Teaching the digital Commons – Ein Pilotprojekt an der FH-Potsdam
Welche Rolle spielen Digitalisierungsprozesse in Bibliotheken? Und wir können wir Menschen auf die Arbeit in diesem Feld vorbereiten? Im Wintersemester 2019/2020 haben wir Rahmen des Lehrangebotes der Fachhochschule Potsdam (FHP) ein Pilotprojekt begleitet rund um das Thema Datenkompetenzen für InformationswissenschaftlerInnen. Ein Interview dazu mit Dr. Ellen Euler.
Im Wintersemester 2019/2020 haben wir im Rahmen des Lehrangebotes der Fachhochschule Potsdam (FHP) ein Pilotprojekt zum Thema Datenkompetenzen begleitet. Hierfür wurde das bestehende (verpflichtende) Lehrangebot zu digitalen Medienkompetenzen, das so genannte „Medienpraktikum“, weiterentwickelt. Inhaltlich wurde der Fokus verstärkt auf Datenkompetenz und die Fähigkeit, Daten auf kritische Art und Weise zu bewerten und anzuwenden, gelegt.
Hintergrund war die Überlegung, dass im Rahmen von Digitalisierungsprojekten entstehende Daten stärker vernetzt und in Citizen Science Projekte eingebracht werden sollten, anstatt auf die rein technologiebezogenen Anwendungskompetenzen zu fokussieren. Von insgesamt 6 Lehrblöcken bezogen sich vier Blöcke auf die Vernetzung von in Digitalisierungsprojekten entstehenden Daten durch Einbringung in die Wikimedia-Projekte Wikimedia Commons, Wikipedia und Wikidata.
Frau Euler, sie haben das Seminar im Wintersemester 2019/2020 an der FH Potsdam geleitet und sich dafür entschieden, die ursprünglichen Inhalte anzupassen und mit der Arbeit in den Wikimedia-Projekten zu verknüpfen. Warum?
Es ging mir darum, zu zeigen, dass Digitalisierung kein Selbstzweck ist und wie sich mithilfe der Wikimedia-Projekte die digitale Wissensallmende bereichern lässt. Ich wollte dafür sensibilisieren, dass es nicht damit getan ist, digitale Kulturschätze über eine Website verfügbar zu machen, sondern sich das volle Potenzial digitaler Objekte erst in dem dem Zusammenspiel von freien Lizenzen, hoher Qualität und standardisierten, strukturierten Daten entfalten kann. Dieses Zusammenspiel verkörpern die Wikimedia-Projekte mit Wikidata, Wikimedia Commons und Wikipedia und lassen eine Utopie greifbar werden.
Daten, Informationen und Wissen über geeignete Informationsinfrastrukturen in standardisierten und offenen Formaten bereitzustellen, zu vernetzen und Aspekte von Citizen Science hierfür fruchtbar zu machen, statt an Insellösungen zu bauen, ist eine wesentliche Handlungskompetenz für die am Fachbereich Informationswissenschaften der FH in Potsdam unterrichteten Berufsgruppen (= Mitarbeitende in Archiven, Bibliotheken oder der freien (Daten-) Wirtschaft).
Wie kam es dazu und wie haben sie das Seminar vorab geplant?
Bevor ich an die Fachhochschule in Potsdam gewechselt bin, war ich bei der Deutschen Digitalen Bibliothek in der Geschäftsführung tätig, die zum Beispiel den Kulturhackathon Coding da Vinci mitveranstaltet. Dieser ist ein wunderbares Beispiel dafür, was mit freien Daten und Inhalten passieren kann. Das Projekt war für mich ein Augenöffner und zeigt jedes Jahr auf ein Neues, was für ein ungeheures Potenzial in offenen, vernetzten und strukturierten Daten liegt.
