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Hakenkreuz erlaubt, Eiffelturm verboten – Gaming vs. Realität

Während in Deutschland das generelle Verbot von Hakenkreuzen in Spielen aufgehoben ist, darf man in Spielen längst nicht alles zeigen. Der Eiffelturm bei Nacht oder das Atomium in Brüssel bleiben weiter tabu. Auf der Gamescom in Köln fragt man zurecht: Uhm, what? Ein Plädoyer für gute Spiele, clevere selbstfahrende Autos und Panoramafreiheit.

WMDE allgemein

21. August 2018

Ein autonom fahrendes deutsches Auto müsste an der Grenze zu Belgien stoppen und mit einer VR-Brille kann ich zwar nach München oder London, nicht aber nach Rom oder Athen “reisen”. Ich darf in historisch basierten Spielen auch in Deutschland Hakenkreuze einbauen, in Spielen in der Gegenwart aber keine Statuen oder Gebäude im öffentlichen Raum. Warum ist das so und wie können wir diesen Quatsch abstellen?

Digitale Augenbinde

Das, was analog dauerhaft öffentlich ist, sollte auch digital frei zur Verfügung stehen. Das würde den Wikimedia-Communitys bei ihrer ehrenamtlichen Arbeit helfen, das Wissen der Welt digital aufzubereiten. Auf der GamesCom treffen sich in dieser Woche Menschen, die Spiele und VR-Anwendungen entwickeln. Dazu bauen sie auch reale Umgebungen nach und kommen mit dem Urheberrecht in Konflikt. Und das, obwohl sie dem analogen Urheber – den Architektinnen und Architekten, den Künstlerinnen und Künstlern – keineswegs schaden.

Wollen nur Spiele: Gamer und ein Modell auf der Gamescom in Köln Sergey Galyonkin from Kyiv, Ukraine, Titanfall at Gamescom 2013 (9591148650)CC BY-SA 2.0

 

Ich tue dir nichts, ich mach nur Fotos

Im digitalen Raum entstehen Ideen, die automatisch durch das Urheberrecht behindert werden, ohne dass die Rechteinhabenden ein Interesse daran haben. Damit autonomes Fahren funktioniert, müssen sich Fahrzeuge zum Beispiel gut orientieren können. Dazu scannen sie ihre Umgebung mit Radar-, Laser- und Fotosystemen, manchmal teilen sie ihr Wissen auch untereinander, zum Beispiel um 3D-Karten zu erstellen. Klar tauchen hier auch geschützte Fassadenstücke oder Gebäude auf. Dass die zur Orientierung genutzt werden dürfen, leuchtet jedem und jeder ein – wie soll ich aber jeden Architekten oder jede Architektin um Erlaubnis dafür fragen?

Autonome Fahrzeuge sammeln und teilen Wissen über ihre Umwelt u.a. mit Kameras. ŠJů, Wikimedia Commons, Vokovice, Evropská, kamerový automobil here comCC BY 4.0

Wenn ich in Paris oder Brüssel unterwegs bin, darf ich Fotos vom Eiffelturm oder dem Atomium machen. Ich darf es aber nicht einfach überall veröffentlichen. In der Wikipedia bzw. Wikimedia Commons zum Beispiel dürfte ich ein Foto vom Atomium gar nicht ohne Genehmigung (bzw. Zahlung) und den Eiffelturm nur dann hochladen, wenn ich ihn tagsüber fotografiert habe. Das Atomium, das London Eye und die Lichtinstallation am Eiffelturm sind urheberrechtlich geschützt. [Anmerkung: in Großbritannien gilt zum Glück die Panoramafreiheit, die den Schutz für diesen Zweck aussetzt. In Frankreich gilt das wie in Italien, Griechenland und vielen anderen Ländern nicht – und in Belgien wird die Reichweite gerade vor Gericht ausgefochten].

In Deutschland ist das einfacher

In Deutschland gilt die sogenannte Panoramafreiheit; was dauerhaft im öffentlichen Raum ist, darf ich von öffentlichem Straßenland aus fotografieren und veröffentlichen, egal, ob es steht, schwimmt oder fliegt. Wenn ich dazu eine Leiter, Heckenschere oder ein Teleobjektiv brauche, greift diese Ausnahme nicht, auch muss ich bei Persönlichkeitsrechten vorsichtig sein. In jedem Land der EU ist das anders geregelt – das ist für die internationale Wikipedia-Community, aber auch für Spieleentwicklung und Autobau ein Problem. Der digitale Raum macht an der Grenze nicht halt. Er kriegt nur da blinde Flecken, wo das Urheberrecht nicht mit der Realität Schritt hält.

Das London Eye dürften wir ohne Panoramafreiheit nicht online zeigen. Sieht so das Internet der Zukunft aus? Photo by Kham Tran, CC BY-SA 3.0.

Die Lösung heißt Panoramafreiheit

Die Panoramafreiheit gilt derzeit nicht in allen Ländern der EU​. Die Kommission empfiehlt zwar, sie herzustellen, aber kein Gesetz und keine Richtlinie zwingt die Staaten dazu, diese einheitlich umzusetzen. Mit der EU-Urheberrechtsreform kann endlich europaweit eine harmonisierte Regelung zur Panoramafreiheit eingeführt werden.

Was öffentlich ist, soll der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Ob den Freiwilligen in der Wikipedia oder selbstfahrenden Systemen. Kunstschaffende haben keine Angst vor Hobbyfotografie oder vor Sensorik an Autos. Wikimedia Deutschland setzt sich dafür ein, ein zeitgemäßes Urheberrecht für alle zu schaffen.

Flickenteppich: So steht es um die Panoramafreiheit in Europa. Wir finden: das geht besser. Blank map of Europe cropped.svgRevolus derivative work: Quibik (talk), Freedom of Panorama in EuropeCC BY-SA 3.0


In Zeiten des Internets reicht das Urheberrecht extrem weit in den Alltag der Menschen hinein. Gleichzeitig sind die Gesetze dafür oft sehr alt und überholt. Die EU hat sich daher vorgenommen, das Urheberrecht zu erneuern und zu vereinheitlichen. Das ist nicht einfach und birgt auch Gefahren für das freie Internet.

Um Künstlerinnen und Künstler, Urheberinnen und Urheber gegenüber großen Plattformen wie Google und Facebook (ugs.: GAFA) zu stärken, haben sich Akteurinnen und Akteure auf EU-Ebene Regeln ausgedacht, die diese Internet-Riesen treffen sollen. Welche Regeln dieser Reform besonders gefährlichen sind und welche Ideen wir mit einbringen, wollen wir in dieser Reihe beleuchten.

Teil 1 verpasst?

Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen…

Kommentare

  1. […] müssen also weiterhin viele verschiedene nationale Regeln zugleich beachten, wenn es um Bilder des Straßenraums geht. Hier wurde eine wichtige Gelegenheit […]

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