Sarah-Isabella Behrens
4. Juni 2021
Wissenschaftskommunikation bietet vielfältige Ansätze, um wissenschaftliche Erkenntnisse zielgruppenorientiert verständlich zu machen und unterhaltsam zu vermitteln. Aus diesem weiten Feld an Möglichkeiten sinnvoll auszuwählen, kann herausfordernd und teilweise unübersichtlich sein. Deshalb möchten wir in dem folgenden Beitrag einzelne und möglichst niedrigschwellige Herangehensweisen, Formate und Praxisbeispiele herausstellen. Diese erleichtern es erste Schritte in die Sphären der Wissenschaftskommunikation zu wagen oder bereits vorhandene Fähigkeiten und Kommunikationsstrategien zu optimieren.
Inklusive Wissenschaftskommunikation: Wissenschaft muss nicht nur offen, sondern auch zugänglich gemacht werden.
Wissenschaftskommunikation möglichst transparent und offen zu gestalten, ist eine wesentliche Voraussetzung, um Wissenschaft zugänglich(er) zu machen. Zugänglichkeit von Wissenschaft zu begünstigen, bedeutet sich folgende Fragen zu stellen, wenn es darum geht Wissenschaftskommunikation inklusiv zu denken: Welche Zielgruppen gibt es? Wie erreiche ich diese? Wer fühlt sich durch was angesprochen und wodurch nicht? Wie überwindet man welche Hürden? Welche Faktoren führen dazu, dass Menschen exkludiert werden? Eine hilfreiche Übersicht zur Einordnung bietet die Grafik “Who does science communication not reach?” (Schrögel et al., 2020). Diese beispielsweise veranschaulicht soziale, systemische und individuelle Faktoren, welche sich auf den Zugang zu Wissenschaft und die Möglichkeit zur Beteiligung an Wissenschaftskommunikation auswirken. Sie sind mitunter tief verwurzelt im Wissenschaftssystem und (re-)produzieren exkludierende Mechanismen, die durch das fortwährende Zusammenspiel der Faktoren immer weiter verstärkt werden. Es ist eine Art Teufelskreis, der sich selbst nicht notwendigerweise am Leben erhält. Im wissenschaftlichen Alltag, in der Lehre und Forschung, werden diese Form der Benachteiligungen jedoch geringfügig thematisiert oder berücksichtigt. Das kann unterschiedliche Ursachen haben; was sie vereint ist ihr Potential Veränderung anzustoßen. Dazu bedarf es der Bereitschaft Neues auszuprobieren, indem beispielsweise bestehende Kommunikationsweisen in der Wissenschaft weiter oder gar neu gedacht werden.
Wie ließe sich Wissenschaft inklusiver und zugänglicher gestalten? Wie kann das aussehen und funktionieren? Dazu möchten wir im Folgenden einige niedrigschwellige Herangehensweisen und Formate für eine inklusive Wissenschaftskommunikation vorstellen:
Wissenschaftskommunikation auf die Ohren mittels Podcasts: Content is king.
Podcasts bieten Wissenschaftler*innen die Möglichkeit, frei über ihre wissenschaftliche Arbeit zu sprechen und so komplexe wissenschaftliche Themen zielgruppengerecht und unterhaltsam zu vermitteln. Da sie in der Regel kostenlos angeboten werden und auf den meisten mobilen Geräten konsumiert werden können, sind sie vergleichsweise niedrigschwellig und können überall und jederzeit angehört werden. Somit können Podcasts ein sehr effektives Werkzeug in der Wissenschaftskommunikation sein und dazu beitragen, den Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu verbessern, was zu mehr Barrierefreiheit und Inklusion führt.
Christian Friedrich (Berater für ko-kreatives Lernen in Netzwerken) und Nele Heise (Medienforscherin) haben hierzu eine umfassende Einführung in das Thema Science Podcasting gegeben, in der den Teilnehmenden nicht nur vermittelt wird, wo und wie gute Wissenschaftspodcasts zu finden sind, sondern vor allem auch, wie diese mit einfachen Mitteln selbst produziert werden können. Die Einführung ist als Lektion im Lernraum Freies Wissen (die Lernplattform des Fellow-Programms Freies Wissens) zu finden, die mit einer motivierenden Rede für Science Podcasting von Konrad Förstner (ZB Med, Open Science Radio) untermalt wird.
Persönliche Website als Wissenschaftler*in: wozu das?
Im Weiteren widmen wir uns der schriftlichen Wissenschaftskommunikation, indem wir persönliche Blogs und Social-Media-Kanäle näher in den Blick nehmen:
Jana Lasser (Aluma des Fellow-Programms) berichtet dazu Folgendes: “Vor etwa einem Jahr habe ich mich dazu entschieden, mir eine eigene Website zu basteln. Da ich zu dem Zeitpunkt gerade in einer Bewerbungsphase war, war meine Hauptmotivation, meine Leistungen als Wissenschaftlerin in verschiedenen Bereichen (Publikationen, Lehre, Open Science) auf eine Weise darzustellen, die über ORCID oder Google Scholar hinausgeht und so meine Sichtbarkeit zu erhöhen. Meine Website gibt mir die Möglichkeit, meine verschiedenen Projekte und Aktivitäten visuell ansprechend darzustellen, miteinander in Kontext zu bringen und auch Dinge wie z.B. Blog Posts, Videos oder Open Educational Resources darzustellen, die nicht in die vorgefertigten Schablonen zur Präsentation von wissenschaftlichen Aktivitäten passen. Mittlerweile finden sich auf meiner Website auch Vorträge und Zeitungsartikel über meine Forschung und ich verweise häufig auf meine Website, wenn ich die eine oder andere meiner Aktivitäten kommunizieren will: Wer wissen will, woran ich arbeite und wie ich als Wissenschaftlerin so ticke, für die ist meine Website die erste Anlaufstelle. Die Pflege meiner Website ist auch ganz gut für mein Wohlbefinden: es führt mir vor Augen, was ich eigentlich alles in letzter Zeit gemacht habe und gibt mir Genugtuung, unabhängig von den seltenen und unvorhersehbaren “your paper got accepted” Emails…”
Warum blogge und nutze ich Social-Media-Kanäle?
