Bereits am Abend zuvor konnten einige von uns in geselliger Kennenlern-Runde Berührungsängste und Lampenfieber etwas abbauen. Endlich konnte ich aus erster Hand (sic!) ein paar Gebärdensprach-Vokabeln lernen (Na, wie geht „Wikipedia“?) und erfahren, dass sich mit Spracheingabe-Software auch Perlcode programmieren lässt.
Aber zurück zum Workshop: Nachdem wir gemeinsam mit „meinen“ Experten für eine angenehmere Tischanordnung gesorgt hatten, damit wir uns auch anschauen konnten, änderten wir zum Einstieg kurzerhand auch noch den Workshoptitel, da wir uns einig waren, dass das Wort „kollaborativ“ schon die erste Barriere des Tages war. Vier Gebärdendolmetscherinnen (zwei fürs Publikum, zwei für Nicole) wechselten sich beim Übersetzen ab. Meine Sorge, dass meine Steno-Sprechweise ihnen zuviel wurde, stellte sich bald als unbegründet heraus.
Die Einstiegsfrage „Und, wer von Ihnen hat denn schon einmal Wikipedia genutzt und ist dabei auf Barrieren gestoßen“ löste unter den rund dreißig Teilnehmern im Publikum eine lebhafte Diskussion aus, so dass die folgenden zwei Stunden wie im Flug vergingen. Interessanterweise (wenn auch nicht wirklich überraschend) ging der Tenor der Verbesserungsvorschläge vor allem in Richtung Verständlichkeit: Die Texte der Wikipedia seien oftmals zu kompliziert oder unverständlich. Inhaltliche Zugänglichkeit wurde erheblich höher gewertet als technische; die Meinungen über den tatsächlichen Beitrag der Technik an Barrierefreiheit gingen zwar auseinander (von „30%“ bis „viel mehr“), aber man war sich einig, dass in Projekten wie Wikipedia vor allem Autoren sensibilisiert und motiviert werden müssen, die Zugänglichkeit für ihre Leser zu verbessern (und dieser Satz war mal wieder viel zu lang).
Auch zum „Wie“ konnten wir einige Anregungen mitnehmen. Als kleines Fazit haben wir u.a. festhalten:
- Die Feedback-Wege, z.B. zum Melden einer Barriere, müssen kürzer werden.
- Motivation: Es muss einfach Spaß machen, Wikipedia zugänglicher zu machen. Barrierefreiheit muss sexy sein!
- Bei Neuentwicklungen muss Barrierefreiheit von Beginn an eingeplant werden – hinterher ist es immer schwieriger.
- Verständlichere Sprache: Autoren können z.B. auch geschult werden, mir fällt dazu ein: Schreibworkshops veranstalten, Wettbewerbe durchführen, Bapperl verteilen…
Der Rest des Tages war angefüllt mit einer Fülle an Gesprächen und neuen Kontakten, so dass die meisten von uns sich am Abend völlig überdreht und müde auf den Weg nach Hause machten.
Ich bedanke mich auf diesem Weg ganz herzlich bei der Aktion Mensch für die Chance, an dieser Tagung aktiv teilnehmen zu dürfen und kolla-bor-a-dingens vielleicht die eine oder andere Idee für die Verbesserung der Wikipedia mitentwickeln zu dürfen.
P.S.: Nein, eine durchgängig etablierte Gebärde für „Wikipedia“ gibt es wohl noch nicht. In Österreich gebärdet man einen Wikinger (zwei Hörner am Kopf), unsere Dolmetscherinnen im Workshop benutzen die Gebärde für „Puzzle“ wegen des Logos, was mir rein optisch und auch von der Idee her gut gefiel. Mein Begriffsbildungs-Versuch, etwas mit der Gebärde für „Enzyklopädie“ zu machen, hat sich zumindest an diesem Tag nicht durchgesetzt ,-)
P.P.S.: Michael Jendryschiks Eindrücke finden sich in diesem Artikel, und aus der Teilnehmerperspektive schreibt Robert Lender in seinem Blogbeitrag.
[…] Robert Lender hat den Workshop in einem Blog-Eintrag inhaltlich zusammengefasst. Auch Elke hat den Workshop aus ihrer Sicht beschrieben: Wer macht kollaborative Mitmach-Websites barrierefrei? […]
Danke für den netten Beitrag! Ich bin auch gerade dabei, etwas in mein Blog zu schreiben. :-)
Hat Raimond viele Fotos gemacht? Kannst du mir die vielleicht irgendwie zukommen lassen?
genau daran hatte ich auch schon gedacht…
Hmm – Workshop im Oktober/November in Köln, Barrierefreiheit als Modul 1, Kartenwerkstatt als Modul 2 – und die weiteren Module werden via der Ideen in den nächsten Tagen bestückt ;O)
Ich glaube, daß viele von uns sehr nah am Thema dran sind und viel für selbstverständlich halten, was für den Leser schon weit, weit weg ist. Wir haben einige Leute kennen gelernt, die sich mit einfacherer Sprache befassen und auch Seminare geben, da bleiben wir auf jeden Fall dran. Auch das ist kollaborativ möglich: es gibt Kompetenz für wissenschaftliche Zusammenhänge, und es gibt Kompetenz, diese Zusammenhänge verständlich aufzubereiten. Das muss nicht zwangsläufig die gleiche Person sein, dafür sind wir ja Wikipedia :-)
Spannend – und wie weiter? Die Idee mit einem Schreibworkshop für Autoren gemeinsam mit Experten für Barriereabbau fände ich spannend, da ich genau zu den Menschen gehöre, die immer zwei Kommata pro Satz nutzen.
Mir erschliesst sich aber leider auch nach langem Nachdenken nicht, wie ich Zusammenhänge, die schon für den Normalnichtfachmann mit Abitur/Studium schwierig sind, noch weiter runterbrechen könnte. Wenn mir jemand das am Beispiel [[Philadelphia-Chromosom]] erklären könnte, wäre ich schon einen ganzen Schritt weiter. In der Regel geht mit einer Vereinfachung der Sprache der Erfahrung nach häufig auch die Korrektheit flöten, da wissenschaftliche Sprache auf Präzision fixiert ist und durch einfachere Satzkonstrukte/Wortwahl und Umschreibung nicht selten in dieser verfälscht wird. Gruß, Achim