement im Sinne des Vereinszwecks sollte daher als gemeinnützig anerkannt werden.
Weitere Informationen zur Förderung von digitalem Ehrenamt
Verwaltungsdigitalisierung von Grund auf denken
Wenn Wissen, Daten und Software digital frei verfügbar sein sollen, braucht es entsprechende digitale Infrastrukturen – zum Beispiel in der Verwaltung. Um die systematische Veröffentlichung offener Daten zu ermöglichen, muss die Politik verschiedene Hebel in Bewegung setzen, um die notwendige Basis für eine moderne Verwaltung zu legen. Punkt eins aus der Agenda: Eine solide Daten- und IT-Grundlage auf dem Stand der Technik. Das schafft nicht nur die Grundlage dafür, Informationen aus Behörden als Open Data bereitzustellen. Behörden können so zudem die Potenziale deutlich vereinfachter interner Verfahren nutzen.
Digitalisierung als Führungsaufgabe
Für eine moderne Verwaltung braucht es zunächst strategische Ziele mit klarer Verantwortlichkeit, einem langfristigen Budget und Erfolgskontrollen.
Kompetenzaufbau in der Verwaltung
Um die öffentliche Hand zum Aufbau der notwendigen Infrastrukturen für die automatisierte Bereitstellung offener Daten zu befähigen, muss der interne Aufbau von IT-Kompetenz als strategische Aufgabe gesehen werden.
Weitere Informationen zu Open Data und Verwaltungsdigitalisierung
Digitale Bildung braucht mehr als Internet und Whiteboards
Wikimedia Deutschland setzt sich für freien Zugang zu Wissen ein, indem wir Wikimedia Projekte und Ehrenamtlich fördern – aber auch darüber hinaus. So zum Beispiel im bildungspolitischen Bereich. Im Sinne einer freien und digitalen Weiterverwendung von Wissen fordern wir von Politikschaffenden, dass offene Bildungsmaterialien in der Lehrkräfteausbildung und im Unterricht fest verankert werden. Offene Bildungsangebote und -infrastrukturen können kostenlos genutzt, für eigene Bedarfe angepasst, vervielfältigt und weitergegeben werden. Sie sind die Grundlage für einen freien Zugang zu Bildung und fördern damit Chancengerechtigkeit. Die Bundesregierung kann diese Formen von Offenheit ermöglichen, indem sie entsprechende rechtliche, finanzielle und strukturelle Rahmenbedingungen schafft. Sie sollte sich daher im Koalitionsvertrag die folgenden Ziele setzen:
Digitalpakt 2.0 nachhaltig gestalten
Bildungspolitik muss die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Schulen und Schulverwaltungen interne IT-Expertise aufbauen können – für die Beschaffung geeigneter freier Softwarelösungen und für deren Wartung. Es braucht nachhaltige Hardware ohne Produktbindung, die unter Mitbestimmung der nutzenden Gruppen beschafft wird.
Offene Bildungsmaterialien (OER) fördern
2022 hat der Bund mit der OER-Strategie einen wichtigen Meilenstein gesetzt. Damit diese Strategie umgesetzt werden kann, ist die finanzielle und rechtliche Unterstützung der OER-Community notwendig.
Offene und gemeinwohlorientierte Bildungsinfrastrukturen stärken
Die neue Führung im Bundesministerium für Bildung und Forschung sollte den Auf- und Ausbau digitaler Bildungsinfrastrukturen mit besonderem Schwerpunkt auf quelloffener, freier Hard- und Software mit Investitionen fördern. Das stärkt das Gemeinwohl.
Mehr Informationen zu freier und offener Bildung
- Politikbrief: „Offenheit. Werte. Standards. Was die Nationale Bildungsplattform jetzt berücksichtigen muss“
- Handlungsempfehlungen: Offene KI für alle! Empfehlungen für offene und gemeinwohlorientierte KI-Technologien im Bildungsbereich
- Projektseite: Verschlusssache Prüfung – Kampagne für freien und digitalen Zugang zu alten Prüfungsaufgaben
Digitalpolitik europäisch und international gestalten
Digitalpolitik wird zunehmend auch auf internationaler oder euopäischer Ebene gemacht. Der Digital Services Act, dessen Regelungen auch die Wikipedia betreffen, ist nur ein Beispiel dafür. Wir sind überzeugt, dass nur eine am Gemeinwohl orientierte Digitalpolitik eine offene, freie und sichere digitale Zukunft ermöglichen kann. Auf EU-Ebene müssen daher der Schutz demokratischer Strukturen, die Förderung digitaler Gemeingüter, die Einhaltung der Menschenrechte sowie die Bedürfnisse von Internetnutzenden, Medienschaffenden und benachteiligten Gruppen im digitalen Zeitalter im Vordergrund stehen. Die neue Bundesregierung und der oder die neue Digitalminister*in sollte sich daher für folgende Positionen stark machen:
Gemeinwohlorientierte digitale Infrastruktur
Wikipedia, OpenStreetMap, das Fediverse mit Mastodon und Co. – das sind nur einige Beispiele für gemeinnützige und offene digitale Projekte. Ebenso wie freie und offene Software brauchen sie mehr Förderung und Schutz. Dafür sollte sich die neue Bundesregierung auch auf europäischer Ebene einsetzen.
Stärkung der Zivilgesellschaft
Wenn es um digitalpolitische Entscheidungen geht, sitzen oft die großen Tech-Unternehmen mit am Tisch. Die Interessen der Nutzenden digitaler Plattformen oder deren demokratische Kontrolle stehen daher nicht automatisch im Mittelpunkt. Um die Interessen der von uns als Nutzende und die Expertise aus der Zivilgesellschaft zu vertreten, müssen ihre Vertreter*innen in internationalen Gremien wirksam beteiligt werden.
Digital Knowledge Act
Ein Digital Knowledge Act bestünde aus einem Bündel an Regelungen, die es Wissens- und Bildungseinrichtungen ermöglichen, ihrem Auftrag endlich auch online effektiv gerecht zu werden. Dazu gehört zum Beispiel ein sekundäres Veröffentlichungsrecht für Forschung. Damit könnte öffentlich finanzierte Forschung nicht mehr nur zitiert, sondern auch verlinkt und von Forschern, Journalisten und allen Bürgern abgerufen werden. Aber auch ein EU-weites Recht auf elektronische Ausleihe. So könnten Bibliotheken Werke in digitalen Formaten unter den gleichen Bedingungen wie Werke in physischer Form ausleihen, was ihnen derzeit verwehrt ist.
Weitere Informationen zu europäischer Digitalpolitik für Freies Wissen
- Blogbeitrag: Wikimedia Europe: “We need a digital knowledge act”
- Blogbeitrag: Wikipedia offiziell als digitales Gemeingut anerkannt