Digitale Selbstbestimmung
Warum Freie Software wichtig ist – und wie wir alle davon profitieren


Zarah Ziadi
25. September 2025
Das digitale Leben – bequem, aber nicht ohne Haken
Die digitale Welt macht vieles leichter: Texte schreiben, Bilder bearbeiten, Filme streamen – heute ist alles mit ein paar Klicks möglich. Doch so schön das klingt: Hinter der glänzenden Oberfläche lauern Fallstricke.
Große Tech-Konzerne wie Google, Meta oder Microsoft machen es uns bequem. Alles funktioniert reibungslos, alles sieht hübsch aus. Doch der Preis dafür ist hoch:
- Unsere Daten werden gespeichert und weiterverwertet oder verkauft.
- Algorithmen bestimmen, was wir sehen – und bleiben dabei eine Blackbox.
- Cookies und Zwangsupdates machen uns das Leben schwer.
- Alte Geräte werden künstlich entwertet.
- Und am Ende sind wir abhängig: Wer keine Alternativen kennt, ist Big Tech zunächst ausgeliefert.
Die gute Nachricht: Es gibt einen Ausweg: Freie Software – offen, transparent, oft kostenlos. Und vor allem: Sie ist dafür gemacht, uns Menschen zu dienen und nicht den kommerziellen Interessen großer Konzerne.
Was genau ist eigentlich Freie Software?
Freie Software umfasst weit mehr als ein paar kostenlose Programme – sie ist eine Bewegung. Entstanden in den 1980er-Jahren, als der Programmierer Richard Stallman ein frustrierendes Erlebnis hatte: Der Drucker in seinem Labor war kaputt, er hätte den Fehler im Code beheben können – doch der war verschlossen. Aus dieser Erfahrung entstand 1983 das GNU-Projekt. Wenig später gründete Stallman die Free Software Foundation und legte damit den Grundstein für die Bewegung.
Die Idee dahinter ist simpel und gleichzeitig revolutionär: Software soll uns nicht einschränken. Sie soll uns allen gehören. Jeder Mensch soll sie nutzen, verstehen, verändern und teilen können – allein oder gemeinsam.
Und der Erfolg spricht für sich: Heute sind viele Bausteine des Internets ohne freie Software undenkbar. Das berühmte Betriebssystem Linux läuft auf den meisten Servern der Welt. Firefox ist ein freier Browser, und unzählige Anwendungen aus der Freien-Software-Welt bestimmen unseren Alltag.

Lydia Pintscher ist Wikidata Portfolio Lead bei Wikimedia Deutschland. Diese Blogreihe entsteht unter anderem in Zusammenarbeit mit ihr und anderen klugen Köpfen aus der Wikimedia Deutschland Software-Abteilung. Pintscher ist eine Freie Software-Enthusiastin, Gewinnerin des European Open Source Award 2025 und engagiert sich unter anderem auch als Vizepräsidentin beim KDE e. V., einem gemeinnützigen Verein für Freie Softwareentwicklung.
Für sie ist Freie Software ein entscheidender Baustein, der Chancengleichheit und Verbesserung von Lebensrealitäten ermöglicht.
Im Kern geht es um Haltung: Freie Software bedeutet digitale Selbstbestimmung.
Freie Software ist kein Selbstzweck. Sie ist ein Werkzeug, damit wir alle unsere digitale Zukunft selbst gestalten können – gemeinsam, offen und fair.Lydia Pintscher
Warum wir über Freie Software schreiben
Wikimedia Deutschland unterstützt die Wikipedia-Community bei der Entwicklung von MediaWiki, der Software, mit der Wikipedia läuft. Mit Wikibase und Wikidata treiben wir die Infrastruktur für freie Wissensdatenbanken voran, die eine wichtige Grundlage für die weitere Verwendung von Daten bilden. Unsere Haltung: Technik soll Menschen stärken und sie nicht kontrollieren. Deshalb wollen wir unseren Leser*innen mit dieser Blogreihe zeigen, dass es Alternativen gibt.
