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Mit freien Lizenzen durchs All

Am 12. April 1961 wurde Juri Gagarin zum ersten Menschen im All. Seitdem sind die Sterne für uns alle näher und greifbarer geworden. Zum Internationalen Tag der bemannten Raumfahrt haben wir uns angeschaut, warum wir das auch freien Lizenzen und dem Zugang zu Freiem Wissen zu verdanken haben.

WMDE allgemein

12. April 2018

Als Neil Armstrong am 21. Juli 1969 (MEZ) als erster Mensch den Mond betrat und den “Wettlauf ins All” damit letztlich doch für die USA entschied, verfolgten geschätzt zwischen 500 und 600 Millionen Menschen auf der Welt das Ereignis live am Fernseher mit. Das öffentliche Interesse an der Erforschung des Weltalls und der Raumfahrt ist auch heute noch ungebremst – die Informationskanäle aber nicht mehr dieselben wie noch vor 40 Jahren: Heute nutzen wir das Internet, um uns über die Erde, Monde, Planeten, Galaxien und Schwarze Löcher zu informieren. Das Internet erlaubt es uns, auf nie vorher dagewesene Weise, Wissen miteinander zu teilen, auszutauschen und zu verbreiten.

NASA und die Public Domain

Buzz Aldrin spaziert auf dem Mond. Bild: NASA, gemeinfrei

Dass das Weltall für uns alle heute nur ein paar Mausklicks entfernt ist und wir alle jederzeit auf Informationen und Bildmaterial aus den Tiefen des Alls zugreifen können, liegt nicht zuletzt daran, wie Raumfahrtorganisationen ihr Wissen mit der Gesellschaft teilen. Dank der sehr freizügigen Lizenzpolitik der US-Regierung, nach der von der Regierung erstellte Inhalte automatisch als gemeinfrei gelten, sind von der NASA erstellte Inhalte grundsätzlich nicht urheberrechtlich geschützt und stehen in der Public Domain. Sie gehören allen und können von allen frei genutzt werden.

Dabei stellt NASA jedoch viel mehr als nur atemberaubende Aufnahmen von Himmelskörpern der Allgemeinheit zur Verfügung. Auch sämtliche staatlich geförderte Forschung wird auf einer eigens dafür eingerichteten Website namens Pubspace einfach durchsuchbar zur Verfügung gestellt. Wissenschaftliche Erkenntnisse zu verschiedensten Themen sind hier für alle frei abrufbar, von der Wahrscheinlichkeit von Leben auf dem Saturnmond Titan, über die Auswirkungen des Weltalls auf den Haarwuchs von Astronauten in der ISS bis hin zu Wissen über die Entstehung erdähnlicher Planeten. So können diese Daten zum Beispiel im Sinne Offener Wissenschaft von allen genutzt, und das vorhandene Wissen gemeinsam ausgebaut werden. Auch eine von NASA betriebene Datenbank für Public-Domain-NASA-Technologie gibt es. Sogar ein Teil ihrer Software wird als Software Katalog frei zum Download zur Verfügung gestellt, darunter beispielsweise die Software, die 1969 die erste Landefähre auf den Mond brachte. Man könnte also mit dem Wissen der NASA sein eigenes Raumschiff bauen und damit zum Beispiel Wikipedia zum Mond schießen.

The Blue Marble“, aufgenommen am 7. Dezember 1972 von der “Apollo 17”-Crew auf dem Weg zum Mond.
Bild: NASA, gemeinfrei

Als Teil der Wissensallmende, also unseres kulturellen Gemeinguts, haben alle gleichermaßen Zugriff auf das gesammelte Wissen über das Weltall der NASA – egal ob Privatperson, Wissenschaftler oder Unternehmen. Sie alle erhalten so nicht nur einfachen Zugang zu Informationen, sondern auch die Möglichkeit, eigene Erkenntnisse und Ideen daraus zu entwickeln und diese wiederum zur Gesellschaft beizutragen. Auch für Freie-Wissens-Projekte wie Wikipedia, Wikimedia Commons und Co. steht das Wissen der NASA über das Universum zur Verfügung. Ein Mehrgewinn für alle: Schließlich profitiert auch die NASA von größerer Sichtbarkeit für ihre Arbeit in einer interessierten und informierten Wissensgesellschaft, den Innovationen ihrer eigenen Arbeit durch Dritte, oder neuen Forschungsergebnissen, die auf Erkenntnissen der Nationalen Aeronautik- und Raumfahrtbehörde aufbauen. Zum Beispiel werden von der NASA mit Erdbeobachtungssatelliten erhobene Daten in der Klimaforschung und den Geowissenschaften genutzt, etwa um Gletscherverläufe oder Änderungen des Meeresspiegels zu untersuchen.

