Bundesgerichtshof
Keine Panoramafreiheit für Luftaufnahmen – was das für Wikimedia-Projekte heißt
Franziska Kelch
Stefan Kaufmann
Dr. Saskia Ostendorff
1. November 2024
Die Schrankenbestimmung der sogenannten Panoramafreiheit im deutschen Urheberrecht erlaubt es uns allen, von öffentlichem Grund aus Fotos von urheberrechtlich geschützten Werken zu machen und sie zu verbreiten. Die Voraussetzung: Die Werke müssen bleibend im öffentlichen Raum zu sehen sein. Ein Werk muss nicht dauerhaft am selben Ort sein. Aber es muss dauerhaft in der Öffentlichkeit bleiben.
Panoramafreiheit für einen reisenden Kussmund
Dass Panoramafreiheit auch für Werke gilt, die sich im öffentlichen Raum bewegen, zeigt die sogenannte AIDA-Kussmund-Entscheidung. Geklagt hatte die Firma AIDA Cruises. Sie hatte von einem Künstler ein Kussmund-Bild anfertigen lassen und auf seinen Kreuzfahrtschiffen angebracht. Die Rechte an diesem Kunstwerk liegen beim Kreuzfahrtunternehmen.
Ein Kussmund-Schiff war auf einem Foto zu sehen, das ein Veranstalter von Landausflügen in Ägypten in seiner Werbung nutzte. Fotografiert war es vom Hafen aus. AIDA Cruises klagte gegen die Verwendung des Bildes. Die Begründung: Der Ausflugsveranstalter verstoße gegen das Urheberrecht. Das sah das Landgericht Köln nicht so. Das Foto wurde von einem öffentlich zugänglichen Ort aufgenommen – einem Hafen. Das fotografierte Kunstwerk befindet sich zudem dauerhaft im öffentlichen Raum – wenn auch in wechselnden Häfen. Somit war laut Gericht das Foto und dessen Verwendung von der Panoramafreiheit gedeckt
AIDA wollte sich mit diesem Urteil nicht zufrieden geben, zog vor den Bundesgerichtshof und der urteilte: Die Entscheidung vom Landgericht Köln hat Bestand, das Foto darf verwendet werden. Und ja, auch bewegliche Werke fallen unter die Panoramafreiheit, so lange sie sich dauerhaft in der Öffentlichkeit befinden. Der Bundesgerichtshof urteilte aber auch, dass es Grenzen für die Panoramafreiheit gebe. Wer für eine Fotoaufnahme im öffentlichen Raum auf eine Leiter steige, der könne sich nicht auf die Panoramafreiheit berufen.
Was hat Panoramafreiheit mit Wikimedia-Projekten zu tun?
Nun sind Leitern nicht das einzige Hilfsmittel, um eine andere Perspektive auf eine Skulptur, ein Gebäude oder ein anderes öffentliches Kunstwerk zu erhalten. Eine Gruppe von Wikipedianer*innen aus Köln etwa nutzt eine Fotodrohne dazu, Bilder für das freie und offene Medienarchiv Wikimedia Commons zu machen. Gerade bei mehrdimensionalen Werken wie Gebäuden können Fotograf*innen durch Aufnahmen aus der Luft die vielen Facetten eines solchen historischen und kulturellen Denkmals abbilden. In den letzten Jahren haben die Wikipedianer*innen Gebäude der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg von oben fotografiert, waren beim Museum Barberini, beim Technikmuseum in Berlin und an anderen Orten zu Gast. Entstanden sind dabei zahlreiche Aufnahmen von Denkmälern und Gebäuden. Sie sind in Wikimedia Commons zu finden und können frei nachgenutzt und vervielfältigt werden.
Vor diesen Foto-Exkursionen in Kooperationen mit Kulturinstitutionen wurden natürlich Rechte geklärt. Wenn notwendig, haben Wikimedia Deutschland oder die Freiwilligen die Erlaubnis zum Ablichten von urheberrechtlich geschützten Gebäuden eingeholt. Geriet bei einer luftigen Fototour doch einmal ein Gebäude in den Fokus, für dessen Aufnahme die Foto-Flieger keine Erlaubnis hatten, wurde die Aufnahme in der Regel wieder gelöscht. Denn die vergangenen Entscheidungen des BGH legten auch schon vor dem aktuellen Urteil nahe, dass Drohnenfotos in Deutschland nicht von der Panoramafreiheit gedeckt sind. Lediglich Fotos von Bauwerken, deren Erbauer schon mindestens 70 Jahre tot sind, können die Ehrenamtlichen bedenkenlos unter freier Lizenz veröffentlichen. Sie sind dann nicht mehr urheberrechtlich geschützt.
Was bedeutet das Urteil für Wikimedia-Projekte?
Der urheberrechtliche Schutz eines Gebäudes endet in Deutschland erst 70 Jahre nach dem Tod des oder der Architekt*in. Bis dahin sind Aufnahmen von öffentlichen Straßen möglich. Das Urteil des BGH bestätigt nun: Das gilt nicht für Aufnahmen aus der Luft. Das ist bedauerlich, denn häufig erschließt sich ein Bauwerk aus der Vogelperspektive auf eine ganz andere Weise – etwa im Kontext der umgebenden Bebauung oder Natur.
Weil die Schutzdauer sich auf das Sterbedatum des oder der Architekt*in bezieht, kann also auch ein vor rund 100 Jahren fertiggestelltes Gebäude heute noch dem Urheberrecht unterliegen. Bauten aus jüngerer Zeit werden noch für viele Jahrzehnte nur aus dem Blickwinkel fotografiert werden dürfen, den wir jeden Tag selber von der Straße aus sehen – oder aus Perspektiven, zu denen die allgemeine Öffentlichkeit Zugang hat. Schade!
Für Wikimedia-Projekte bedeutet das aktuelle Urteil, dass vor Aufnahmen von urheberrechtlich geschützten Werken, die mit einem Flugmittel getätigt werden sollen, eine Einwilligung von den Rechteinhabenden eingeholt werden muss. Es ist also im Einzelfall zu klären, welche Objekte aus der Luft fotografiert werden und ob diese urheberrechtlich geschützt sind.
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