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Wir fragen die Bundesregierung nach Upload-Filtern und Grundrechten

WMDE allgemein

12. September 2017

Seit fast einem Jahr läuft in Brüssel und in vielen Ländern der Europäischen Union eine rege Debatte über ein bestimmtes EU-Gesetzgebungsvorhaben: Es soll eine neue Urheberrechtsrichtlinie zum Digitalen Binnenmarkt geben. Bei uns im Blog und anderswo ist das Schlagwort dann meist “EU-Urheberrechtsreform”. Die Regierungen von sechs EU-Mitgliedsstaaten haben sich nun an den Juristischen Dienst gewandt mit der Frage, ob die in den Vorschlägen enthaltene Upload-Filter-Pflicht mit den Grundrechten der EU vereinbar sei. Deutschland scheint sich dagegen eher zurückzuhalten, obwohl man sich hierzulande gern als Wahrer von Grundrechten gibt. Wikimedia Deutschland hat daher nun den Bundesjustizminister gefragt, wie die Bundesregierung die vorgeschlagene Upload-Filter-Pflicht in Bezug auf Grundrechte einschätzt.

Konkret soll eine der Regelungen in Artikel 13 der Richtlinie, so zumindest der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission, eine Pflicht zum Einsatz von Upload-Filtern schaffen. Alle Betreibenden von Online-Plattformen wären dann verpflichtet, durch “geeignete Maßnahmen” sicherzustellen, dass urheberrechtlich geschütztes Material nur mit Zustimmung der jeweiligen Rechteinhaber bei ihnen online erscheinen kann. Im Einsatz sind solche Systeme bereits unter anderem bei YouTube. Vor allem Musik- und Filmproduktionsfirmen melden Werke bei YouTube an und können bestimmen, ob die Uploads dieser Werke blockiert oder die Firmen an den YouTube-Werbeschaltungen rund um diese Werke beteiligt werden.

Das Problem: Die Upload-Filtersysteme können weder erkennen, ob ein Werk gemäß einer urheberrechtlichen Ausnahme (genannt Schranke) auch ohne Zustimmung der Rechteinhaber erscheinen darf, etwa als Zitat innerhalb eines Erklärvideos, noch ob es aufgrund des Grundrechts der Meinungsfreiheit erscheinen darf, z.B. als Parodie. Das jeweils einzuschätzen, würde eine Abwägungs- und Bewertungsleistung erfordern, die keine künstliche Intelligenz bislang beherrscht und die auch rechtlich nicht durch Automaten durchgeführt werden darf, sondern aus gutem Grund dem Justizsystem vorbehalten ist.

Dass die Meinungsfreiheit durch Upload-Filter massiv beschränkt werden könnte wird klar, wenn man sich vor Augen hält, dass ein großer Teil der zeitgenössisch stattfindenden Kommunikation auf Internetplattformen unter Zuhilfenahme von Bildern, Memes, Videos, Zitaten oder Ausschnitten von Nachrichtenartikeln abläuft. All diese Kommunikation könnte bei automatisierter Filterung erstmal (aus urheberrechtlichen Gründen) hängen bleiben und wäre im Zweifel erst nach erfolgreicher Beschwerde bei der jeweiligen Plattform online sichtbar. Das wäre eine sehr starke Bremse für den Austausch im Netz insgesamt, wofür das Urheberrecht nicht gedacht ist und nie gedacht war. Es wird ohnehin heute schon zu oft missbraucht, um inhaltlich missliebige Inhalte aus dem Netz zu bekommen. Dafür hat sich der Ausdruck “Zensurheberrecht” gebildet.

Wikimedia Deutschland hat sich mit anderen Organisationen gemeinsam klar gegen diese Tendenzen positioniert. Sie gefährden den Informations- und Wissensaustausch insgesamt und damit auch das Freie Wissen in community-basierten Projekten aller Art.

Die Wikimedia-Projekte stehen dabei für den unserer Meinung nach besseren Weg, dem Urheberrecht zur Geltung zu verhelfen: So arbeitet die die Wikipedia seit Jahren mit dem erfolgreich praktizierten Ansatz, das Abstellen von Rechtsverletzungen in die Hände von erfahrenen Freiwilligen, die die erforderlichen Abwägungen vornehmen und mit Betroffenen kommunizieren können. Mit den Upload.Filtern dagegen wird letztlich eine grundsätzliche Abkehr vorgeschlagen von dieser Art Take-Down-Ansatz, bei dem rechtsverletzende Inhalte nachträglich beseitigt werden, hin zu einer Art “Not-even-get-visible”-Regime, bei dem viele rechtmäßige Nutzungen gar nicht oder erst nach erfolgreicher Beschwerde im Netz erscheinen würden.

Dass das zu weit gehen könnte vor dem Hintergrund, dass die Meinungsfreiheit ein Grundrecht nicht nur nach dem Grundgesetz, sondern auch nach der EU-Grundrechte-Charta ist, sehen nicht nur wir so. Sechs Regierungen von EU-Mitgliedsstaaten haben den Juristischen Dienst des Rates der EU, also “ihrer” EU-Institution nach der Grundrechtsverträglichkeit der Upload-Filter gefragt. Deutschland ist nicht in der Gruppe dieser Regierungen, obwohl es bekanntlich zu den beliebtesten Profilierungsfeldern deutscher Politik zählt, die Grundrechte zum wichtigsten Maßstab zu erklären. In seiner Rolle als Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens hat Wikimedia Deutschland daher heute Bundesjustizminister Heiko Maas per Brief gefragt, wie die Bundesregierung die Sache einschätzt.

Wir sind auf die Antwort gespannt, über die wir natürlich ebenfalls berichten werden.

Kommentare

  1. […] Blogbeitrag: Wir fragen die Bundesregierung nach Upload-Filtern und Grundrechten […]

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