Freies Weltall-Wissen in Europa mit freien Lizenzen

Der Mars. Bild: ESA – European Space Agency & Max-Planck Institute for Solar System Research for OSIRIS Team ESA/MPS/UPD/LAM/IAA/RSSD/INTA/UPM/DASP/IDA, OSIRIS Mars true color, CC BY-SA 3.0 IGO

Eine gesetzliche Entsprechung zur Public Domain gibt es in Europa nicht. Hier gilt in aller Regel auch für staatlich finanzierte Werke das Urheberrecht, sie können nicht ohne weiteres frei geteilt werden. Trotzdem haben sich in den letzten Jahren auch viele Europäische Raumfahrtorganisationen, darunter das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR und mittlerweile auch die Europäische Raumfahrtorganisation ESA, dafür entschieden, mehr von ihrem Weltall-Wissen als Freies Wissen zugänglich zu machen – mithilfe einer Open-Access-Strategie und freier Creative-Commons-Lizenzen. Hierfür hatten sich seinerzeit besonders auch Wikimedia Deutschland und einige Ehrenamtliche stark gemacht und Überzeugungsarbeit geleistet.

Wieso aber setzen mittlerweile immer mehr wissenschaftliche oder staatliche Organisationen wie das DLR und die ESA, aber auch sogenannte GLAM-Institutionen (Galerien, Bibliotheken, Archive und Museen) immer mehr auf einen freien und offenen Zugang zu ihren Wissensinhalten besonders im digitalen Raum? Oft, weil sie erkannt haben, dass freie Lizenzen ganz erheblich dazu beitragen können, das von ihnen gewonnene und bewahrte Wissen im Internet sichtbarer und für alle einfacher nutzbar zu machen – zum Beispiel, indem sie es in Wikipedia einem Millionenpublikum zur Verfügung stellen. Ein freier Zugang zu Wissen mithilfe freier Lizenzen bedeutet nämlich nicht – wie häufig befürchtet – einen Kontrollverlust über die eigenen Inhalte. Häufig ist es aber so, dass freie Lizenzen gerade dazu beitragen können, die Sichtbarkeit von Institutionen als Wissensquellen im digitalen Raum zu steigern.

Marco Trovatello, Communication Officer bei der ESA, hat sowohl bei der ESA als auch bereits beim DLR die Implementierung einer Open Access Strategie für Bilder, Videos und (im Falle der ESA) auch für Daten voran getrieben. Auf der re:publica 2017 stellte er die Vorteile von Open Access für die Raumfahrtorganisation vor (hier als Video). Das Fazit: Allein am Beispiel des Wikipedia-Artikels zum Mars lässt sich zeigen, wie sichtbar freie Wissensinhalte unter freien Lizenzen sein können: allein der englischsprachige Artikel zum Roten Planeten wird rund 220.000 Mal pro Monat aufgerufen. Das ist auch ein Mehrgewinn für die Raumfahrtorganisation: Ihr Wissen und ihre Arbeit ist prominent im Internet sichtbar.

Der kasachische Alakölsee. Aufnahme von Copernicus Sentinel-2. Bild: ESA, Alakol Lake ESA365539, CC BY-SA 3.0 IGO

“Freier und offener Zugang zu ESA’s Wissen, Informationen und Daten sind ein Grundstein für unsere Anbindung an die breite Öffentlichkeit und unsere Nutzergruppen und trägt damit zum Gemeinwohl bei” 

–  Marco Trovatello, Communication Officer bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA

 

Berlin in Falschfarben. Aufnahme des ESA-Erdbeobachtungssatelliten Sentinel-2A. Bild: ESA, Berlin, Germany ESA348055, CC BY-SA 3.0 IGO

“Diese Evolution hin zum offenen Zugang zu ESAs Bildern, Informationen und Wissen ist ein wichtiges Element bei unserem Ziel, zu informieren, innovieren, interagieren und inspirieren im Weltall 4.0”

Jan Wörner, Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA

Was sind Freie Lizenzen? – Ein Überblick

Derzeit existieren eine ganze Reihe verschiedener freier Lizenzen, die es erlauben Inhalte frei zu nutzen, weiterzuverbreiten oder abzuändern. Zum Beispiel die  GNU-Lizenz für freie Dokumentation, die besonders für freie Software verwendet wird.  Für die Vermittlung von Freiem Wissen werden oft die sogenannten Creative Commons Lizenzen verwendet. Auch die Inhalte der Wikipedia stehen unter der Creative-Commons-Lizenz: CC BY-SA 3.0. Das heißt, alle können das Wissen aus Wikipedia unter der Bedingung nutzen, dass sie die Quelle nennen (“BY”), und das Wissen unter gleichen Bedingungen, also frei nachnutzbar weitergegeben wird (“SA”= Share Alike).