Freie Software ist keinesfalls nur etwas für Nerds oder Spezialist*innen – alle können davon profitieren. Alles, was man dafür braucht, ist ein bisschen Neugier und Lust, Neues auszuprobieren.
Was ist der Unterschied zwischen Freier Software und Open Source
In der Welt der Software begegnen uns oft zwei Begriffe: Freie Software und Open Source. Beide meinen Programme, deren Baupläne offen liegen. Der Unterschied liegt in der Haltung: Freie Software stellt die Freiheit der Nutzer*innen in den Mittelpunkt – nutzen, verstehen, verändern, teilen. Open Source betont eher die praktischen Vorteile – viele Augen machen eine bessere Software. Es gibt auch noch den Begriff „FOSS“ (Free and Open Source Software). Das ist eine Abkürzung, die beide Seiten verbindet und meistens zutrifft. Wir haben uns in diesem Blog für den Begriff Freie Software entschieden, weil wir vor allem die Idee der digitalen Selbstbestimmung betonen wollen.
Deshalb lohnt sich Freie Software
Natürlich ist Freie Software nicht immer perfekt. Manche Tools wirken auf den ersten Blick etwas schlichter als die schicken Hochglanzprodukte großer Konzerne. Und manchmal braucht es einen Moment, bis man sich an neue Abläufe gewöhnt. Aber genau das macht den Charme aus: Hier steckt kein großes Marketing-Budget dahinter, sondern ganz viel Herz. Und nicht zu vergessen, die vielen Vorteile, die Freie Software bietet:
- Datenschutz: keine heimliche Datensammlung, keine kommerzielle Verwertung. Niemand scannt Nachrichten oder wertet still im Hintergrund Verhaltensweisen aus. Daten bleiben privat – Punkt.
- Unabhängigkeit: keine Bindung an einen Konzern, der Zwangsupdates diktiert.
- Community-Support: In der Freien-Software-Welt helfen Menschen in Foren, Wikis oder Chatgruppen – oft schneller und freundlicher, als man es von kommerziellen Hotlines kennt.
- Langlebigkeit: Freie Software ist schlanker und ressourcenschonender. Sie läuft deshalb oft auch auf älteren Geräten flüssig. Während andere schon den dritten Laptop kaufen, funktioniert ein altes Gerät mit Linux immer noch zuverlässig. Das ist gut für den Geldbeutel, den Energieverbrauch und die Umwelt.
- Kosteneffizienz: Die meisten Anwendungen sind für die User*innen kostenlos – und wer will, kann sie sogar nach seinen Bedürfnissen anpassen. Keine versteckten Gebühren, keine Premium-Version, die plötzlich doppelt so viel kostet.
Ein kurzes Beispiel zum Thema Langlebigkeit: Im Oktober 2025 endet der Support für Windows 10. Offiziell heißt das: Sicherheitsrisiken oder Zwang zum Umstieg auf Windows 11 – inklusive der Anschaffung neuer Hardware. Mit Freier Software wie Linux können die Geräte dagegen einfach weitergenutzt werden. Die Initiative End of 10 hilft Menschen bei der Installation.
Jeder und jede kann den Umstieg schaffen!
Ein weit verbreitetes Vorurteil lautet: „Freie Software ist nur was für Profis.“ Das stimmt längst nicht mehr. Viele freie Programme sind heute benutzerfreundlich und optisch attraktiv. Niemand muss programmieren können und es gibt reichlich Hilfe bei den Communitys. Freie Software ist weder kompliziert noch hässlich, sondern zugänglich und macht Spaß.
