Bundestagswahl 2025
Durch die Brille des Freien Wissens: Ein Blick auf die Wahlprogramme 2025
![Das Bild zeigt den Deutschen Bundestag, vor dessen Kuppel ein stilisierter Wikipedia-Ball zu sehen ist. Er ist durch eine Strichverbindung verankert in einem Farbspektrum, das die Farben der unterschiedlichen Parteien im deutschen Bundestag zeigt.](https://blog.wikimedia.de/wp-content/uploads/sites/9/Zeichenflaeche-11-1440x810.png)
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Franziska Kelch
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Friederike von Franqué
6. Februar 2025
Eine zentrale Forderung von Wikimedia Deutschland lautet: Was staatliche Stellen mit öffentlichen Geldern finanzieren, soll für die Öffentlichkeit frei zugänglich und nachnutzbar sein. Das gilt für Daten, Bildungsinhalte und öffentlich finanzierte Forschung. Aber auch für Kulturerbe in öffentlichen Museen, Archiven und Bibliotheken sowie Software, die in der Verwaltung zum Einsatz kommt. Daher sollten Verwaltungen freie Open-Source-Software beschaffen und nutzen. Denn einmal entwickelt, ist ihr Code offen zugänglich und sie kann aufgrund der Lizenzierung nachgenutzt und weiterentwickelt werden. Wir machen uns außerdem dafür stark, dass digitales Ehrenamt anerkannt und gefördert wird. Dafür, dass diese und andere Forderungen politisch Gehör finden, engagieren sich bei Wikimedia Deutschland das Team Politik und öffentlicher Sektor und das Team Bildungspolitik.
Welche Parteien wollen Software und Daten frei zugänglich machen?
Im Wahlprogramm der Partei Die Linke findet sich unsere Forderung „Öffentliches Geld – Öffentliches Gut!“ fast wortwörtlich – auch wenn die Partei sie nur auf einige Bereiche anwendet. Sie will mit öffentlichem Geld geförderte Forschung und Daten der öffentlichen Hand frei zur Verfügung stellen. Wenn es nach der Partei geht, würde es sogar ein Recht auf Open Data geben. Einen individuellen Rechtsanspruch darauf, dass die bei staatlichen Einrichtungen vorhandenen Daten so umfassend wie möglich verfügbar und nutzbar gemacht werden können. Sie will außerdem dafür sorgen, dass „Software, die öffentliche Verwaltungen einkaufen oder entwickeln lassen, nur noch in Ausnahmefällen“ nicht frei zugänglich sein darf. Ähnlich fordern es die Grünen, die ein Digitalministerium wollen, das dafür sorgt, dass der Staat „insbesondere Open-Source-Anwendungen“ fördert und einsetzt. Auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) will das Open-Source-Prinzip fördern. Die AfD erwähnt an einer Stelle des Wahlprogramms „Open-Source-Techniken“, es bleibt aber unklar, was damit gemeint ist oder erreicht werden soll.
Ein Bundestransparenzgesetz würde mehr Daten und Wissen freisetzen
Im Koalitionsvertrag hatten die Ampel-Parteien sich gemeinsam vorgenommen, ein Bundestransparenzgesetz zu verabschieden. Ein solches Gesetz verpflichtet Verwaltungen dazu, Daten, Studien oder Dokumente über ihr eigenes Handeln von sich aus digital und frei zugänglich zu machen. Wikimedia Deutschland setzt sich schon lange dafür ein, dass ein solches Gesetz kommt. Wikipedianer*innen könnten die Studien und Daten nutzen, um damit Wissen in der Wikipedia zu erweitern. Ein Transparenzgesetz macht zudem Verwaltungs- und Regierungshandeln nachvollziehbar und kann damit Vertrauen stärken. Es würde aber auch die Modernisierung der Verwaltung voranbringen, wie Studien zu Transparenzgesetzen in den Bundesländern zeigen.
Im Programm für die Wahl 2025 stellen die Bündnisgrünen sowie die Linken in Aussicht, den Rechtsanspruch der Bürger*innen auf Open Data in einem Transparenzgesetz festzuschreiben. Die Wahlprogramme der SPD, AfD, FDP, CDU/CSU oder des BSW erwähnen weder den Rechtsanspruch auf Open Data noch ein Transparenzgesetz.
![Befürworten ein Bundestransparenzgesetz: Misbah Khan (Bündnis90/Die Grünen und Mitglied im Digitalausschuss und im Ausschuss für Inneres und Heimat, 2.v.l.) und Konstantin von Notz (Bündnis90/Die Grünen, Mitglied im Ausschuss für Inneres und Heimat, 2.v.r.) bei einer der Übergaben der Petition an Politikschaffende. Foto: Mehr Demokratie e.V. CC BY-SA 2.0](https://blog.wikimedia.de/wp-content/uploads/sites/9/53780807602_8773db50b7_k1.jpg)
Öffentliche Forschung auch öffentlich zugänglich?