Ich bin schon länger am überlegen, wo das in die Curricula der Hochschulen eingebaut werden kann und in einem Gespräch mit Andrea Knabe-Schönemann (Wikidata community), Elly Köpf und Lucy Patterson (Wikimedia Deutschland) sind wir gemeinsam auf die Idee gekommen, in Kooperation mit einer Kuturerbeeinrichtung auch für Studierende die Potenziale strukturierter Daten und Wikidata greifbar zu machen. Dazu haben wir uns mehrfach bei Wikimedia getroffen und gebrainstormt, Lernziele definiert und außerdem eine Zotero Bibliothek mit freien Materialien zu Wikimedia, Wikidata und Wikimedia Commons für die Vertiefung aufgebaut.
Sie haben im Seminar mit einer Kulturinstitution zusammengearbeitet? Wie kam das und wie dürfen wir uns das vorstellen?
Wir haben mit dem Institut für Kunst- und Bildgeschichte der HU Berlin zusammengearbeitet (eigentlich – als Univeristätsinstitut – einer Wissenschaftseinrichtung, die aber eigene Foto- und Grafiksammlungen im Grimm-Zentrum besitzt). Georg Schelbert, der Leiter der Mediathek, arbeitet schon länger aktiv daran, Wikidata für die Erschließung und Vernetzung der digitalen Bestände fruchtbar zu machen. Werke der Kunstgeschichte lassen sich nämlich mit herkömmlichen Konzepten wie (Werk-) Normdaten nur unzureichend beschreiben und vernetzen. Wikidata hat viele Vorteile gegenüber den klassischen Konzepten: Es ist mehrsprachig, und durch die hergestellten Beziehungen und Einbeziehung einer unglaublichen Vielzahl von Identifiern und Normdaten, lässt sich das Weltwissen mit dem lokal vorhandenen Wissen in Beziehung setzen und vernetzen.
Die Zusammenarbeit mit dem Institut für Kunst- und Bildgeschichte war doppelt spannend. Zum einen, weil wir die grundständigen Inhalte wie Bildbearbeitung an Originaldateien üben konnten, zum anderen, weil die Kooperation unmittelbar greifbar gemacht hat, inwieweit die Wikimedia Projekte Commons, Wikipedia und vor allem Wikidata ineinandergreifen und auch für Wissenschafts- und Kulturerbeeinrichtungen praktisch relevant sind.
In Hands-on Übungen haben wir mit echten Kulturdaten gearbeitet und eine Sammlung der Historischen Glasdiasammlung des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte genutzt. Super war, dass Georg Schelbert im Projektverlauf für Rückfragen immer erreichbar war und durch die Zusammenarbeit mit Wikimedia Kolleg*innen auch immer ein direkter Kontakt zur Community für Rückfragen gegeben war.
Wie steht es um das Thema Digitalisierung in den Bibliotheks-, Archiv- und Datenwissenschaften? Was sind die Herausforderungen?
Digitalisierung ist ein weites Feld. Insgesamt sind die Einrichtungen sehr gut aufgestellt und begleiten die digitale Transformation aktiv. Dabei wird deutlich, dass die Anforderungen an Datenkompetenzen steigen und das muss natürlich auch in den Ausbildungseinrichtungen berücksichtigt werden.
Denken sie, dass sie bei den Studierenden das Interesse an der der Mitarbeit in Wikidata, Wikipedia und Wikimedia Commons wecken konnten? Wenn ja warum? Wenn nein, warum nicht?
Ich hoffe sehr, dass uns das gelungen ist, denn unser vernetztes Wissen ist nur so gut, wie wir es gestalten und daran mitarbeiten. Wenn die aktive Mitarbeit manchmal nicht so ausgeprägt ist, dann liegt das meines Erachtens weniger am Interesse, denn an Zeitmangel. In einer digitalen und vernetzten Welt steigen die Anforderungen an das vernetzte Arbeiten, dabei ist Zeit ein nicht dehnbares Kontinuum.
