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Dateninstitut

Wie der Zugang zu Wissen stärken kann – und wie nicht

In Deutschland ist man sich einig, dass viel ungenutztes Potenzial in Daten steckt. Um das zu ändern, will die Bundesregierung jetzt ein Dateninstitut gründen. Ist das eine gute Idee? Eine eierlegende Wollmilchsau braucht niemand, stattdessen müssen bestehende Dateninitiativen aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft besser vernetzt und ihr Wissen in die Breite getragen werden.

Aline Blankertz

Stefan Kaufmann

20. Oktober 2022

Das Dateninstitut wird kommen, das ist beschlossene Sache. Die Gründungskommission ist berufen, die co-federführenden Ministerien benannt, die Suche nach Budget ab 2023 läuft. Doch was sollte das Dateninstitut tun und können? Dazu laufen aktuell Konsultationen in Form von Interviews, Workshops und einem Online-Formular. Die Diskussionen im Vorfeld lassen erahnen, dass das Ergebnis ein riesiges Spektrum möglicher Tätigkeitsfelder darstellen wird. Denn von Anfang an war vollkommen offen, welcher Probleme sich das Institut eigentlich annehmen soll: Soll es der Wirtschaft das Datenteilen erleichtern? Selbst Daten sammeln und Zugang ermöglichen? Als Wissenshub für „alles rund um Daten“ dienen?

Ein Dateninstitut für Freies Wissen für alle

Wissen muss für alle frei verfügbar sein. Dafür setzt sich Wikimedia Deutschland als Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens ein. Selbstverständlich muss das auch für Daten gelten, zumindest dort, wo kein Schutzinteresse an den Daten überwiegt – beispielsweise wegen des Daten- oder Geschäftsgeheimnisschutzes. Daten sollen für alle verfüg- und nutzbar sein, egal ob für gesellschaftliche Zwecke, Geschäftsideen oder für Forschungsvorhaben. Ein Dateninstitut könnte dazu beitragen, die vielfältigen Initiativen, die Daten öffnen und nutzen, aus ihren Silos zu befreien und ihnen endlich mehr Breitenwirkung zu geben. Denn es mangelt nicht an Ideen, ehrenamtlicher Initiative sowie bereits abgeschlossenen Pilot- und Leuchtturmprojekten. Doch viel zu oft müssen alle mit Daten Befassten wieder bei Null beginnen, weil sich niemand dafür zuständig fühlt, Erkenntnisse festzuhalten und weiterzugeben.

Diese Idee ist nicht völlig neu. Über die Jahre ist eine ganze Reihe von Datennutzungs-Showrooms entstanden und dann wieder langsam gestorben. Denn ihr dauerhafter Betrieb bedeutet langfristige Pflege und viel Arbeit. Ein Beispiel ist das Ehrenamtsprojekt kleineanfragen.de, das die bessere Durchsuchbarkeit und Analyse von Parlamentsdokumenten ermöglichte und aufgrund von übermäßigem Aufwand für eine Anpassung an sich ändernde Parlamentsdokumentation stillgelegt wurde. Wie ein Dateninstitut diese strukturellen Probleme beheben kann, bleibt unklar. Es könnte sie aber zumindest analysieren und Handlungsempfehlungen aussprechen, so dass dies nicht so bleibt.

Die vielfältigen bestehenden Initiativen stärken

Der Konsultationsprozess zum Dateninstitut zeigt auf, welche Bandbreite von Aufgaben möglich wäre: Man könnte Daten standardisieren, selber „Datendrehscheiben“ bereitstellen, gar Datentreuhänderin werden, Normen verfassen, Anwendungsbeispiele für den Nutzen von Daten bauen, und dergleichen mehr. Vieles davon passiert schon, wenn auch weitgehend unbeachtet von der breiten Öffentlichkeit: Seit 2014 gibt es das Netzwerk Code for Germany unter dem Dach der Open Knowledge Foundation. Über die Jahre sind dort vielfältige Anwendungen und Praxisbeispiele entstanden, wie die öffentliche Verwaltung besser funktionieren könnte.

