Lilli Iliev
15. September 2018
Es gibt jedoch eine problematische Fixierung innerhalb datenpolitischer Debatten: Sie drehen sich meist um die Frage, wer wie mit Daten Geld verdienen darf. Unvermeidlich ist dabei seit Jahren die Metapher von Daten als Rohstoff der Zukunft. Die Konzentration auf wirtschaftliche Aspekte von Datenpolitik bewirkt eine Verengung der Thematik, die wichtige Fragen für das freie Wissen schlicht ausblendet: Wann sind Daten Gemeingut? Wem sollen öffentliche Daten und ihre Verarbeitung eigentlich zu Gute kommen? Wem “gehören” sie? Wie können Schutz und Bewahrung von Daten sichergestellt werden?
Das Bild von Daten als dem Öl des 21. Jahrhunderts (das auch Wikimedia Deutschland mit der Datentankstelle teils bedient hat) ist über die Jahre in eine arge Schieflage geraten. Gleichwohl wird es von Politikerinnen und Politikern weiterhin bemüht, wodurch eine einseitige Bildsprache und eine problematische Grundlage für datenpolitische Entscheidungen verfestigt wird.
Wikimedia Deutschland setzt sich für vernünftige Nutzbarkeit von Daten als Grundlage Freien Wissens ein
Je häufiger Metaphern in der politischen Kommunikation genutzt werden, umso wirkmächtiger werden sie. Wer von Daten als dem neuen Öl spricht, liefert einen ganzes Bilderspektrum mit: Preis- und Verteilungskämpfe, Goldgräberstimmung, Monopolbildung und ein unvermeidlicher Machtkampf um Ressourcen, geführt von Staaten und mächtigen Unternehmen. Daten werden medial meist als potenzielle Ware dargestellt, von der einerseits jegliche wirtschaftliche Innovation und Zukunft abhängen soll, gegen deren Extraktion aber zugleich überall die Privatsphäre der Menschen verteidigt werden muss.
Das Bild von Daten als “neuem Öl” befeuert diese viel zu simple Dichotomie. Es verspricht unermesslichen Reichtum für diejenigen, die erfolgreich in die Datenwirtschaft einsteigen, und Datendiktatur für den Rest der Menschheit. Gerade bei Debatten rund um Datenpolitik und -ökonomie ist die dazugehörige Bildsprache also essentiell, um Tragweite und Bedeutung datenpolitischer Entscheidungen zu verstehen und sie aktiv zu gestalten.
Wir meinen, das Bild von Daten als Öl braucht dringend ein Update. In der Datenpolitik muss es viel mehr um Gemeinwohl gehen. Dafür schlagen wir eine neue Daten-Metapher vor: Daten sind das neue Grundwasser!
Daten über die Welt sollten der Allgemeinheit grundsätzlich frei zur Verfügung stehen, wie Grundwasser sollten sie allen Menschen nützen. Daten entstehen jederzeit neu, wandeln sich, ohne sich zu verbrauchen und dürfen nur unter bestimmten Bedingungen zur Ware werden. Für die Informationsgesellschaft sind Daten daher viel eher wie Grundwasser. Genau wie eine Welt ohne Wasser nicht denkbar ist, bilden Daten die Grundlage für Freies Wissen wie z. B. in der Wikipedia.
Moderne Datenpolitik braucht passende Bilder: Die Daten-Grundwasserpumpe
Um den Zugang zu Freiem Wissen erlebbar zu machen, hat Wikimedia Deutschland 2014 die Datentankstelle gebaut, an der freie Daten “getankt” werden konnten. Diese erfreut sich seitdem großer Beliebtheit als Ausstellungsstück bei Konferenzen wie der re:publica oder Zugang gestalten.
Daher möchten wir ein neues Bild für Daten und Informationen setzen – Daten als Grundwasser – und dafür wieder ein physisches Objekt als Mittler unserer Botschaft realisieren: die Datenpumpe. Als international und intuitiv verständliches Objekt, das Grundwasser für alle verfügbar machen kann, bietet sich dafür eine Schwengelpumpe an. Eine solche Pumpe dient in vielen Ländern noch immer der Wasserversorgung und ist in regionaler Nähe noch häufig am Wegesrand zu finden.
Ertüftelt, gebaut und programmiert wurde die Datenpumpe im Auftrag durch die Berliner Medienkünstler und Netzbastler Georg Werner, Moritz Metz und Kaspar Metz. Unsere Daten-Grundwasserpumpe zeigt bei jedem Pumpvorgang zufällig ausgewählte Daten der freien Wissensdatenbank Wikidata. Das macht erlebbar: Daten über unsere Welt (wie Wetter- oder Verkehrsdaten) sollten politisch nicht allein als Ware behandelt werden, sondern als Gemeingut allen Menschen frei zur Verfügung stehen.
Die umgebaute Garten-Wasserpumpe steht auf einem manövrierbaren und feststellbaren Podest. Davor steht ein Eimer, auf dem per LED ein Wasserstand angezeigt wird. Ein in den Eimer eingelassener Bildschirm zeigt Ergebnisse von Datenabfragen an. Wer die Pumpe betätigt, hört ein typisches Wasserpump-Geräusch, kombiniert mit dem Modem-Einwähl-Sound, den viele von uns noch in Erinnerung haben. Mit jedem Pumpstoß füllt sich ein Wassereimer mit Daten aus der freien Datenbank Wikidata.
Wasser und Daten: Alles fließt….
