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Wissen austauschen bei der “Sharing is Caring Extension” in Hamburg

John Weitzmann

5. Mai 2017

Logo für die Satelliten-Veranstaltungen der “Sharing is Caring”, nicht freigegeben aber verwendet mit freundlicher Erlaubnis des Statens Museum for Kunst und des MMEx – Museernes Videncenter for Digital Formidling, Dänemark

Mit finanzieller und programmatischer Unterstützung von Wikimedia Deutschland fand am 20. und 21. April in Hamburg die Tagung “Sharing is Caring” statt. Sie richtete sich vor allem an Mitarbeitende öffentlicher Museen und anderer Gedächtnisinstitutionen. Das kulturelle Erbe ist für uns im Zugang häufig auf kleine Ausschnitte limitiert. Digitale Verfügbarkeit auf der ganzen Welt und Nachnutzbarkeit für alle ist eine Chance für Nutzende, Institutionen und vergessen geglaubte Kunstwerke gleichermaßen. Im Rahmen der Tagung hatten die Teilnehmenden die Gelegenheit, in Workshops Erfahrungen rund um Digitalisierung auszutauschen und Strategien für die Zukunft zu entwickeln. Ein Beitrag von Barbara Fischer und Anke Obendiek.

von Sharing is Caring – Hamburg Extension Stella Bandemer/Olivia Stracke (Conference Sharing is Caring – Hamburg Extension) [CC BY 4.0], via Wikimedia Commons

Vorletzte Woche fand die erste Sharing is Caring Extension in Hamburg statt – und wir waren als Mitveranstalter auch mit aktiven Programmteilen beteiligt. Sharing is Caring ist ein Vernetzungstreffen für Vertreter aus Forschung und Praxis der Kulturwelt, wie Museen, Archive, Bibliotheken, aber auch zivilgesellschaftliche Akteure, IT- und Kreativfirmen und Kulturinteressierte ganz allgemein, die Interesse an verbessertem Zugang zu kulturellem Erbe haben. Unter dem Titel der Tagungsreihe “Sharing is Caring”, bereits 2011 in Kopenhagen ins Leben gerufen, traf man unter dem Motto “Building Connectivity through Cultural Heritage” zum ersten Mal außerhalb von Dänemark zusammen. Wir von Wikimedia Deutschland setzen uns dafür ein, kulturelles Erbe für alle Menschen digital nutzbar zu machen. Obwohl es im Bereich GLAM (Galleries, Libraries, Archives and Museums) schon viele Fortschritte gab, sind die Herausforderungen groß. Daher unterstützen wir Institutionen beim Umdenken und bieten auch aktive Unterstützung bei der (Nach)Nutzbarmachung digitaler Bestände.

Organisiert von Dr. Antje Schmidt vom Hamburgischen Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) und Prof. Gertraud Koch von der Universität Hamburg, begann die Veranstaltung am Donnerstag in den Räumen des MKG. Dort konnten die Teilnehmenden zunächst auf eigene Faust mit der Audiotour-App “Im Sog der Zeit” oder in geführten Rundgängen auf Entdeckungstour gehen. Im Spiegelsaal des MKG wurde die Veranstaltung mit Grußworten unter anderem von Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien in Hamburg, und der Initiatorin von Sharing is Caring in Kopenhagen, Merete Sanderhoff (Statens Museum for Kunst, Kopenhagen) eröffnet. Alle machten deutlich: Es geht voran, aber der Weg ist noch weit. Fragen nach rechtlichen Hürden müssen ebenso beantwortet werden wie Fragen nach Partizipation und echter Beteiligung verschiedener Bevölkerungsgruppen im Sinne einer cultural citizenship. Das Motto von Mere Sanderhoff “think big, start small, move fast” prägte nicht nur an diesem Abend die Debatte. Im Anschluss folgte der Kurzfilm “The Other Nefertiti”, der die kontroverse Aktion der Künstler Nora Al-Badri und Jan Nikolai Nelles zeigte, während derer sie heimlich einen 3D-Scan der berühmten Nofretete-Büste in Berlin anfertigten und die gewonnenen Daten der Öffentlichkeit zur freien Nachnutzung zur Verfügung stellten.

von Sharing is Caring – Hamburg Extension Stella Bandemer/Olivia Stracke (Conference Sharing is Caring – Hamburg Extension) [CC BY 4.0], via Wikimedia Commons