Nikolas Eisentraut (Alumnus des Fellow-Programms) erklärt: “Das Fellow-Programm Freies Wissen hat mich motiviert, meine wissenschaftliche Arbeit auf einer eigenen Homepage sichtbarer zu machen und zugleich über Social-Media-Kanäle von meiner Tätigkeit zu berichten. Ein bis heute wirklich lohnendes Unterfangen, weil die Wissenschaftskommunikation mittlerweile zu einem zentralen Thema für Wissenschaftler*innen geworden ist. Die bewusste Kommunikation der eigenen wissenschaftlichen Arbeit löst einen Reflexionsprozess darüber aus, wie die Tätigkeit als Wissenschaftler erklärt und wie Forschungsergebnisse für alle Interessierten zugänglicher gestaltet werden können. Man erwirbt immer wichtiger werdende Softskills, wie man eine eigene Homepage aufsetzt und Social-Media-Kanäle bespielt. Außerdem verlässt man den mitunter einsamen “Elfenbeinturm” und erreicht unmittelbar alle, die sich für die eigene Forschung und Lehre interessieren.”
Storytelling in der Wissenschaftskommunikation: Wie erzähle ich meine Geschichte? Wie sensibilisiere ich für meine Themen?
Es lässt sich gleichermaßen aufzeigen, dass sich Kommunikationsvarianten und -kanäle je nach Forschungsfeld und individuellem Stil unterschiedlich nutzen lassen. Sie können auch in hybriden Formaten so angewendet werden, dass die anvisierte Zielgruppe effektiv und der Wirkungsgrad möglichst hoch ist. Die Frage, die dabei im Fokus stehen sollte, ist: Was möchte ich wie erreichen und wen?
Folgende Beispielfragen zeigen an dieser Stelle, welche Projektideen zur Wissenschaftskommunikation daraus folgen können:
Wie erzähle ich meine Geschichte und mache diese für andere verfügbar? Mit dem Citizen Science-Projekt für offene Kulturdaten “Die Datenlaube” erarbeiten und veranschaulichen Jens Bemme (Alumnus des Fellow-Programms) und Christian Erlinger (Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern), wie durch die Verknüpfung der Wikimediaportale Wikipedia, Wikisource, Wikidata und Wikimedia Commons Wissen und offene Bibliotheksressourcen generiert, verbessert und als freie Bildungsressourcen genutzt werden können.
Wie sensibilisiere ich für meine Themen? Um dafür eine Möglichkeit zu schaffen, haben Kerstin Schoch (Mentorin des Fellow-Programms) und Lily Martin (Alanus Hochschule) ein Pop-up Institut ins Leben gerufen, welches Wissenschaftskommunikation betreibt und sich zum Ziel gesetzt hat, die Reduktion von Stigma psychischer Erkrankungen mittels Künstlerischer Therapien herbeizuführen. In einem Interview mit Radio Folkwang spricht Kerstin über das Verhältnis von Kunst und Psychologie und gibt dabei Einblicke in die Arbeitsweisen der Kunsttherapie.
Wissenschaftskommunikation zur Krisenbewältigung.
Insgesamt ist natürlich und damit abschließend zu bedenken, dass Wissenschaftskommunikation keinerlei Selbstzweck erfüllen sollte sowie Zeitaufwand bzw. Ressourcen bedeuten, die einzuplanen sind. Im besten Fall wird dadurch mehr Raum geboten, um die eigene Forschungsarbeit für andere Interessierte transparent zu machen, die wiederum in weiteren Beteiligungsformen und der Mitgestaltung öffentlicher Diskurse münden kann. Die Corona-Krise zeigt nach wie vor, dass sich Wissenschaftler*innen in öffentliche Debatten einmischen müssen. Folgt man dieser Ansicht, ergeben sich daraus weitere Fragen: Gibt es die eine Öffentlichkeit? Müssen Wissenschaftler*innen alle Zielgruppen erreichen? Ist es immer gut, wenn Wissenschaftler*innen sich einmischen? Wo hat es denn mit der Wissenschaftskommunikation nicht geklappt?
Mit diesen und weiteren Fragen haben sich die Panelist*innen Birte Fähnrich (BBAW), Rebecca Winkels (Wissenschaft im Dialog), Ricarda Ziegler (Wissenschaft im Dialog), Alina Loth (Berlin School of Open Science and Public Engagement) sowie Moderator Benedikt Fecher (HIIG und Mentor des Fellow Programms) während der Winter School des Fellow-Programms bei einer ausgiebigen Diskussion auseinandergesetzt. Wir können diesen “Beitrag zu Perspektiven auf die Wissenschaftskommunikation” wärmstens empfehlen, um weitere Einblicke in die Rolle und Möglichkeiten von Wissenschaftskommunikation gewinnen zu können.