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WikiWomenCamp 2023

Gemeinsam gegen den Gender-Gap 

Der Gender-Gap ist in der digitalen Welt allgegenwärtig. Auch in der Wikipedia und anderen Wikimedia-Projekten sind die Perspektiven von Frauen und non-binären Menschen immer noch unterrepräsentiert. Beim diesjährigen WikiWomenCamp in Neu-Delhi traf sich die internationale weibliche Wikimedia-Community, um Pläne gegen den Gender-Gap zu schmieden. Mit dabei war auch die langjährige Wikimedianerin Kritzolina aus Deutschland. Sie sagt: „Dass wir uns besser aufstellen und organisieren, ist notwendig, um einen echten Wandel herbeizuführen.“

Zarah Ziadi

17. November 2023

Das WikiWomenCamp fand Mitte Oktober das 3. Mal seit 2012 statt und damit, laut Kritzolina, viel zu selten. 2015 wurde von Sue Gardner, der ehemaligen Geschäftsführerin der Wikimedia Foundation, der Mutterorganisation aller Wikimedia Standorte, die Bekämpfung des Gender-Gaps zum Schwerpunktbereich erklärt. 2023 stellt die weibliche Community fest, dass sich nicht viel geändert hat. Woran das liegt und wie es sich beeinflussen lässt, wurde nun auf dem Camp in Neu-Delhi unter die Lupe genommen. Mehr als 90 Teilnehmerinnen aus der ganzen Welt haben sich daran beteiligt. Kritzolina (Wikipedia-Username) hat uns erzählt, wie sie dabei vorgegangen sind und welche Resultate sie erreicht haben.

Kritzolina im Gespräch mit einer anderen Teilnehmerin
Kritzolina im Gespräch mit einer anderen Teilnehmerin auf dem WikiWomenCamp 2023

Aus aller Welt für die Gender-Gleichstellung

Nach ihrem fast achtstündigen Flug aus Deutschland wurde Kritzolina am Indira Gandhi Flughafen sogleich herzlich empfangen. Eesha wies ihr den Weg und sorgte für ein Taxi, das sie schnell und sicher zum Hotel brachte. Aber Eesha nahm nicht nur Kritzolina in Empfang – sie kümmerte sich auch um alle anderen Teilnehmerinnen des WikiWomenCamps. Eesha ist übrigens kein ganz echter Mensch – sie ist das digitale Maskottchen der diesjährigen Veranstaltung und sorgte sich um die Belange ihrer Gäste, indem sie sich mit ihnen über Telegram austauschte. Bedient wurde Eeshas Account von einem 19-jährigen Studenten, der bei der Veranstaltung aushalf.

Das Besondere am WikiWomenCamp ist, dass es sich um ein internationales Event handelt und dadurch eine ganz andere Tragweite entfaltet, als wenn dies nur auf nationaler Ebene geschieht. Und tatsächlich reisten Wikimedianerinnen aus der ganzen Welt an: mit leichtem Schwerpunkt aus den Regionen in und um Indien, waren Community-Mitglieder aus allen Kontinenten vertreten. Sie alle fanden sich für das Camp in einem Hotel zusammen, das etwas abseits des bunten Treibens Neu-Delhis liegt. Hier fand alles kompakt in zwei Veranstaltungsräumen statt, die jeweils einen eigenen thematischen Schwerpunkt hatten: Raum eins wurde an den drei Tagen zum Capacity Track und Raum zwei bildete den sogenannten Strategy Track. Die Teilnehmerinnen wurden den Räumen und entsprechenden Themen zugewiesen. Für Kritzolina sollte es die drei Tage vor allem um Capacity Themen gehen.

Maskottchen des WikiWomen Camps 2023: Eesha
Maskottchen des WikiWomen Camps 2023: Eesha

Ein unschlagbares Team: Strategy und Capacity

Im Strategy Track konzentrierten sich die Teilnehmerinnen auf die langfristige Ausrichtung der WikiWomen-Bewegung. Sie entwickelten Ideen und Pläne, um den Gender-Gap in seinen verschiedenen Dimensionen nachhaltig zu überwinden. Sie diskutierten Möglichkeiten, um Frauen in der Wikimedia-Community zu fördern, sowie Strategien, um mehr Editorinnen zu gewinnen und inhaltliche Lücken zu schließen. Im Capacity Track konzentrierten sich die Teilnehmerinnen hingegen auf die Stärkung ihrer Fähigkeiten, um ihre Präsenz und ihren Einfluss in der Wikimedia-Community zu erhöhen. In verschiedenen Workshops bauten sie zudem ihre technischen Fähigkeiten für die Wikimedia-Projekte, wie etwa Wikipedia oder dem Wissensgraphen Wikidata, aus.

Auch gab es themenübergreifende Veranstaltungen für alle Anwesenden, wie zum Beispiel ein Gender-Sensitivity-Workshop von der Wikimedia Foundation, den die Gender-Spezialistin Tila Cappelletto und Masana Mulaudzi, Managerin für Kampagnenorganisation, durchführten. Gender Sensitivity ist der Prozess, durch den Menschen bewusst gemacht wird, welche Rolle das Geschlecht im Leben und im Umgang mit anderen spielt.

In einem anderen Workshop drehte sich alles um das Thema Inklusion: Teil davon war eine Übung, bei der sich die Teilnehmerinnen Strategien überlegten, um einer Frau aus einem stark traditionell geprägten kulturellen Kontext die Teilnahme an einer Veranstaltung wie dem WikiWomenCamp zu ermöglichen, obwohl ihre Eltern Einwände haben. „Das war wirklich eine Herausforderung“, lässt Kritzolina das Ereignis noch einmal Revue passieren.