Wikimedia Deutschland hat mit dem Fellow-Programm Freies Wissen junge Forschende dabei unterstützt, Open Science – also frei und offen zugängliche Wissenschaft – zu praktizieren. Damit Forschungsergebnisse leichter aus den Hochschulen in die Gesellschaft ausstrahlen können. Wünschenswert wäre, dass alle Parteien klar machen: Öffentlich finanzierte Forschung muss frei zugänglich werden. Neben den Linken findet sich das Bekenntnis zu Open Access für Forschungsergebnisse noch beim BSW.
Die Grünen kündigen ein Forschungsdatengesetz an, das den „offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen fördern“ soll. Unklar bleibt dabei aber: Ist damit frei zugänglich sowie nachnutzbar für alle gemeint? Die FDP plant einen „vereinfachten Zugang zu Forschungsdaten über ein Forschungsdatengesetz“, spricht aber auch nicht explizit von freier Nachnutzung für alle.
Bei der AfD finden sich keine Aussagen zu Forschungsdaten, dafür die Einstufung von Klima- und Pandemieforschung als „zuweilen pseudowissenschaftliche Theorien“. Die SPD formuliert zwar diverse Pläne zur Forschungsförderung, offener Zugang zu Daten oder Forschungsergebnissen sind aber nicht im Programm. Die CDU/CSU spricht nur in einem speziellen Fall davon – beim Zugang von Forschenden für ein neu einzurichtendes Bildungsverlaufsregister. Das nützt jedoch Menschen nicht, die Erkenntnisse aus der Forschung, beispielsweise in der Wikipedia, frei teilen wollen.
Wie steht es um Politik für freie und digitale Bildung?
Wikimedia Deutschland arbeitet daran, dass digitale Bildung und Kompetenzen in der Schule gestärkt werden. Vor allem setzen wir uns dafür ein, dass Bildungsinhalte – egal ob für Schüler*innen oder Erwachsene – frei und digital zugänglich sind. Solche offenen Bildungsressourcen (Open Educational Resources oder OER ) kann jede*r nutzen, weitergeben und sogar anpassen. Sie tragen zu einem gerechten Zugang zu Bildung bei. Auch Schulen sollten freie Open-Source-Software nutzen, um bedarfsgerechte Anwendungen entwickeln zu können und nicht von teuren Monopolisten abhängig zu sein. Lehrkräfte brauchen zudem Fortbildungen zum Umgang mit digitalen Technologien – und ausreichend Zeit dafür.
Quelloffene, freie Software fordern sowohl das BSW als auch die Linke im Bildungsbereich. Als einzige Partei will jedoch die Linke zudem Open Educational Resources (OER) als bevorzugtes Lernmittel voranbringen. Sie will sich auch dafür einsetzen, dass Lehrkräfte verstärkt zu „KI, Datenschutz und digitaler Technik geschult werden“.
Dass weder SPD noch FDP oder Grüne OER in der Bildung stärken wollen, verwundert etwas. Denn 2022 hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung eine nationale OER-Strategie verabschiedet, die derzeit in der Umsetzung ist. Die Bündnisgrünen fordern, Open-Source-Anwendungen zu priorisieren, insbesondere wenn der Staat einkauft. Auch das BSW will im Bildungsbereich stärker auf Open-Source setzen.
Die FDP widmet Bildung das erste Kapitel des Wahlprogramms. Darin stehen aber wenig konkrete Ideen für digitale Bildung, bis auf das Übliche: Schulräume sollen technisch modernisiert werden. Immerhin wollen die Liberalen im Lehramsstudium digitale Kompetenzen ausbilden und auch in den Lehrplänen soll Medienkompetenz eine größere Rolle spielen. Offene digitale Bildungsressourcen sucht man jedoch vergeblich. Zurückhaltender sind CDU und CSU beim Thema Bildung und Digitales. Sie unterstützen den Digitalpakt Schule 2.0 und sehen damit die digitale Bildungsinfrastruktur sichergestellt. Etwas ambitionierter lesen sich die Absichten der SPD. Sie möchte den Digitalpakt Schule beibehalten und „weiterentwickeln” sowie Programme zur Medienbildung auflegen.
Die AfD will IT „vor allem für den Informatikunterricht, für die Berufsausbildung in technischen Fächern“ in Schulen sehen und die „ersten vier Schuljahre sollten vorwiegend digitalfreie Räume sein.“ Die Förderung digitaler Bildung oder Fortbildungen von Lehrkräften im Umgang mit digitalen Technologien sind im AfD-Wahlprogramm nicht vorgesehen.
Wer stärkt digitales Ehrenamt?
