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Die Alten wissen es nicht immer besser oder coding da Vinci

WMDE allgemein

23. Oktober 2017

Am Donnerstag letzte Woche in Frankfurt  beeindruckte mich Börries von Notz, Direktor der Historischen Museen Hamburgs, auf der Konferenz “Zugang gestalten” mit einem Seneca-Zitat (frei übersetzt): Wer den Hafen nicht kennt, dem weht kein günstiger Wind. Einleuchtende Weisheit der Altvorderen, dachte ich da noch. Doch nur Tage später wurde ich in Berlin Schöneweide eines Besseren belehrt: Wer dem Wind vertrauen kann, der wird mit Neuem belohnt. Denn wir, die Veranstaltenden des Kultur-Hackathons “Coding da Vinci”, können nie wissen, wohin die Reise geht. Am Samstag legten wir mit unserem Kahn voll beladen mit 31 wunderbaren Datensets aus 19 Kultureinrichtungen von den sicheren Ufern der Planung ab und ließen uns ein auf das Abenteuer der Kreativität. Doch was sind Abenteuer, wenn sie keine Geschichten erzählten?

Gesucht – Gefunden

Eine dieser Geschichten handelt von Christiane Weber, Wolfgang Thomsen und Stefan Bartsch. Sie begann im Juni mit dem Archivtag in Hessen.

Einige der Karteikarten des ITS. ITS, CC-BY-SA 3.0.

Dort hörte Christiane Weber Teilnehmende vom Kultur-Hackathon Coding da Vinci und seinen wunderbaren Ergebnissen erzählen. Spontan fragte sie bei uns im Sommer an, ob noch die Möglichkeit bestünde, sich mit einem Datensatz zu bewerben. Denn Christiane Weber arbeitet für das Archiv des International Tracing Service (ITS), das schon seit einigen Jahren seine Archivalien digitalisiert. Die Vorgaben von Coding da Vinci sind klar: Die Daten müssen unter einer freien Lizenz online zu Verfügung stehen und die Datengeber müssen bereit sein, die Datennehmenden, die codenden Teilnehmer/innen, von Coding da Vinci, während der gesamten Wettbewerbsdauer  zu unterstützen. Christiane Weber überzeugte ihre Kollegen, sich zu diesen Prämissen auf das Abenteuer einzulassen. Ohne zu wissen, welchen (Projekt-)Hafen die Daten letztlich ansteuern würden und ob überhaupt, stellte der Internationale Tracing Service für Coding da Vinci 32.000 digitalisierte Karten aus der Kartei der Reichsvereinigung der Juden zur Verfügung. Vorsichtshalber jedoch nur mit einer Auswahl der Metadaten. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Wolfgang Thomsen präsentierte sie die Kartei am 21. Oktober ca. 120 Kultur- & Codeinteressierten zum Start von Coding da Vinci. Dort trafen sie dann Stefan Bartsch. Ein junger Coder aus Berlin. Er schlug vor, die Daten des ITS mit anderen Daten zu den im NS-Regime verfolgten Juden in Berlin zu verknüpfen und sie unter verschiedenen Gesichtspunkten zu visualisieren. Zum Beispiel könnte man versuchen zu zeigen, wie im Zuge der Radikalisierung der NS-Politik zur Ausgrenzung und Vernichtung Menschen jüdischer Herkunft in wenigen lokalen Gebieten noch vor der eigentlichen Deportation konzentriert wurden. Christiane Weber und Wolfgang Thomsen waren begeistert. Ihre Daten stimulieren nicht nur den ehrenamtlichen Arbeitseifer von Stefan Bartsch, sondern könnten eventuell durch die Verknüpfung mit anderen Daten aussagekräftiger und derart angereichert auch für das ITS leichter auswertbar werden. Noch am selben Abend erwirkten die Kollegen des ITS eine umfassendere Freigabe der Metadaten, um mehr Anknüpfungspunkte für die Anreicherung zu ermöglichen. So gesehen, hat sich das Segeln, ohne den Hafen zu kennen, bereits gelohnt. Seit Sonntag arbeiteten sie gemeinsam an dem Projekt Visualisierung Jüdischen Lebens.

Musik lovers

Die zweite Geschichte handelt von Zweien, die sich fanden. Carole Wai Hai aus Frankreich und Annamaria Costalonga aus Italien waren zum ersten Mal bei Coding da Vinci. Sie fanden einander Dank der farbigen Punkte auf den Namensschildern. Annamaria Costalonga ist Musikjournalistin (magenta für Kulturinteressierte) und Webentwicklerin. Sie suchte gezielt nach programmierenden Frauen hier mit einem grünen Punkt gekennzeichnet. So fand sie Carole Wai Hai. Zusammen begeisterten sie sich für die Daten des Berliner Konzerthauses. Diese waren über die Vermittlung unseres Partners Prof. Jürgen Sieck, Leiter der Forschungsgruppe Informations- und Kommunikationsanwendungen der HTW, zu Coding da Vinci gestoßen. Albrecht Sensch vom Berliner Konzerthaus beschreibt sie so: gut 4000 detaillierte Einträge zu zehn Jahren Programmarbeit des Hauses. Für manch einen nur trockene Textzeilen in einer Tabelle. Für einen Data Scientist wie Carole Wai Hai ein reizvoller Ausgangspunkt für Analysen. Der Journalistin Annamaria Costalonga fielen auf Anhieb kritische Fragen zum Selbstbild des Konzerthauses ein: Wie inklusiv ist das Programm? Gibt es Vorlieben zu entdecken und wie folgt das Programm den Jahreszeiten? Möglicherweise lassen sich die Daten des Konzerthauses vergleichen mit denen anderer Programmarchive, die online verfügbar sind. Zum Beispiel über das Europeana Projekt DISMARC. Wie lassen sich die Antworten anschaulich und für das Konzerthaus förderlich visualisieren? Annamaria Costalonga und Carole Wai Hai programmieren und gestalten zusammen die Antworten in den kommenden sechs Wochen. Lassen wir uns überraschen. Auf jeden Fall brachen die beiden lachend mit ihrem Projekt “Musik Lovers” in das Abenteuer des Codens auf.

Wir sind gespannt, wohin der Wind sie und die 19 weiteren im Hackdash von Coding da Vinci bereits eingetragenen Projekte wehen wird. Sicher ist nur, dass wir sie am 02. Dezember im Jüdischen Museum zu Preisverleihung erwarten werden. Seneca steh uns bei.

Coding da Vinci – Der Kultur-Hackathon ist ein Gemeinschaftsprojekt der Deutsche Digitalen Bibliothek (DDB), der Open Knowledge Foundation Germany e. V. (OKF DE), der Servicestelle Digitalisierung Berlin (digiS) und Wikimedia Deutschland e. V. (WMDE) und ein offizieller Beitrag zum Europäischen Kulturerbejahr 2018 in Deutschland des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz (DNK).

 

Kommentare

  1. […] der Papiersammlung der UB Leipzig in Ihr Lieblingsfotomotiv zu mendeln. Drei von 24 Ideen, die am 21. Oktober zum Kick-Off von Coding da Vinci an der HTW gepitcht wurden. Im Augenblick sind es nur ein paar Zeilen Code, kleine Skizzen und ein Menge […]

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