Wikipedia zu Gast in Greifswald
Auf den Spuren von Caspar David Friedrich – Eindrücke von einer besonderen GLAM on Tour in Greifswald
Patrick Wildermann
20. November 2024
In der freien Mediensammlung Wikimedia Commons finden sich seit diesem Jahr Fotos von einigen der imposantesten Werke des Malers Caspar David Friedrich. „Das Eismeer“ zum Beispiel. Oder die „Abtei im Eichwald“. Zu verdanken ist das einem Themenschwerpunkt der GLAM-Veranstaltungen 2024, der dem berühmten Romantiker gewidmet ist. Mit den GLAM-Formaten bringt Wikimedia Deutschland die Ehrenamtlichen der Wikimedia-Projekte regelmäßig in Kontakt mit Kulturinstitutionen – und verschafft ihnen auch Einblicke hinter die Kulissen, die etwa andere Ausstellungsbesucher*innen nicht bekommen.
Im Jubiläumsjahr zum 250. Geburtstag von Caspar David Friedrich begann die Veranstaltungsreihe mit einer Wikipedianischen KulTour in Berlin, wo in der Alten Nationalgalerie die Ausstellung „Unendliche Landschaften“ besucht wurde. Jetzt ging es für elf Wikipedianer*innen für ein Wochenende nach Greifswald – in die Geburtsstadt des Künstlers also, die ihn zu einer Vielzahl von Gemälden inspirierte, wie zu erleben in der Sonderausstellung „Heimatstadt“ des Pommerschen Landesmuseums.
Während der zweitägigen Tour haben die Ehrenamtlichen umfangreiches Wissen gesammelt und hunderte Fotos gemacht. All das wird jetzt für Wikipedia-Artikel aufbereitet.
Engagement auf allen Seiten – „Was wir schon immer mal wollten“
Eine Besonderheit dieser GLAM on Tour-Station: Nicht nur das Museum, auch die Universität Greifswald und die Domgemeinde St. Nikolai stellten sich dafür mit ihren jeweils eigenen Kunstsammlungen als Kooperationspartner zur Verfügung. „Dieser Dreiklang der Institutionen spiegelt die organisierte Zivilgesellschaft in Greifswald bestens wider, die uns willkommen geheißen hat“, findet Holger Plickert, der zusammen mit Christoph Jackel die Veranstaltung für Wikimedia Deutschland organisierte und begleitete.
„Die Anfrage, Mit-Gastgeber der GLAM on Tour zu sein, rannte offene Türen bei Kustodie und Wissenschaftskommunikation der Universität Greifswald ein“, beschreibt der Leiter der Kustodie, Dr. Thilo Habel: „Das Angebot war eines aus der Rubrik ‚was wir schon immer mal wollten‘.“
Ein Engagement, das auch die Ehrenamtlichen vor Ort wahrnahmen: „Sowohl die Mitarbeiter des Museums, als auch die der Universität und der Superintendent brennen für ihre Sache und haben es geschafft, alle mitzureißen“, so die Wikipedianerin Artessa.
Besondere Momente im Museum für Wikipedia-Aktive
Auch die Wikipedianerin Geolina163 lobt: „Die GLAM-Veranstaltung in Greifswald war für mich wohl eine der inspirierendsten der vergangenen Jahre. Das hochkarätige und vielseitige Programm hätte gut für die doppelte Zeit ausgereicht.“
Am ersten Tag bekamen die Wikipedia-Ehrenamtlichen zwei Exklusivführungen im Pommerschen Landesmuseum, sowohl durch die Dauerausstellung der Institution, als auch durch die Sonderausstellung „Heimatstadt“ mit Werken von Caspar David Friedrich. „Den innigsten Moment des Wochenendes hatte ich am Samstag kurz vor Schließung des Museums, ganz allein in den Räumen mit den wunderbaren und vielschichtigen Bildern des Malers“, schwärmt Geolina. „Erstaunlich, wie viele der Ansichten man heute noch in Greifswald am Hafen und im Ortsteil Eldena entdecken kann.“
Wikipedianer Wuselig erzählt: „Ich fand es auch faszinierend, was das Landesmuseum neben der Sonderausstellung noch alles zu bieten hatte“. Zum Beispiel historische Karten des vormaligen Herzogtums Pommern, die er in Detailausschnitten abfotografiert hat – die Bilder sind teilweise schon auf Commons hochgeladen. „Ich versuche Ausstellungen stets vom ersten bis zum letzten Bild zu dokumentieren, sofern sie gemeinfrei sind“, beschreibt Wuselig seinen Anspruch. „In Greifswald habe ich aufgrund der Fülle nur das Untergeschoss geschafft.“ Sein Wunsch: „So eine GLAM-Veranstaltung sollte keine einmalige Sache sein. Das schreit nach mehr!“.
