Jeweils siebzig Jahre nach dem Tod einer Person erlischt zum Jahresende das Urheberrecht an ihren Werken – seien es Arbeiten aus der bildenden Kunst, Musik, Literatur oder Architektur. Diesen Zustand nennt man auch Gemeinfreiheit oder auf Englisch „Public Domain“. Deswegen blicken wir traditionell Anfang Januar in den kunsthistorischen Kalender, diesmal auf die im Jahr 1954 Verstorbenen.

Frida Kahlos ausdrucksstarke Selbstportraits

Zunächst ist da Frida Kahlo – bekannt vor allem wegen ihrer Selbstportraits, die häufig mit Symbolen gespickt sind und sich durch den charakteristischen stoischen Blick der Malerin auszeichnen. Kahlos Schaffen, zunächst als „naiv“ verkannt, wird heute zwischen Surrealismus und magischem Realismus eingeordnet. Ab heute kann nicht nur endlich der Wikipedia-Eintrag über die mexikanische Malerin mit Abbildungen ihrer Werke versehen werden. Sondern wer zum Beispiel selbst T-Shirts mit Kahlos Bildern bedrucken möchte, kann diese auch verfremden und so in einen neuen Kontext setzen.

Henri Matisses tanzende Linien

Ebenfalls im Jahr 1954 verstarb der französische Maler Henri Matisse, wichtigster Vertreter des sogenannten Fauvismus. Auch seine Werke, bekannt für ihre starke Farbigkeit und die Suche nach der perfekten Linienführung, können ab sofort nicht nur Wikipedia-Einträge bebildern, sondern auch zur Grundlage neuer Schöpfungen werden – wie wäre es zum Beispiel mit einem kleinen Animationsfilm? Sowohl das hier abgebildete frühe Gemälde als auch die späten Scherenschnitte könnten dazu inspirieren.

Von musikalischer Avantgarde bis zu mathematischer Forschung

Neben den so unterschiedlichen Bildern von Frida Kahlo und Henri Matisse bereichern 2025 noch viele weitere Werke die urheberrechtliche Gemeinfreiheit: Von den „silbernen“ Operetten des Wieners Oscar Straus über die frühe Avantgarde des amerikanischen Komponisten Charles Ives oder der französischen Schriftstellerin Colette bis hin zu den Fotografien des ungarisch-US-amerikanischen Kriegsreporters Robert Capa oder den mathematischen Forschungsarbeiten des Briten Alan Turing – am Tag der Gemeinfreiheit gibt es auch in diesem Jahr großartige Beispiele menschlicher Kreativität zu entdecken. In der Wikipedia gibt es die vollständige Übersicht.

Ein Meisterwerk wartet auf neue Noten

Zum Schluss darf ein weiteres Meisterwerk nicht unerwähnt bleiben: Als Urheber der Oper Turandot – mit der zum Welt-Hit gewordenen Arie Nessun Dorma – ist Giacomo Puccini bekannt. Tatsächlich handelt es sich aber um ein Gemeinschaftswerk: Puccini starb, bevor er die Oper vollendet hatte, so dass der heute weniger bekannte Komponist Franco Alfano die fehlenden Elemente auf der Grundlage der vorhandenen Skizzen ergänzte. Jetzt, wo auch Alfanos Urheberrechte abgelaufen sind, dürfen sich Komponist*innen eingeladen fühlen, der Geschichte von der grausamen Prinzessin selbst eine neue Note hinzuzufügen.

Lukas Mezger ist Wikipedianer und Rechtsanwalt. Bis 2022 war er Vorsitzender des Präsidiums von Wikimedia Deutschland.

Kommentare

  1. Chezra Boulder
    1. Februar 2025 um 15:49 Uhr

    Hmmm, soweit ich es verstanden habe, geht es beim Gender-Stern nicht nur um männlich und weiblich, sondern darum, auch Menschen mit davon abweichender Geschlechtsidentität zu integrieren. Das lässt sich leider mit keinem der in den Kommentaren genannten Vorschläge erreichen. Ich persönlich meine, dass die Lesbarkeit nicht nennenswert darunter leidet, es aber den Aufwand wert ist.

  2. Erland Erdmann
    22. Januar 2025 um 15:22 Uhr

    Es ärgert mich, wenn nun auch Wikipedia falsches/verkürztes Deutsch schreibt: "Jetzt, wo auch Alfanos Urheberrechte abgelaufen sind, dürfen sich Komponist*innen eingeladen fühlen, der Geschichte von der grausamen Prinzessin selbst eine neue Note hinzuzufügen." entweder: Komponisten*innen oder besser: Komponisten und Komponistinnen.

    1. Jan Strauer
      22. Januar 2025 um 22:19 Uhr

      Ja, das ärgert mich auch. Die internationale deutschsprachige Gemeinschaft einigt sich immer wieder auf eine gemeinsame Sprache (die für alle Beteiligten dann auch dasselbe bedeuten soll; siehe https://www.rechtschreibrat.com/ ). Konfuzius sagt: "Wenn Worte ihre Bedeutung verlieren, verlieren Menschen ihre Freiheit." (siehe z. B. https://www.aphorismen.de/zitat/4041). Die von Herrn Mezger z. T. gewählte Schreibweise ist nicht nur falsches Deutsch im amtlichen und öffentlichen Verkehr (aktuelle Fassung siehe https://www.rechtschreibrat.com/regeln-und-woerterverzeichnis/ ), die auch von der KMK einstimmig als verbindlich umzusetzendes Regelwerk in den staatlichen Schulen vorgegeben wird; ich halte sie auch nicht für "gendergerecht": Sie betont und festigt die sexuelle Trennung; und ich bezweifle, dass Ihr gut gemeintes Vorgehen tatsächlich mehr Geschlechtergerechtigkeit schaffen wird.

    2. Müller, Dr. Wolf-Manfred
      23. Januar 2025 um 00:55 Uhr

      für mich geht nur die männliche und/oder weibliche Form. Bei einer Rede oder Ansprache sage ich auch, z.B. Spender und/oder Spenderin. Alles andere ist Quatsch. Da stimme ich ohne Vorbehalt Herrn Erdmann zu, ganz in meinem Sinn!

    3. Peter Lutz
      23. Januar 2025 um 08:40 Uhr

      Nein. Für Komponisten lässt du einfach das „*inn“ weg, für Komponistinnen lässt du „*“ weg. Steht alles da.

    4. Petra Häusler
      25. Januar 2025 um 10:16 Uhr

      Noch besser: Komponistinnen und Komponisten. Wieder mal stehen die Frauen an zweiter Stelle, wofür ist dann das "gendern" gut, frage ich mich.

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