Der Vergleich von Daten und Öl ist hilfreich, um sich die Auswirkungen von Ölpreisen und der Verfügbarkeit von Öl auf die Umwelt sowie weltwirtschaftliche und soziale Ungleichheit zu vergegenwärtigen. Das Bild einer ähnlichen Entwicklung mit Daten an der Stelle von Öl kann als Mahnung fungieren, mit Daten anders umzugehen, Monopole zu vermeiden und allen einen möglichst gleichberechtigten Zugang zu Daten zu ermöglichen.
Die Metapher von Daten als Öl ist jedoch auch in mehrerer Hinsicht problematisch. Zunächst impliziert das Bild von Daten als Öl die Vorstellung eines Rohstoffes als Vorprodukt, das raffiniert werden muss und durch starke Nutzung knapp werden – oder künstlich verknappt werden kann. Während Öl jedoch nur einmal verbrannt werden kann, sind Daten unendlich wiederverwendbar bzw. nachnutzbar.
Während der Zugang zu Rohöl und die Aufstellung der verarbeitenden Industrie von politischen und wirtschaftlichen Interessen gelenkt wird, soll der freie Zugang zu (öffentlichen, nicht-personenbezogenen) Daten eine Selbstverständlichkeit sein, die dem Gemeinwohl dient und dem Individuum die Freiheit lässt, Informationen und Wissen daraus abzuleiten.
Wir möchten, entsprechend der Prämisse von Bildung als Menschenrecht, das Bild von (öffentlichen) Daten als Grundwasser setzen, das zu frei verfügbaren Informationen verarbeitet werden kann. Damit kontern wir die gegenwärtige Daten-Goldgräber-Mentalität und verschieben das entsprechende Framing Richtung Gemeinwohlorientierung. Daten als Grundwasser symbolisieren eine für die Informationsgesellschaft lebensnotwendige und schutzbedürftige Ressource, deren größtmögliche “Reinheit” anzustrebendes Ziel sein soll. Wie Grundwasser sollten Daten jedoch nicht allein dem Profit großer Unternehmen dienen, worauf wir mit dem neuen Framing aufmerksam machen möchten.
Lust, sie selbst auszuprobieren? Die Daten-Pumpe stellen wir öffentlich am 21. September 2018 auf der Konferenz “Das ist Netzpolitik!” vor.
Die Datenpumpe in der Presse: https://www.sueddeutsche.de/news/service/internet-wikimedia-daten-sind-das-neue-grundwasser-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-180914-99-960203
Die Idee ist hilfreich. Allerdings ist Grundwasser eine schwierige Metapher, wie ein Vorredner ausführt. Also weiter denken – eine Antwort habe ich ad hoc nicht.
Ich finde es gut und wichtig, sich Gedanken um gute, bildhafte Vergleiche zu machen, die die Bedeutung eines Begriffs gut transportieren können.
Mein Bauchgefühl bei dem Vergleich „Grundwasser“ war etwas sperrig, erst mit der Erklärung erschloss sich die Idee für mich vollständig.
Insofern kann ich der Idee von Detlev Struck mit dem Vergleich „Wasser“ viel abgewinnen.
Aber nochmal: sich grundsätzlich für den freien Zugang zu Daten (und letztlich für den Gemeinwohl-Nutzen aus der Analyse der Daten) einzusetzen, finde ich super!
Das ist auf jeden Fall ein unterstützenswerter Anstoß, dem Vergleich der Daten mit dem ‚schwarzen Gold‘ etwas entgegenzusetzen.
Mir scheint, dass das Wort Grundwasser hier aber weniger die gewünschten Assoziationen herbeiführen wird und eher Fragezeichen in den Köpfen produziert.
Wenn, dann sollte man sich vielleicht nur auf das Wort Wasser beschränken.
Wer kein Wasser hat, muss verdursten, könnte einem da schon eher gleich durch den Kopf gehen. Die Visualisierung mit der Wasserpumpe würde immer noch passen.
Wasser gilt auch als Lebenselixier, was mich auf den Gedanken bringt, dann gleich noch weiter zu gehen und zu sagen
‚Daten sind das neue Leben’.
Das würde dann aber nicht mehr allein nur noch auf den Datenzugang beschränkt sein, sondern auch mehr ansprechen, welche gesamtgesellschaftliche Bedeutung diese Daten im Zugang und in der Verwendung für den Einzelnen oder Gruppen haben.
Leben ist aber auch fast überall in der Welt etwas in hohem Maße zu schützendes.
Sie irren! Grundwasser war einmal, ist aber – zumindest in Deutschland – kein freies Gut mehr und weltweit das am meisten umkämpfte Gut – mehr umkämpft als Öl.
Worum geht es? Um den Unterschied zwischen individuellen und allgemeinen Daten, also Daten, die einzelnen gehören und solche, die allgemein genutzt werden können. Die Zuordnung der Daten ergibt sich aus dem Persönlichkeits- und dem Urheberrecht.
Daten-Grundwasserpumpe, was soll das sein? Das versteht sich nicht aus sich selbst. Und was lange erklärt werden muss, ist kein begriffliches Kampfmittel. Außerdem ist es ein schreckliches Wort. Ich denke Ihre Nutzer haben für sich selbst einen gewissen intellektuellen Anspruch. Halten Sie sich in Ihrem völlig berechtigten Anliegen für die Entwicklung eines werbewirksamen Konzepts an den Grundsatz des alten Cato: rem tene, verba sequentur.
Eine sehr gute Idee! Die Grundwassermetapher bringt die Brisanz des Themas auf den Punkt.
Juute Idee!
[…] in der politischen Kommunikation mehr Raum für Gemeinwohl ermöglichen. Mehr dazu gibt’s im Blogbeitrag, siehe auch Beitrag „Wikimedia: Daten sind das neue Grundwasser“ auf sueddeutsche […]
schöner Artikel und gute Idee.