Deutschland ist ein Land der Vereine und damit des zivilgesellschaftlichen Engagements: für Demokratie, Sport, Kultur oder Kaninchen. Dass Menschen auch im digitalen Raum und mit digitalen Mitteln ehrenamtlich tätig sind, wissen nur wenige. Die vielen Projekte von Code for Germany bieten zahlreiche Beispiele für gemeinnütziges digitales Engagement. Am bekanntesten ist vermutlich das ehrenamtliche Engagement der Wikipedianer*innen für freies Wissen. Die vielfältige digitale Freiwilligenarbeit zum Wohle der Allgemeinheit verdient Anerkennung. Wikimedia Deutschland fordert dahe eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts, indem die ehrenamtliche Entwicklung von Software, gemeinwohlorientierter Plattformen oder Apps in der Abgabenordnung als gemeinnütziger Zweck anerkannt wird. Ein freiwilliges digitales Jahr kann dazu beitragen, dass junge Menschen ihre digitalen Kompetenzen gemeinwohlorientiert einsetzen.
In den Wahlprogrammen ist kein erkennbarer Fokus auf digitales Ehrenamt sichtbar. Mit einer Außnahme. Die Grünen haben eine unserer Forderungen in ihr Programm übernommen und kündigen an: „Wir wollen Digitales Ehrenamt und Entwicklung, Betrieb und Pflege von nicht gewinnorientierter Open-Source-Software als gemeinnützig anerkennen und institutionell unterstützen.“
Die SPD greift unsere Forderung zwar nicht auf, will aber immerhin das Gemeinnützigkeitsrecht modernisieren. Wie das aussehen soll, lässt sie offen.
Digital kompetente Verwaltung als Voraussetzung für Offenheit
Ohne entsprechende digitale Kompetenzen in Ministerien und Verwaltungen ist der Aufbau einer offenen und funktionierenden digitalen Infrastruktur nicht möglich. Damit fehlt auch der Politik der offenen Daten und Software die personelle Grundlage. Eine Forderung von Wikimedia Deutschland an die Digitalpolitik lautet daher: Für eine schnelle und unabhängige Digitalisierung muss die Verwaltung interne IT-Expertise aufbauen. Unsere Forderung, bei der Besetzung strategischer Stellen eine unabhängige Verwaltung anzustreben und daher an den Kompetenzaufbau in der Verwaltung zu denken, findet sich leider nirgends so recht wieder.
Die CDU/CSU schlägt zwar eine relativ klare Struktur vor. Die „technischen und digitalen“ Standards sollen auf Bundesebene gesetzt werden, wobei Input aus den Kommunen erwünscht ist – vor allem deren praktische Erfahrungen. Kompetenzaufbau taucht jedoch eher im Zusammenhang mit Sicherheitsbehörden auf, sowie im Zusammenhang mit einem gestärkten Technologiestandort. Die besonderen Fähigkeiten und Kompetenzen in der Verwaltung auch digital vor allem für die Verwaltung selbst nutzbar zu machen, scheint mit dem Einsatz von KI erledigt zu sein.
Die Grünen skizzieren zwar recht ausführlich, was Staat und Verwaltung digital leisten sollen und bringen eine auf Basis von Open-Source-Software entwickelte Deutschland App ins Spiel. Immerhin – aber so knapp, dass es kaum auffällt – findet sich dann die Ankündigung: „Digitale Kompetenzen sollen zu einem selbstverständlichen Teil der Verwaltungsaus- und fortbildung werden.“
Die AfD sieht den Staat vor allem als potenzielle „Datensammelkrake“ und spricht von einem „Recht der Bürger auf ein analoges Leben außerhalb der digitalisierten Verwaltungs- und Alltagsabläufe.“
Unser Fazit
Den Einsatz von freier und offener Software, freien Zugang zu Daten und Forschung oder die Förderung freier und digitaler Bildung haben nur wenige Parteien explizit im Programm. Das digitale Ehrenamt scheint nur eine Partei auf dem Schirm zu haben – obwohl es in der Engagementstategie der Bundesregierung in diesem Jahr erstmals offiziell anerkannt wurde. Im Vergleich zu 2021 sind die Wahlprogramme der Parteien in digitalpolitischer Hinsicht eher dünn. Es ist weniger von zukunftsorientierter Planung und Vorausschau zu lesen. Angesichts der mageren Ergebnisse der letzten Regierung mag diese schüchterne Vorgehensweise ein Lernerfolg sein. Immerhin bieten Leerstellen auch Raum für Gestaltung. Andererseits bleiben die fehlenden Selbstverpflichtungen ein Manko, mit dem die künftigen DigitalpolitikerInnen umgehen müssen. Der Einsatz für Freies Wissen steht allen demokratischen Parteien gut zu Gesicht. Wir werden den Einsatz dafür weiter unterstützen.