Nachdem letztes Jahr der Kultur-Hackathon in der Region Berlin-Brandenburg stattfand, ging es 2018 mit Coding da Vinci Ost zur Preisverleihung an die Universitätsbibliothek Leipzig. Zu den Gewinnern zählen eine App zum Erkennen von Vogelstimmen, Mini-Games mit Fallobst und eine Webanwendung für historische Radrundfahrten.
Der Kulturhackathon vernetzt die Kultur- und Technikwelt miteinander und zeigt Möglichkeiten, die in offenen Kulturdaten stecken, wenn Kulturinstitutionen ihre Sammlungsobjekte auf neue Weise nutzen und so Wissen vermitteln. Die Datengeber bei Coding da Vinci stellen diese dauerhaft unter einer offenen Lizenz zur uneingeschränkten Nutzung zur Verfügung.
Geborgene Schätze
Coding da Vinci Ost hat sehr viele außergewöhnliche und innovative Ergebnisse hervorgebracht. Dieses Mal lag der Schwerpunkt auf Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen und 31 Kulturinstitutionen, größtenteils aus der Region, haben ihre Schätze (digitalisierte Gemälde, Handschriften, Drucke, Töne oder Metadaten) zur Verfügung gestellt, 140 Teilnehmende haben sie geborgen und in Teams daraus sehr fantasievoll etwas Neues erschaffen.
Zur Preisverleihung stellten sich 14 Projekte vor. Die hochkarätige Jury setzte sich aus Skadi Jennicke (Bürgermeisterin für Kultur der Stadt Leipzig), Sören Auer (Direktor der Technischen Informationsbibliothek Hannover), Prof. Dr. Ulrich Johannes Schneider (Direktor der Universitätsbibliothek Leipzig) und aus dem Gründungsteam von Coding da Vinci Helene Hahn und Stephan Bartholmei (Deutsche Digitale Bibliothek) zusammen. Sie beurteilten die Umsetzung der Ideen und zeichnete Gewinner in fünf verschiedenen Kategorien aus.
Der sechste Preis, Everybody‘s Darling, wurde vom Publikum verliehen.
„Wir freuen uns über die Vielfältigkeit und vor allem Qualität der entstandenen Projekte, was sich bei der Jury-Entscheidung in einer sehr konstruktiven Diskussion gespiegelt hat“, sagte Prof. Dr. Ulrich Johannes Schneider.
Vögel und Schnecken, Äpfel und Birnen, Fahrradtouren und Geschichten aus der Lausitz
Die Gewinner der sechs Kategorien:
Most Technical – Die technisch anspruchsvollste App: JibJib
JibJib ist eine mobile App, die Nutzern auf anschauliche und spielerische Art und Weise den Zugang zur Vogelkunde ermöglichen und ein Identifizieren der Arten erleichtern soll. Der Trainingsdatensatz besteht aus mehr als 80.000 Audioaufnahmen von etwa 200 Vögeln, aufgenommen in Deutschland, bereitgestellt vom Tierstimmenarchiv des Museums für Naturkunde Berlin und ergänzt mit Audiodateien des Vogelstimmen-Archivs auf xeno-canto.org.
Most Useful – Die nützlichste App: Nachgeradelt.de
Nachgeradelt.de ist der Prototyp einer Webanwendung, mit der Touren historischer digitalisierter Tourenbücher von Radsportbegeisterten ausprobiert werden können. Das Projektteam sammelte alle Rundfahrten in der Gegend um Leipzig zwischen 1880 und 1930, um ausgewählte Strecken testweise nachzuradeln. Für die Anwendung wurden die Stationen entlang des Weges mit Details und Zusatzinformationen anderer Kulturdaten angereichert. Datengrundlage bildeten Das Fahrrad (Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden), Wikipedia, Wikisource, Wikidata sowie sächsische Adressbücher, Karten und Ansichten (Digitale Sammlungen der SLUB Dresden).
Best Design – Die beste Visualisierung: SnailSnap
Die Sammlung des Museums für Naturkunde Berlin umfasst tausende Schneckengehäuse unterschiedlicher Form und Farbe. Für Coding da Vinci Ost wurden über 6.000 Bilder zur Verfügung gestellt, die verschiedene Ansichten der Schneckengehäuse zeigen. „SnailSnap“ macht einen selbst zur Schnecke – oder: zu einem Haufen Schnecken. Ein Portraitfoto wird zuerst einer automatisierten Personenerkennung unterzogen, um den Hintergrund auszublenden und den Fokus komplett auf das Motiv zu legen. Dann wird aus dem Bild ein Mosaik aus Schneckengehäusen erzeugt – ein Schneckenselfie sozusagen.
Funniest Hack – Die amüsanteste Idee: Äpfel und Birnen
In dem Online-Spiel Äpfel und Birnen tauchen die Spieler in das Thema Obst ein. Sie müssen Aufgaben lösen, zum Beispiel Birnen in einem Haufen Äpfel finden, und erhalten dabei Informationen über die physischen, geschichtlichen und optischen Eigenschaften der Obstsorten – präsentiert mit modernsten audiovisuellen Kulturtechniken. Grundlage bildeten Daten aus drei Bundesländern: Thüringen lieferte Modellfrüchte aus Wachs und Modelle antiker Bauwerke aus Kork (Stiftung Schloss Friedenstein, Gotha), Sachsen schickte Buchhändlerportraits (Deutsches Buch- und Schriftmuseum, Leipzig) und aus Sachsen-Anhalt kam ein Herbarium (Gleimhaus – Museum der deutschen Aufklärung, Halberstadt). „Hervorragend sinnlos“, sagte die Jury.
out of competition – Mit besonderer Bedeutung für den Kulturbereich: Die virtuelle Mittagsfrau
Eine Flachsmaschine mit historischen Fotografien des Sorbischen Instituts dient als Inspiration für Geschichten, Texte und Gedanken. Hier wird sorbische Kulturgeschichte spielerisch lebendig. Das Portal spinnt Geschichten (inspiriert durch Fotos der Flachsherstellung) auf Deutsch, Nieder- oder Obersorbisch. Diese werden dann in die jeweils anderen Sprachen übersetzt und ein multilinguales Geschichtenportal entsteht. Das hilft Kindern beim Erlernen der Sprache, animiert Jugendliche zum Schreiben und ist für alle Interessierten eine gute Adresse, um sich über einen wesentlichen Bestandteil der sorbischen Kulturgeschichte zu informieren.
everybody’s darling – Der Publikumspreis: JibJib
Auch in dieser Kategorie gewann die App JibJib, denn sie ist nicht nur technisch sehr anspruchsvoll, sondern „bietet [auch] einen spielerischen Einstieg in die Vogelkunde und wird wie zahlreiche andere Projekte sicherlich über Coding da Vinci hinaus Nachhaltigkeit beweisen“, so Prof. Dr. Ulrich Johannes Schneider.
Coding da Vinci – Der Kultur-Hackathon ist ein Gemeinschaftsprojekt der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB), der Open Knowledge Foundation Germany e.V. (OKF DE), der Servicestelle Digitalisierung Berlin (digiS) und Wikimedia Deutschland e. V. (WMDE) und ein offizieller Beitrag zum Europäischen Kulturerbejahr 2018 in Deutschland (SHARING HERITAGE des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz). Coding da Vinci Ost wird gemeinschaftlich von der Universitätsbibliothek Leipzig (UBL), dem Institut für Digitale Technologien (IfDT) und dem OK Lab Leipzig veranstaltet.