Den Freitag eröffneten in der Universität Hamburg Keynotes von Prof. Simon Tanner (King’s College, London) und Andrea Wallace (Anwältin und Künstlerin). In Workshops wurden danach ein breite Palette an Themen besprochen: Von konkreten Schritten zur Vorgehensweise über Nachnutzung von kulturellem Erbe bis hin zur Herausforderung von Social Media und zur Frage, wie man überhaupt andere dazu bringt, ihre Meinung zu ändern. Wir waren am Freitag mit Kamera-Ausrüstung vor Ort, um Interviews für die neu entstehende Videoreihe “GLAM on Tape” zu führen. Darin sollen die Pionierinnen und Pioniere aus Gedächtnisinstitutionen erläutern, wie sie ihre verschiedenen Leuchtturmprojekte gegen verschiedenste Widerstände realisieren konnten. Auf diese Weise soll ihr Wissen auch anderen zugänglich gemacht werden, die vor vergleichbaren Herausforderungen stehen, wenn es darum geht, das kulturelle Erbe zugänglich zu machen. Die Videos der Reihe gibt es demnächst auf Wikimedia Commons, weitere Infos und Links demnächst hier im Blog.

Change your mind!

Großen Zuspruch fand auch in Hamburg das Rollenspiel “©© Change Your Mind” zum Urheberrecht in GLAM-Institutionen. Gemeinsam mit Dr. Ellen Euler von der Deutschen Digitalen Bibliothek haben wir Mitarbeiter aus 15 Einrichtungen eingeladen, sich intensiv und anhand von konkreten Beispielen mit ihren Handlungsoptionen im Feld des Freien Wissens auseinanderzusetzen. Trotz der komplexen Materie wurde deutlich: Freie Lizenzen sind viel öfter anwendbar, als man glaubt. Der wichtigste Schritt erfolgt tatsächlich im eigenen Kopf. Change Your Mind! Dieses Credo galt auch in dem von WMDE angeregten Workshop von Karin Glasemann (schwedisches Nationalmuseum) und Antje Theise (Staatsbibliothek Hamburg). Sie zeigten gemeinsam auf, wie man mit Beharrlichkeit und in der Zusammenarbeit mit Partnern wie Wikimedia in der eigenen Institution Schritt für Schritt die Haltung zu #openGLAM wenden kann.

Was die Konferenz ganz deutlich machte: Viele Ängste, die im Zusammenhang mit openGLAM existieren, werden durch die Erfahrungen von Institutionen, die sich digital geöffnet haben, nicht bestätigt. Im Gegenteil, Kunst wird dann interessant, wenn wir uns mit ihr beschäftigen, wie Merete Sanders richtig bemerkte: Ins Louvre gehen Besucher nicht, obwohl sie das Bildnis der Mona Lisa schon gesehen haben, sondern gerade weil sie es kennen. Das enorme Potenzial und Interesse, das sich aus der Nutzbarkeit von sonst in verschlossenen Räumen lagernden Kunstwerken ergibt, zeigte sich am anschaulichsten am Kleid von Andrea Wallace, das mit Pixeln eines frei verfügbaren Stilllebens aus dem 17. Jahrhundert bedruckt war, wurde aber zum Beispiel auch durch Antje Theises Berichte über die Hilfestellung in der Provenienzforschung durch digitale Zugänglichkeit und Beschreibungen über die Kunstvermittlung mithilfe der Online-Plattform Europeana deutlich. Der freie Zugang zu kulturellem Erbe schafft für viele Menschen erst ein Bewusstsein für dessen Bedeutung. Daher müssen Kulturinstitutionen auch in Zukunft in Zusammenarbeit mit Zivilgesellschaft und öffentlichen Stellen daran arbeiten, diesen Zugang für alle zu ermöglichen.

Interessiert?

Mehr Eindrücke aus Hamburg gibt’s über #sharecarex auf Twitter und auf MediumAnmeldungen für die Extension in Brüssel am 20. Juni und das Hauptevent in Aarhus vom 19.-21. November 2017 sind hier möglich. Näher dran und ebenfalls zum Thema Verantwortung für kulturelles Erbe: die Konferenz Zugang gestalten! am 19. & 20. Oktober 2017 in Frankfurt.

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