In den kommenden Wochen führen wir unsere Leser*innen hier im Blog durch die Welt der Freien Software. In weiteren Beiträgen stellen wir unter anderem Alternativen für Betriebssysteme, Office-Anwendungen, Social Media, Nachrichtendienste, Cloud-Dienste, Grafik- und Kreativ-Tools und vieles mehr vor. Dabei geben wir praktische Tipps, die Schritt für Schritt ein selbstbestimmtes digitales Leben ermöglichen.
Für alle, die schon jetzt herausfinden möchten, wie es um die eigene digitale Selbstbestimmung steht, empfehlen wir den Selbsttest zur digitalen Selbstbestimmung.
Selbsttest: Wie steht es um Ihre digitale Selbstbestimmung?
Machen Sie den Test und finden Sie heraus, ob Sie schon frei und unabhängig unterwegs sind – oder ob Big Tech Sie noch fest im Griff hat.
Frage 1: Smartphone-Setup
A. Ich nutze nur die Apps, die vorinstalliert sind – was sonst?
B. Ich lade regelmäßig Apps aus dem App-Store herunter.
C. Ich prüfe bewusst, welche Apps ich nutze – Big Tech muss erst an der Tür klingeln, bevor es rein darf.
Frage 2: Browser
A. Chrome ist Standard – der war halt schon drauf.
B. Ich habe schon mal was von Firefox oder Brave gehört, aber ich bleibe meist bei den Bekannten.
C. Ich nutze einen freien Browser und habe dort Werbeblocker & Privatsphäre-Add-ons aktiviert.
Frage 3: Kommunikation
A. WhatsApp – und sonst nix.
B. WhatsApp & Co. plus vielleicht mal Signal ausprobiert.
C. Ich setze auf freie Messenger wie Signal oder Matrix und motiviere Freund*innen zum Umstieg.
Frage 4: Betriebssystem
A. Das, was bei Windows/Mac auf den Tisch kommt, wird auch gegessen.
B. Ich bleibe beim Bekannten, habe aber immerhin schon mal von Linux gehört.
C. Ich nutze oder teste Linux aktiv.
Frage 5: Daten in der Cloud
A. Alles bei Google Drive, iCloud oder OneDrive.
B. Ich mixe: ein bisschen Big Tech, ein bisschen alternative Dienste, ein bisschen von allem.
C. Ich nutze bevorzugt freie Cloud-Dienste oder hoste selbst im Keller.
Frage 6: Updates und Geräte
A. Wenn mein Laptop/Handy langsamer wird, kaufe ich baldmöglichst ein neues.
B. Ich versuche, Geräte lange zu nutzen – aber irgendwann geht es halt nicht mehr.
C. Ich halte Geräte mit Freier Software und schlanken Programmen bewusst länger fit.
Frage 7: Wissen
A. Freie Software? Klingt nach einem Schnäppchen.
B. Ich weiß ungefähr, worum es geht, hab mich aber noch nicht rangetraut.
C. Ich informiere mich aktiv über Freie Software und probiere schon Alternativen aus.
Auswertung
Überwiegend A
Big Tech liebt Sie – und Sie lieben Big Tech. Aber Vorsicht: Diese Liebe ist einseitig. Ihr digitales Leben ist zwar bequem, doch Ihre Daten sind die Währung. In unserer Blogreihe zeigen wir Ihnen Schritt für Schritt, wie Sie sich aus dieser Umklammerung befreien können.
Überwiegend B
Sie stehen kurz davor, eine digitale Freiheitskämpfer*in zu werden. Manchmal hängen Sie noch in alten Gewohnheiten fest, manchmal schnuppern Sie schon Freiheit. Wir sagen: Da geht noch was! Wir helfen Ihnen gerne über die nächste Schwelle.
Überwiegend C
Sie sind bereits ziemlich digital autonom unterwegs. Aber keine Sorge: Selbst Freie Software-Kenner*innen können bei uns noch Inspiration und den einen oder anderen Tipp abgreifen.
Danke, freue mich auf die Reihe Bei Firefox mischt übrigens Google kräftig mit
Danke!