Auch aus den Reihen des Chaos Computer Club gibt es seit über 30 Jahren Impulse zum Motto „öffentliche Daten nützen“. Und bei Jugend hackt zeigen Jugendliche seit 2013, was sie an einem Wochenende mit Daten der öffentlichen Hand anstellen können. Wikidata teilt Faktendaten mit freier Lizenz. Daneben gibt es bereits umfassende Forschungsdatenzentren, die vielfältige Daten der Forschung zur Verfügung stellen sollen, das Statistische Bundesamt, das Kompetenzzentrum Open Data und das Portal für Government Open Data Govdata. Zudem erproben bereits viele von der öffentlichen Hand finanzierte Pilotprojekte „neue“ Ansätze für Datenaustausch – beispielsweise vom Bildungs- und Forschungsministerium und vom Wirtschafts- und Klimaministerium. Statt immer neue Initiativen ins Leben zu rufen, sollten wir aus Bestehendem lernen sowie die ungenutzten Wissen- und Datenquellen nachhaltig aufbereiten und besser verknüpfen.

Das britische Open Data Institute (ODI) kann als Inspiration dafür dienen, wie sich verschiedene Akteure verständlich ansprechen lassen. Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Verwaltung nutzen das ODI als verständliche Quelle von Handreichungen, Lehrmaterialien wie auch neuen Ideen. Statt selbst Daten zu halten, vernetzt es bestehende Akteure und Initiativen und gibt Impulse für eine gesellschaftlich und nicht rein wirtschaftlich wertvolle Nutzung von Daten. Das könnte auch ein Dateninstitut in Deutschland leisten: Wenn es die vielfältig vorhandene Expertise einsammelt, aufbereitet und verstetigt, schafft es damit einen wertvollen Wissenspool für all die, die „Neues“ mit Daten machen wollen – ohne dabei alte Fehler zu wiederholen. Das gilt insbesondere für die vielen Projekte aus der (ehrenamtlichen) Zivilgesellschaft, die zwar an einem offenen Umgang mit ihren Erfahrungen interessiert sind, diese aber aufgrund begrenzter Ressourcen oft nicht umfassend dokumentieren und weitergeben können.

Was das Dateninstitut NICHT tun sollte

Ein Dateninstitut sollte bestimmte Bereiche nicht bearbeiten, um nicht noch mehr Fragmentierung und Komplexität zu schaffen oder Anstrengungen zu duplizieren. Dazu gehören:

  • Lizenzen gibt es schon (zum Beispiel für offene Daten), sie müssen nur angewandt werden. Wir empfehlen die weltweit bekannten Standardlizenzen, um Datensilos durch Lizenzinkompatibilitäten zu vermeiden. Zudem ist eine zu starke Fragmentierung problematisch für die vielfach geforderte und sinnvolle Verknüpfung von Datensätzen.
  • Forschung gibt es bereits umfassend in der Wissenschaft wie auch in politiknahen Bereichen (wie acatech, diverse Fraunhofer-Institute), die sich dem Thema auf abstrakter Ebene nähern.
  • Es existieren bereits bewährte Standards für Linked Data. Dass das Dateninstitut den einen übergreifenden Standard entwickeln kann, erscheint unwahrscheinlich – im Gegenteil sollten hier bewährte Modelle genutzt werden, anstatt deutsche Sonderwege einzuschlagen.
  • Beratung zu Datenschutz ist nicht sinnvoll, vor allem, wenn sich dadurch ein Gegenspieler zu den 18 bestehenden Datenschutzaufsichtsbehörden ergibt, der noch eine weitere Meinung äußert.
  • Datentreuhandmodelle für die Wirtschaft werden schon umfassend im Kontext der Datenräume untersucht. Eine Rolle für das Dateninstitut könnte darin bestehen, dafür zu sorgen, dass die Datenräume möglichst offen und zugänglich bleiben und auch gesellschaftlichen Interessen nützen.
  • Spezifische Lösungen und Angebote (Schulungen, Schnittstellen etc.) für Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und andere würden wieder zu weiteren Silos führen. Stattdessen ist eine stärkere Vernetzung wichtig (wie z. B. auch vom GovTech Campus angestrebt), um domänenübergreifenden Austausch zu befördern.

