Tja. Das größte Problem mit ACTA ist, dass der Vertragstext mit seinen schwammigen Formulierungen kaum richtig zu greifen ist. Man kann viel hineinlesen oder auch wenig. Vorerst ist eine Sache der Interpretation (oder aber der intimen Kenntnis der entsprechenden Verhandlungsprotokolle, die nie offiziell veröffentlicht wurden), ob das Abkommen nun auf der bekannten Klaviatur der restriktiven Maßnahmen bei z.B. Urheberrechtsverletzungen spielt oder ein völlig neues Niveau der Rechtedurchsetzung gleichsam “auf dem kurzen Dienstweg” etablieren will. Offensichtlich ist aber, dass ACTA die Access Provider stärker in die Mitverantwortung nehmen will, ihr Haftungsprivileg soll fallen. Zwar werden im Art. 27 vorsorglich “principles such as freedom of expression, fair process, and privacy“ genannt. Letztlich wird es jedoch stark darauf ankommen, ob diese Prinzipien bei der konkreten Umsetzung in EU-Recht oder nationales Recht auch Anwendung finden.
Eine besonders kritische Analyse legte La Quadratur Du Net vor. Die netzpolitische NGO nennt ACTA schlicht “eine globale Blaupause für repressive Gesetze ähnlich wie SOPA.” Nach ihrer Einschätzung geht es bei dem Abkommen im Kern um eine Privatisierung der Rechtsdurchsetzung. Demnach sollen Internet Service Provider künftig zu einer Kooperation mit den Content-Industrien verpflichtet werden, um den Datenverkehr auf Internet-Plattformen proaktiv zu überwachen und ggfs. zivil- oder strafrechtliche Ansprüche zu ermöglichen. Eine richterliche Anordnung (wie bei der in Deutschland noch heiß diskutierten Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung) wird nach Art. 12 von ACTA dazu nicht mehr erforderlich sein, d.h. Maßnahmen wie z.B. die Sperrung inkriminierter Seiten können ohne vorherige Anhörung der Betroffenen angewandt werden. Dazu kommt: Um Rechtsverstöße überhaupt konsequent ahnden zu können, würden im schlimmsten Fall Filtertechniken bis hin zu “deep packet inspection” zum Einsatz kommen. Folgt man diesem düsteren Szenario, wäre dies in der Tat das Ende des zugangsoffenen Internets bzw. eine völlige Abkehr vom Prinzip der Netzneutralität, an der auch “User Generated Content”-Projekten wie Wikipedia gelegen sein sollte.
Zumindest etwas klarer als die Umsetzung von ACTA ist das verbleibende Zeitfenster, das bis zum endgültigen Inkrafttreten des Abkommens bleibt. ACTA muss bis 2013 von mindestens sechs Verhandlungspartnern ratifiziert werden. Die Unterschrift unter den Vertragstext von 22 EU-Mitgliedsstaaten (Ausnahmen bildeten z.B. Deutschland und die Niederlande) am 26. Januar 2012 bedeutete zunächst einmal nur die formale Zustimmung über den Gehalt und Regelungsrahmen des Abkommens. Eine rechtlich bindende Wirkung hatte dieser deklaratorische Akt noch nicht. Erst nach einem erfolgreichen Ratifizierungsprozess in den Mitgliedsstaaten kann die Umsetzung in nationale Gesetzgebung erfolgen. Nun kommt es auf das Europaparlament an, in dem bei ACTA das “International Trade Committee” (INTA) federführend ist. Bei der nächsten Sitzung des Gremiums (29. Februar) wird voraussichtlich eine Empfehlung der Obleute erarbeitet, an die sich die Fraktionsgemeinschaften weitestgehend halten dürften. Eine endgültige Abstimmung aller EP-Abgeordneten über die Ratifizierung ist nach derzeitigem Stand Mitte Juni möglich. Für den 11. Februar ist – nach dem Vorbild der polnischen Massenproteste – ein bundesweiter Aktionstag angekündigt. Eine internationale Petition gegen ACTA kann hier unterzeichnet werden.
[…] der entscheidenden Phase des parlamentarischen Prozesses zu ACTA vor allem darum, unsere bereits im Januar und Februar öffentlich gemachten Bedenken nochmals zu unterstreichen. Die Erfahrung des Winters […]
Trotz der “vorläufigen Aussetzung” der ACTA-Unterzeichnung durch die Bundesregierung und der Ankündigung der EU-Kommission, ACTA dem Europäischen Gerichtshof zur Prüfung vorzulegen, finden am Sonnabend, 25.2.2012 international erneut Demonstrationen gegen ACTA statt – auch in mehr als 50 Städten in Deutschland.
Eine Übersicht bietet die Liste unter http://wiki.stoppacta-protest.info/DE:Uebersicht_Demos2
[…] Einen Überblick vom 31.01.2012 mit weiterführenden Links findet ihr mitunter hier. […]
[…] hier bereits berichtet, gibt ACTA materiellrechtlich nicht allzu viel her. Aber es ist wird von vielen […]
[…] Blog: ACTA in Aktion: Unschärfe als Prinzip […]
[…] at the German Wikimedia chapter, seemed to have encountered similar difficulties and has also blogged about it (German only). His bottom line: ACTA represents the ‘principle of fuzziness’. And I […]
[…] Hier der ganze Artikel […]
Ein Protest von Berliner Wikipedianern und Wikimedianern wird hier geplant: https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia_Diskussion:Berlin#ACTA-Protest_am_11._Februar.2C_13_Uhr.2C_Neptunbrunnen
[…] als eine Vorstufe dazu gelten. Näheres zum Hintergrund von ACTA und der Formierung des Protests schrieb Jan Engelmann bereits gestern im […]
[…] Einen Überblick vom 31.01.2012 mit weiterführenden Links findet ihr mitunter hier. […]
[…] https://blog.wikimedia.de/2012/01/31/acta-in-aktion-unscharfe-als-prinzip/ […]
Die Demonstrationen wecken einige Hoffnungen, dass ACTA vielleicht durch schiere Präsenz auf den Straßen gekippt werden könnte aber die Frage bleibt, ob bis dahin wirklich genug Menschen mobilisiert sein werden.
[…] » ACTA in Aktion: Unschärfe als Prinzip Veröffentlicht am 31. Januar 2012 von marcus Wikimedia Blog » Blog Archive » ACTA in Aktion: Unschärfe als Prinzip Bereits seit 2008 wird ACTA (Anti-Counterfeiting and Trade Agreement, auf deutsch ungefähr: […]