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1 Frage – 1 Antwort, Teil 3: Was sagen Netz-Insider zur Entwicklung aktueller digitalpolitischer Themen?

Lilli Iliev

22. September 2017

Spezial zur Bundestagswahl 2017 – Wohin steuert die Politik zur Förderung des Freien Wissens?

Anlässlich der bevorstehenden Bundestagswahl schauen wir uns in der Blogbeitrag-Serie “Spezial zur Bundestagswahl” die Wahlprogramme der Parteien, Antworten auf unsere Wahlprüfsteine und Ansichten von Netz-Insidern zur politischen Gestaltung (oder Verwaltung) des Freien Wissens an.

Teil 3 – Institutionen und Öffentlich-rechtlicher Rundfunk

Ellen Euler auf der Konferenz “Das ist Netzpolitik!” 2017, Foto: Jason Krüger, CC BY-SA 4.0

Ellen Euler

…ist Informationsrechtlerin und begleitete als stellvertretende Geschäftsführerin den Aufbau der Deutschen Digitalen Bibliothek. Im Juli 2017 übernahm sie die Professur für Open Access/ Open Data an der FH Potsdam.

WMDE: Sind die öffentlichen Institutionen in Deutschland eher Treiber oder eher Bremser des digitalen Wandels?

Ellen Euler:

Das ist eine gute Frage, die sich aber schwer beantworten lässt. Wahrscheinlich sind sie eher Getriebene. Die öffentlichen Institution werden in dem was sie tun wollen häufig durch das Recht ausgebremst.

Insbesondere das Urheberrecht entscheidet darüber, was sie dürfen und was nicht. Denn als Ausschließlichkeitsrecht ermächtigt es zunächst die Rechteinhaber, also die Urheber, Verleger, Tonträgerhersteller, Filmproduzenten und Datenbankhersteller, darüber zu entscheiden, was gespeichert, digitalisiert und verfügbar gemacht werden darf.

Dem, was die öffentlichen Institutionen ohne Genehmigung der Rechteinhaber dürfen, sind enge Grenzen gesetzt. Es gibt allerdings Bereiche, in denen die Frage nach Bremser oder Treiber absolut berechtigt ist. Nämlich solche, in denen die Kulturerbe-Institutionen das Recht auf ihrer Seite haben. Da kann man tatsächlich fragen, gestalten sie hier digitalen Wandel tatsächlich progressiv? Wie gehen sie mit den Möglichkeiten der Digitalisierung um? Einerseits betrifft das die Digitalisierung von schon vorhandenem, gemeinfreiem kulturellen Wissen, andererseits den Umgang mit dem Wissen, das sie selbst schaffen und frei verfügbar machen könnten.

Viele Institutionen sind gerade erst dabei, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Es gibt Einrichtungen, die wirklich Treiber sind und sowohl eigens produziertes Wissen, als auch digitalisiertes, schon vorhandenes gemeinfreies kulturelles Wissen ganz großartig und möglichst offen und frei lizenziert verfügbar machen. Andere tun sich damit noch schwer, auch weil sie teilweise eigene kommerzielle Angebote haben. Diese haben einen Turnaround vor sich und müssen oft vollständig umdenken. Das dauert seine Zeit.

Ich denke, in der gleichen Weise, wie von der öffentlich finanzierten Wissenschaft verlangt wird, dass sie alles Wissen auch wieder frei zugänglich macht und damit die digitale Wissensallmende bereichert, sollte ganz klar auch der öffentlich finanzierte Kulturerbe-Bereich, also Archive, Museen, Bibliotheken, Mediatheken und der Rundfunk, seinen Beitrag leisten. Nur frei für alle verfügbares Wissen schafft die Voraussetzung für Innovationen, kulturellen Wandel und demokratische Erneuerungsprozesse.

 

 

Auch Leonhard Dobusch war da. Foto: Jason Krüger (Konferenz “Das ist Netzpolitik!” 2017), CC BY-SA 4.0

Leonhard Dobusch

…forscht als Professor für Betriebswirtschaft am Institut für Organisation und Lernen der Universität Innsbruck, u.a. zu transnationaler Urheberrechtsregulierung. Er ist Mitglied des ZDF Fernsehrats und bloggt regelmäßig bei netzpolitik.org.

WMDE:

Was muss passieren, damit Öffentlich-Rechtliche nicht nur bei Youtube, sondern auch bei Wikipedia sind?

Leonhard Dobusch:

Es ist ziemlich erstaunlich, dass öffentlich-rechtliche, von der Allgemeinheit finanzierte Inhalte zunehmend bei proprietären, kommerziellen Plattformen wie Youtube und Facebook auftauchen. Wenn man aber bei Wikipedia nach Inhalten sucht, z. B. nach historischen Ereignissen, etwa einer Bundestagswahl, findet man überhaupt keine Videos von öffentlich-rechtlichen Sendern.

Ich halte das für grundfalsch. Die Ursache dafür ist, dass solche Inhalte unter einer offenen Lizenz auf öffentlichen Plattformen wie Wikipedia eingestellt werden müssen. Dazu gibt es in den Anstalten, das weiß ich als Mitglied des ZDF-Fernsehrates, noch sehr unterschiedliche Meinungen. Einige können sich sehr gut vorstellen, zumindest bei Eigenproduktionen, bei denen kein Agenturmaterial verwendet wird, zum Beispiel in der Wahlberichterstattung, Inhalte offen zur Verfügung zu stellen. Es gibt aber andere, die dies zu aufwändig finden und sagen, das bringt uns nichts, die Reichweite ist zu gering, in Wirklichkeit wollen wir uns damit nicht beschäftigen. Und die haben derzeit noch das Sagen.

Ich finde, dass dies dem öffentlich-rechtlichen Auftrag widerspricht. Es ist absolut in Ordnung, dass man auf Drittplattformen wie Youtube oder Facebook präsent ist, ich finde es aber nicht in Ordnung, dass man 100 Prozent der Mittel, die man dafür zur Verfügung hat, ausschließlich für kommerzielle Drittplattformen verwendet und derzeit keine Mittel einsetzt, um Inhalte für gemeinnützige Plattformen verfügbar zu machen.

Bereits bei der Produktion der Inhalte muss mitgedacht werden, ob sich die Inhalte leicht unter einer offenen Lizenz verfügbar machen. Das muss wie selbstverständlich in die Arbeitsabläufe integriert, in die Routine eingefügt werden. Am besten sollte man Inhalte wegklicken, die nicht offen lizenziert ist, quasi offene Lizenzen als default. Zumindest im Bereich von Nachrichten und Magazin-Berichterstattung. Im Bereich von Filmen, beim Tatort, ist die Situation natürlich eine ganz andere. Wenn es um GEMA-Inhalte und Musik geht, stellen sich ganz andere und kompliziertere Fragen. Bei Eigenproduktionen ohne Fremdmaterial aber müssen freie Lizenzen zum Standard werden.

Weitere Beiträge in der Reihe:

 

Kommentare

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