Die CC-Lizenzen angeordnet nach ihrer Offenheit: von der Gemeinfreiheit (“Public domain (PD)”) bis zu “Alle Rechte vorbehalten” (“All rights reserved”). Dabei gelten nur die Lizenzen CC0, CC-BY und CC-BY-SA als freie Lizenzen und können z. B. in Wikipedia eingebunden werden. JoeranDE, Creative Commons Lizenzspektrum DE, CC BY 4.0

Bei Creative-Commons-Lizenzen handelt es sich um modulartig aufgebaute Nutzungslizenzen, mit denen Urheber und Urheberinnen bestimmen können, unter welchen Bedingungen sie ihre Werke der Öffentlichkeit zugänglich machen wollen. Mit der Ausnahme von der Lizenz CC0 (gemeinfrei) ist allen CC-Lizenzen gemein, dass für die rechtskonforme Nachnutzung der Urheber genannt oder, je nach Lizenz, weitere Angaben zur Quelle mitgeliefert werden müssen.

Dabei gelten jedoch nur die Lizenzen CC-BY-SA, CC-BY und CC0 als freie Lizenzen. Sogenannte NC-Lizenzen (NC = non commercial) schließen nämlich bereits eine ganze Reihe auch wünschenswerter Nachnutzungen im Sinne der wissensstiftenden Institutionen aus, denn auch eine Zeitung, die über Weltraumaufnahmen der ESA berichten möchte, ist ja in der Regel Produkt eines kommerzielles Unternehmens und könnte ein NC-lizensiertes Bild nicht ohne Genehmigung abdrucken. Auch für Freie Lehr- und Lernmaterialien (OER) kommen nur freie Lizenzen in Frage: Neben staatlichen Schulen und Universitäten gibt es auch zahlreiche kommerzielle oder werbefinanzierte Bildungsangebote besonders online, die ohne freie Lizenzen nicht auf Originaldaten und -Bilder der Raumfahrtorganisationen zurückgreifen könnten. Ist das nicht auch letztendlich für die Wissensorganisationen ein Problem, die häufig sogar den gesellschaftlichen Auftrag haben, ihr Wissen mit der Gesellschaft zu teilen?

Ein kleiner Schritt…

Wikimedia Deutschland setzt sich dafür ein, dass mit freien Lizenzen nicht nur neue Winkel des Kosmos erschlossen werden, sondern auch auf der Erde mehr Wissen durch freie Lizenzen mit allen frei geteilt werden kann. Deshalb arbeiten wir eng mit Kultur- und Wissensinstitutionen zusammen, und versuchen, sie von den Vorteilen von Freiem Wissen zu überzeugen. Zum Beispiel, in dem wir sie im Rahmen von GLAM-on-Tour mit Ehrenamtlichen aus Wikimedia-Projekten zusammenbringen, um Wissen zu befreien. Oder aber wir suchen nach Datenspenden für unseren Kultur-Hack-a-thon Coding da Vinci, bei dem Ehrenamtliche aus dem Freien Wissen von GLAM-Institutionen neue spannende Software-Projekte entwickeln, die dabei helfen sollen, dieses Wissen auf spielerische und neue Weise einem noch größeren Publikum zugänglich zu machen. Wir sind gespannt, welche unendlichen Weiten des Weltalls wir auf diese Weise noch ganz neu entdecken.

Die Internationale Raumstation ISS vor dem Horizont der Erde. Bild: NASA, gemeinfrei


Weiterführende Informationen und nützliche Tools zu Freien Lizenzen:

Open Content – Ein Praxisleitfaden zur Nutzung von Creative-Commons-Lizenzen

Der von Medienrechtsanwalt Dr. Till Kreutzer verfasste Leitfaden erklärt die rechtssichere Verwendung von freien Lizenzen, insbesondere Creative-Commons-Lizenzen. Herausgegeben wurde er von der Deutschen UNESCO-Kommission, dem Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen und Wikimedia Deutschland.

Hier Herunterladen als PDF: Deutsch / Englisch

Der Lizenzhinweisgenerator 

ein nützliches Online-Tool, das dabei hilft, für Bilder aus dem freien Medienarchiv Wikimedia Commons schnell und einfach den passenden Creative-Commons-Lizenzhinweis für die freie Nachnutzung zu generieren.


Kommentare

  1. […] heutigen Auftakt präsentieren 26 Kulturinstitutionen ihre Daten, die sie unter freien Lizenzen zur Verfügung stellen, darunter die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, die Klassik Stiftung […]

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