Ein Kompetenzaufbau in den Verwaltungen ist notwendig

Ist das Dateninstitut überhaupt das passende Instrument, um all die offensichtlichen Herausforderungen bei der Bereitstellung von Daten in Deutschland zu lösen? Damit dies passieren kann, müssen Bund, Länder und Kommunen den Umgang mit IT- und Datenarchitekturen als Kompetenz internalisieren. Damit die Verwaltung wiederverwendbare Daten veröffentlichen und selbst für datenbasierte Entscheidungen verwenden kann, braucht sie weitsichtige Architekturplanung und die dafür nötigen Investitionen. Menschen in der Verwaltung können dann informiert Systeme gestalten und beschaffen, auf denen eine dezentrale Dateninfrastruktur liegt. Damit können die Daten gleich an der Quelle standardisiert und automatisiert freigeben werden und so Linked Open Data in die Anwendung bringen. Das ist keine einfache Aufgabe: Es bedarf sowohl tiefer Expertise, um die Basisinfrastruktur aufzubauen, als auch breiten Wissens, damit in der täglichen Verwaltungsarbeit Daten gleich veröffentlicht werden.

Grundlegende Anstrengungen weit über ein Dateninstitut hinaus sind notwendig, um das Potenzial von Freiem Wissen zu heben. Es wäre schade, wenn das Dateninstitut dazu beiträgt, Innovation und Agilität im Kleinen zu feiern, während die großen Baustellen ignoriert werden. Noch eleganter wäre es gewesen, hätte man sich vor der Entscheidung für ein Dateninstitut überlegt, welches Problem man überhaupt damit lösen möchte. Es wäre eine vertane Chance, wenn das Dateninstitut mit einem Sammelsurium an Aufgaben überhäuft wird und diese nur ineffektiv löst. Wir wünschen uns, dass es keine Ressourcen oder Aufmerksamkeit von dringend gebrauchten Initiativen abzieht, sondern diese stärkt und das bestehende Wissen um Daten breiter teilt.

Da wir es für wünschenswert halten, dass Konsultationsprozesse so transparent wie möglich sind, stellen wir hier das Konsultationsdokument für die Interviews zur Verfügung, die vor der Online-Konsultation stattfanden.

Kommentare

  1. Prof Dr Hans-Günther Döbereiner, biologischer Physiker
    30. Oktober 2022 um 07:49 Uhr

    Ein Dateninstitut (DI) sollte innovative Idee und deren Umsetzung rund um Daten in und aus allen Sektoren des Staates ermöglichen und fördern. Ein DI sollte ein Think and Do Tank sein um die Digitale Transformation für den Bürger zu gestalten. Vertreter von und aus Infrastruktur und Standardisierung, Wirtschaft und Industrie, Wissenschaften. Verwaltung, Datenrecht, sowie Ethik und Philosophie der Information müssen zusammen arbeiten um im gegenseitigen Verstehen nach transparenten Lösungen zu suchen und diese in Pilotprojekten entwickeln. Es ist sicher keine gute Idee das DI zu überfrachten., aber gewisse Aufgaben von vorne herein auszuschließen erscheint kontraproductiv
    FAIR Digital objects sind ein Instrument um mit offenen Daten eine offene Politik für eine offene Zivivselgeschaft zu betreiben, siehe fairdo.org FDOs sind ein international entwickelter basaler universaler Datenstandard UND erlauben den Aufbau komplexer Daterräume.

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