Das Hauptgesprächsthema auf dem Camp blieb aber die Frage danach, wie man den Gender-Gap nachhaltig überwinden kann. Teilnehmerinnen aus verschiedenen Ländern brachten hier ganz unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen ein. Es wurde deutlich, dass die Gründe für die Unterrepräsentation von Frauen in der Wikimedia-Community vielfältig sind. Von kulturellen Barrieren bis hin zu fehlenden Ressourcen, mangelnder Unterstützung und Sichtbarkeit – die Diskussionen zeigten, dass es keine einfachen Lösungen gibt.

Strategy Track auf dem WikiWomenCamp 2023
Strategy Track auf dem WikiWomenCamp 2023

Ambitionierte Pläne für eine gendergerechte Wikimedia-Zukunft

Am Ende der Konferenz liegen konkrete Konzepte vor. Diese fordern ein stärkeres Unterstützungsnetzwerk und ein regelmäßig stattfindendes WikiWomenCamp. Es soll mehr Trainings zur Gender-Sensitivität geben und auf der jährlich stattfindenden Wikimania, der Konferenz der gesamten globalen Community, sollen jedes Mal  WikiWomenSummits stattfinden. In fünf Jahren sollen zudem klare, nachhaltige Strukturen geschaffen worden sein und 25 % der Administrator*innen sollen weiblich oder non-binär sein. Insgesamt sollen Frauen und non-binäre Personen in allen Rollen in den Wikimedia-Projekten vertreten sein – von regelmäßigen Editor*innen bis zu Stewards, Administrator*innen mit internationalem Verantwortungsbereich. Aber auch in der Mittelverteilung und Mitbestimmung soll sich die neue Verteilung abbilden.

„Ich glaube, wir sind wichtige Schritte in diesem Camp gegangen“, fasst Kritzolina ihre Eindrücke zusammen. „Was mich aber am meisten bewegt hat, ist, dass es Frauen unter größten Widrigkeiten gelingt, dieser Veranstaltung beizuwohnen: Die Eltern erlauben es nicht, sie haben kein Geld und dennoch haben sie es geschafft, hier zu sein.“ Weiterhin betont sie, dass Veranstaltungen wie das WikiWomenCamp ein wichtiger Baustein sind, um Frauen auch über die Wikimedia-Projekte hinweg zu stärken, weil sie beispielsweise mehr Selbstvertrauen in ihre technischen Fähigkeiten entwickeln und sich das auch auf ihre Berufskarriere auswirken kann.

Gruppenbild WikiWomenCamp 2023
Gruppenbild WikiWomenCamp 2023

WikiWomenCamp: Ein Meilenstein der Gleichstellung – auch über Wikimedia-Projekte hinaus

Das WikiWomenCamp 2023 in Neu-Delhi war ein bedeutsames Ereignis, das die Stärke und das Engagement der weiblichen Wikimedia-Community bewiesen hat. Eesha mag zwar das digitale Maskottchen des Events gewesen sein, aber sie steht sinnbildlich für die Unterstützung und Solidarität, die die Teilnehmerinnen in Neu-Delhi erlebt haben und zukünftig in der Community erleben sollen. Die gemeinsame Arbeit und der Wissensaustausch ermutigen die Frauen weiterhin dazu beizutragen, den Gender-Gap in der Community zu schließen und über Wikimedia-Projekte hinaus zu einer ausgewogenen Repräsentation von Frauen und non-binären Menschen in der digitalen Welt beizutragen.

Wer das Thema weiter vertiefen und sich zunächst in Deutschland für die Gendergerechtigkeit einsetzen möchte, kann einen Blick auf die bereits bestehenden Wikimedia-Initiativen FemNetz und WomenEdit werfen. Auf internationaler Ebene ist das Projekt Women in Red ein interessanter Anlaufpunkt. Wer direkt mit der weiblichen Wikimedia-Community in Kontakt treten will, schreibt am besten eine E-Mail an admin@wikiwomencamp.org. Ihr seid herzlich willkommen!

Kommentare

  1. Marcus Cyron
    23. November 2023 um 18:14 Uhr

    “25 % der Administrator*innen sollen weiblich oder non-binär sein”

    Wie wäre es denn, wenn zu aller erst einmal 25 % der Beitragenden weiblich/nonbinär wären? Ich höre seit 15 Jahren, dass Frauen unterrepräsentiert sind und immer wieder Ausreden für das geringe Engagement. Leider ändert sich das aber auch nicht. Aber Forderungen werden immer wieder aufgestellt. Vielleicht bedingt das eine ja das andere?! Vielleicht vor der Forderung auch mal die Tat? Immer nur mehr wollen aber nicht mehr geben kann es ja nicht sein. Trotz der geringen Beteiligung von Frauen haben die mittlerweile schon an so vielen Stellen vermeintliche Gleichheit bekommen, etwa bei der Teilnahme an Veranstaltungen wie der Wikimania – ohne aber bei der potentiellen Hälfte der Teilnehmenden die Hälfte der Beitragenden zu repräsentieren. Auf mich macht das immer mehr den Eindruck, man möchte die Teilnehme weiterer Frauen mit möglichst vielen Privilegien erkaufen anstatt diese wie üblich in den Wikimediaprojekten erarbeiten zu lassen. Projekte wie Wikipedia können aber nicht via Ideologie funktionieren. Denn Ideologie schreibt keine Artikel und korrigiert auch keine.

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