Offene Türen und spektakuläre Fenster
Überhaupt fanden viele der Entdeckungen, die abseits der Caspar David Friedrich-Pfade zu machen waren, großen Anklang bei den Teilnehmenden. Typisch für eine GLAM on Tour: Vor Ort öffnen sich oft unerwartete Türen, ergeben sich überraschende Fotogelegenheiten, lässt sich Wissen sammeln, mit dem auch bestehende Wikipedia-Artikel erweitert werden können – in diesem Fall etwa zur Greifswalder Universität, dem Dom St. Nikolai oder generell zur Pommerschen Landesgeschichte.
Am zweiten Tag wurde die Gruppe über den historischen Gebäude der Universität geführt und konnte sowohl den noch gut erhaltenen Karzer, als auch die historische Aula des Gebäudes besichtigen. „Sogar die Sammlungsräume des Kustos, mit einer Auswahl von Zeichnungen des Paläontologen Otto Jaekel und wertvollen Fischerteppichen, durften besucht werden“, erzählt Geolina. Ihr absolutes Highlight im Greifswalder Dom wiederum: „Die neuen, spektakulären Ostfenster des Künstlers Ólafur Elíasson, farblich angelehnt an das Gemälde ‚Huttens Grab‘ von Caspar David Friedrich.“ Die Wikipedianerin hofft, dass Elíasson die Genehmigung dafür erteilt, dass auch diese Bilder Eingang in Wikimedia Commons finden können.
Als „geradezu euphorisierend“ erlebte Dr. Thilo Habel „die große Spannbreite an Interessensschwerpunkten der Teilnehmenden, mit Gesprächen über Gipse, Gemälde, digitale Objekterschließung, Provenienzen, Restitutionen, Pflanzensystematik und Kulturpolitik der DDR… – jedenfalls genug, um neue Anknüpfungspunkte in der Zukunft zu finden.“
Inspirierende Einblicke ins Wikiversum
Umgekehrt ließen sich auch die Vertreter*innen der Kulturinstitutionen in Greifswald von den Haupt- und Ehrenamtlichen mit großem Interesse ins Wikiversum einführen. „Ich konnte viel über die Wikimedia-Projekte lernen und freue mich darauf, dieses neue Wissen anzuwenden“, so Pauline Kudell, Wissenschaftliche Volontärin am Pommerschen Landesmuseum.
Auch Florian Krüger, Koordinator des Begleitprogramms und freiberuflicher Guide, empfand die GLAM on Tour als bereichernd. Zum einen, „weil ich ein paar der Menschen kennenlernen konnte, die hinter Wikipedia stecken, die mit einiger Motivation und Interesse in die Themen geblickt haben, für die ich mich auch begeistere, und damit Wissen und Anregungen in den Rest der Welt weitertragen können – was in unserer eher dünn besiedelten Region oft schwierig ist. Zum anderen, weil ich Einsichten erhalten habe, die für meine Betätigung in der Wikipedia oder für Wikipedia Commons grundlegend sind und mir so einen eigenen Start ins Wikiversum ermöglicht haben.“
„Wir freuen uns sehr über diese produktive Zusammenarbeit mit Wikimedia, der Universität Greifswald und dem Dom St. Nikolai“, zieht Pressesprecherin Julia Kruse Bilanz und blickt in die Zukunft: „Beim gemeinsamen Abendessen entstanden schon viele neue Ideen für mögliche weitere Kooperationen!“
Zurück mit 5 Kilo Büchern und 700 Fotos
Zuerst gilt es natürlich, die in Greifswald gewonnenen Eindrücke in Wikipedia und Wikimedia Commons zu überführen. Keine leichte Aufgabe, wie Geolina beschreibt: „Zurück mit fast 5 Kilogramm Büchern stellt sich die Frage, wo mit der Artikelarbeit anfangen? Bei den Biografien der Museumsdirektor*innen, dem Großfindling, der KPM-Prunkvase aus der Dauerausstellung oder mit dem Friedrich-Bild der Höhle aus dem Harz, die ich sehr gut kenne? Am umfangreichsten wird aber sicherlich der Artikel über das Ostfenster im Dom. Oder doch erst die fast 700 Fotos sortieren und bearbeiten? Es ist nur bedauerlich, dass der Tag nur 24 Stunden hat und man nebenbei auch noch die Brötchen verdienen muss.“
Lust, mehr zu erfahren?
Auch das Pommersche Landesmuseum hat einen Bericht zum Besuch der Wikipedianer*innen veröffentlicht. Diesen können Sie hier lesen.
Hier finden Sie eine Übersicht über vergangene und anstehende GLAM on Tour-Veranstaltungen sowie alle Informationen rund um das GLAM-Projekt von Wikimedia Deutschland in Kooperation mit Galerien, Archiven, Bibliotheken und Museen, die sich dem Freien Wissen öffnen. Inklusive Terminkalender!
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