Welche Bedingungen in der Lehre müssten aus Ihrer Sicht erfüllt sein, um das Thema „Teaching the digital Commons” voranbringen zu können? Ist ein „Medienpraktikum“ angesichts der Herausforderungen aus Ihrer Sicht ausreichend?
Das Medienpraktikum hat uns die Möglichkeit gegeben, die Wikimedia Projekte einem ganzen Jahrgang Studierender vorzustellen und die praktischen Fertigkeiten für Digitalisierungsprojekte mit den Vermittlungsaspekten zu verknüpfen. Dabei hat sich aber auch gezeigt, dass in einer beschränkten Zeit nur Grundlagen erlernt werden können. Darauf aufbauend kann aber in Projekten weitergearbeitet werden. Für mich gehören die Wikimedia Projekte zur Vermittlung von Datenkompetenz und zum Aufzeigen der Potenziale von Linked Open Data dazu und könnten sicher noch mehr berücksichtigt werden.
Was nehmen sie aus diesem Piloten mit für Ihre weitere Arbeit?
Dass es neben den Wikimedia Projekten, also technologischen Lösungen für die kollaborative Vernetzung des Weltwissens, noch eine wunderbare Community gibt, die für Citizen Science Projekte und die gemeinsame Arbeit an der digitalen Wissensallmende, den Commons, brennt und jederzeit angesprochen werden kann und das die gemeinsame Arbeit immer wieder neue und unerwartete Perspektiven bietet, die es sich lohnt aufzunehmen!
Vielen Dank für das Interview!
Prof. Dr. Ellen Euler ist Professorin für Open Access / Open Data am Fachbereich Informationswissenschaften der FH Potsdam. Als promovierte Juristin mit Zusatzausbildung in Bereich Telekommunikations- und Medienrecht sowie einem LL.M. mit Schwerpunkt Informationsrecht hat sich Ellen Euler schon immer mit Informationen und Daten und dem rechtlichen Rahmen für den Umgang damit befasst. Als Creative Commons Projekt-Lead für Deutschland war sie an der Übersetzung der ersten Version der deutschen Creative Commons Lizenzen maßgeblich beteiligt und hat zuletzt an der Entwicklung der Digital Right Statements entscheidenden Anteil gehabt. Durch ihr Wirken beim Auf- und Ausbau der Deutschen Digitalen Bibliothek hat die Urheberrechtsexpertin bei der Sichtbarmachung deutschen Kulturguts und von Kulturdaten in der Europeana unter möglichst freien Lizenzen mitgewirkt. Heute gibt sie ihr Wissen an der FH Potsdam am Fachbereich Informationswissenschaften weiter. Sie ist Mitglied unter anderem auch im Beirat von InnoSci und des Digitalen Deutschen Frauenarchivs (ab September). Regelmäßig äußert sie sich in Radio und als Keynotespeakerin zu Themen wie #openGLAM #openGovernment #opendata #openaccess und #openscience. (Bild: Ellen Euler, CC0)
Das Projekt Women Edit ist gestartet, das Frauen dazu ermuntern will, sich aktiv an den Wikimedia-Projekten zu beteiligen. Dazu werden Veranstaltungen in ganz Deutschland gezielt zum Mitmachen motivieren, um beispielsweise Artikel fur die Wikipedia zu schreiben, Audio- und Videodateien auf Wikimedia Commons hochzuladen, Reiseinformationen auf Wikivoyage zu aktualisieren oder mit der Community zu diskutieren. Durch die direkte Ansprache von uber 20 aktiven Autorinnen konnte ein erster Baustein fur ein deutschlandweites Netzwerk gelegt werden. Daruber hinaus wurde das Projekt auf der Social Media Week, Deutschlands gro?ter freier Web-Konferenz, der Offentlichkeit prasentiert.
Kommentar von Наталья am 13. November 2020 um 02:42
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Kommentar von Наталья am 13. November 2020 um 02:42
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