Aline Blankertz
Frank Böker
17. November 2022
Ende Oktober veröffentlichte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) einen Entwurf der geplanten „Zukunftsstrategie Forschung und Innovation“. Mit der Strategie will das Ministerium nach eigenen Angaben sicherstellen, „dass Deutschland und Europa eine entscheidende Rolle bei den großen forschungs- und innovationspolitischen Themen der kommenden Jahre spielen werden“.
Organisationen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft waren eingeladen, den Entwurf zu kommentieren. Auch das Bündnis F5, zu dem neben Wikimedia Deutschland auch AlgorithmWatch, die Gesellschaft für Freiheitsrechte, die Open Knowledge Foundation Deutschland und Reporter ohne Grenzen gehören, hat sich an der geschlossenen Konsultation beteiligt – auch wenn nur eine Organisation eine Einladung erhielt.
Praktisch vergessen wurde im Strategieentwurf die Förderung von Offenheit und Transparenz. In der F5-Stellungnahme an das Ministerium haben wir gemeinsam mit unseren Bündnis-Partner*innen zahlreiche Vorschläge gemacht, wie Forschung und Innovation zugänglicher gestaltet werden können. Drei Punkte, die uns besonders wichtig sind:
1. Offenheit als Grundlage wissenschaftlichen Arbeitens anerkennen
Open Science erleichtert den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn innerhalb einer Disziplin und verbessert den produktiven interdisziplinären Austausch. Im Strategieentwurf fehlt ein Bekenntnis zu einer offenen und transparenten Forschung jedoch. Dabei haben wichtige Akteur*innen wie der Rat der EU und die Deutsche Forschungsgemeinschaft diese längst als zukunftsweisend erkannt und Anpassungen z. B. in den wissenschaftlichen Anreizstrukturen gefordert.
Offene Wissenschaft umfasst alle Ebenen der Forschung: Theorien, Methoden, Anwendungsfelder und Ergebnisse, aber auch den Umgang mit Rohdaten und Zwischenergebnissen. Open Science bedeutet u. a., dass ergebnislose Studien dennoch veröffentlicht und somit nicht mehrfach durchgeführt werden.
2. Zukunftsstrategie muss Zugang zu Forschungsergebnissen verbessern
Um mehr Beteiligung im Bereich Forschung und Innovation zu erreichen, braucht es einen leichteren Zugang zu Wissen und mehr Möglichkeiten zur Mitgestaltung. Open Access senkt die Barrieren zur Beteiligung an Wissenschaft, da auch nicht akademisch aktive Menschen umfassenden Zugang zu Forschungsergebnissen bekommen. Damit können sie sich informierter an wissenschaftlichen Diskursen beteiligen.
Gerade in Krisenzeiten ist die Einbindung der Gesellschaft in wissenschaftliche Prozesse besonders wichtig. Obwohl eine Mehrheit in der Bevölkerung wissenschaftlichen Erkenntnissen vertraut, erleben wir immer wieder Zweifel – etwa an Forschungsergebnissen aus der Klimaforschung oder der Medizin. Hier kann eine offene, zugängliche Wissenschaft wichtige Überzeugungsarbeit leisten, etwa durch den Ausbau von Wissenschaftskommunikation und -journalismus und die digitale Verfügbarkeit von Angeboten öffentlicher Bibliotheken.
3. Forschung und Innovation nicht nur für kommerzielle Zwecke
Bei der Bewertung der praktischen Anwendbarkeit von Forschungsergebnissen muss die Bundesregierung nichtkommerzielle Nachnutzung viel stärker würdigen. Die Anwendbarkeit sollte nicht primär an der Anzahl der Patente oder der ausgegründeten Unternehmen gemessen werden. Vielmehr muss auch der gesellschaftliche Nutzen in die Bewertung einfließen: Werden Studiendaten in anderen Forschungsprojekten weiterverwendet? Fließen Ergebnisse in die Arbeit von Wissenschaftsjournalist*innen oder politischer Akteur*innen ein? Faktoren wie diese müssen eine viel größere Rolle spielen als bislang.
Insgesamt muss die Relevanz gesellschaftlicher Interessen viel stärker zum Tragen kommen. Statt Partikularinteressen etwa aus der Industrie sollte die Bundesregierung den Nutzen von Forschung und Innovation für das Gemeinwohl in den Mittelpunkt stellen.
Die ganze Stellungnahme von F5 zur Zukunftsstrategie der Bundesregierung gibt es hier zum Download: