Franziska Kelch
15. Februar 2023
Neben Henriette Litta, Geschäftsführerin der Open Knowledge Foundation Deutschland, Katja Langenbucher von der Goethe Universität Frankfurt am Main und Helga Springeneer vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz war auch Christian Humborg, Geschäftsführender Vorstand von Wikimedia Deutschland, mit dabei. Auf dem Panel mit dem Titel „Digitale (Ohn-)macht von Verbraucherinnen und Verbrauchern” wurde vor allem diskutiert, wie Machtstrukturen im digitalen Raum entstehen und wie ihnen begegnet werden kann. Humborg brachte dazu die Perspektive communitybasierter, offener und gemeinwohlorientierter Plattformen wie Wikipedia ein.
Wie können Monopole aufgebrochen werden?
Zu Beginn der Diskussion verwies der Wikimedia-Vorstand darauf, dass ein zentraler Faktor für die Machtungleichheit im digitalen Raum die Monopolstellung einiger weniger Dienste und Plattformen sei. Echte Wahlfreiheit für Verbraucher*innen gäbe es so nicht. Der Staat könne hier aber gegensteuern, indem er die Nutzung von Alternativen fördere. Ein Instrument hierfür könnten steuerfinanzierte Gemeinwohl-Fonds sein, die Bund und Länder einrichten. “Warum werden Gemeindehäuser, Bibliotheken und Theater staatlich finanziert, aber Gemeinschaftsorte im Netz nicht?” fragte Humborg. Die Fonds sollten Vereinen und gemeinnützigen Körperschaften zur Verfügung gestellt werden. Mit den Mitteln könnten sie beispielsweise eine eigene Mastodon-Instanz aufsetzen und betreiben. Das wäre ein Schritt hin zu mehr Unabhängigkeit von Monopolisten wie Facebook und Twitter, so Humborg.
Wie können staatliche Akteur*innen Verbraucher*innen besser schützen?
Ein weiteres Problem sei der Umstand, dass die digitalen Giganten intransparent agierten. Mehr Verbraucher*innenbildung und Medienkompetenz könnten da aber nur begrenzt helfen, erläuterte Humborg. Es sei nicht realistisch zu erwarten, dass Verbraucher*innen die hochkomplexen Technologien und Algorithmen verstünden, die in den Plattformen und Diensten stecken, die sie alltäglich nutzen. Es brauche mehr Aufsicht und Regulierung im Sinne der Verbraucher*innen, forderte der Wikimedia-Vorstand.
Die Chance, diese zu realisieren, ergäbe sich laut Humborg aus dem Digital Services Act (DSA) und der Einrichtung des darin vorgesehenen Digital Services Coordinator (DSC). Es bildet die gesetzliche Grundlage, um mit der Regulierung von Facebook, Twitter, Amazon, TikTok und Co. zu beginnen. Im DSA sind unter anderem Regeln für die Meldung illegaler Inhalte und Transparenzpflichten bei Onlinewerbung definiert. Er legt fest, welche Rechte Nutzer*innen haben, um Moderationsentscheidungen anzufechten und welche Informationen Plattformen offenbaren müssen.
Wichtige Weichenstellungen für den Digital Services Coordinator
Die DSA-Regeln für sehr große Plattformen (mit mehr als 45 Millionen Nutzenden im Monat) werden von der EU-Kommission durchgesetzt. Aber mit dem DSC schafft jedes Land ab 2024 auch ein nationales Instrument zur Durchsetzung für kleinere Plattformen und Suchmaschinen. Der DSC stimmt seine Arbeit mit den anderen Koordinator*innen und der Europäischen Kommission ab. So soll sichergestellt werden, dass der DSA in Europa einheitlich realisiert wird.
Die Strukturen, Aufgaben und Ressourcen, die jetzt mit dem DSC geschaffen werden, müssten klug durchdacht und der Bedeutung der Aufgabe angemessen sein, forderte Christian Humborg. Die wichtigste Voraussetzung sei die Kompetenz und Unabhängigkeit des DSC, betonte der Verwaltungswissenschaftler.
“Ich sehe die geplante Angliederung des DSC bei der Bundesnetzagentur als kurzfristig richtig, aber mittel- und langfristig als falsch an. Sie sollte nur für die Aufbauphase Bestand haben und der DSC nach einer vorher festgelegten Zeitspanne eigenständig werden”, forderte Humborg. Da der DSC die Kontrolle und Regulierung im Sinne der Verbraucher*innen unterstützen soll, müsse seine Tätigkeit außerdem in enger Absprache mit Vertreterinnen der Zivilgesellschaft und Wissenschaft erfolgen. Neben Unabhängigkeit seien Transparenz und der Aufbau eigener Datenkompetenz sowie eine inter-behördliche Arbeitsweise notwendig. “Das geht natürlich nur, wenn der DSC auch mit entsprechenden finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattet wird,” empfahl Christian Humborg.