Julia Gebert
15. Januar 2021
1. Was ist für dich das wichtigste an diesem runden Geburtstag der Wikipedia, wenn du auf die letzten 20 Jahre zurückblickst?
Das wichtigste ist innezuhalten und Danke zu sagen an die vielen ehrenamtlichen Autorinnen und Autoren die dieses “achte Weltwunder” geschaffen haben. Mir ist es wichtig, zu würdigen, wie viele Menschen hier ihr Wissen in der Wikipedia mit anderen teilen, das ist eine großartige zivilgesellschaftliche Leistung. Wichtig finde ich auch, dass bekannter wird, wie viele Arten des Mitmachens in der Wikipedia existieren – es muss nicht immer Artikel schreiben sein, es gibt auch wichtige lektorische Funktionen, Korrektur von Quellennachweisen oder das Beisteuern von Bildmaterial. An diesem Tag verneige ich mich persönlich mit Stolz vor den Ehrenamtlichen und freue mich, dass ich schon so viele Jahre hier bei Wikimedia dieses Projekt unterstützen darf.
2. Was wissen alle über die Wikipedia und was weiß fast niemand?
Was eigentlich fast alle wissen, ist, dass es die Wikipedia gibt. Und dass sie immer da ist; die meisten verlassen sich auf die Wikipedia, sie ist aus dem Internet nicht mehr wegzudenken. Viele Menschen sind sich auch bewusst, dass die Wikipedia nicht gesondert aufgerufen werden muss, sondern uns auch oft bei unseren Suchanfragen im Internet begegnet.
Was viele Menschen nicht wissen, ist, dass jeder und jede mitmachen kann bei Wikipedia – obwohl das Projekt genau darauf basiert. Und dass es keine hauptamtlichen Redakteure sind, die die Inhalte erstellen.
3. Gefällt dir dein eigener Wikipedia-Artikel? Oder würdest du da gern noch nachbessern?
Das wäre anmaßend von mir zu sagen, ob mir der Eintrag über meine Person in der Wikipedia gefällt, das ist ja keine persönliche Website. Ich sehe da keinen Bedarf nachzubessern. Ich finde nur das Foto von mir schrecklich, aber das steht unter einer freien Lizenz und ist abrufbar, insofern kann ich niemandem einen Vorwurf machen, dass es Verwendung findet.
4. Was war dein allererstes Erlebnis mit Wikipedia, kannst du dich daran noch erinnern?
Eines meiner ersten Erlebnisse mit der Wikipedia hatte ich in der frühen Internet-Zeit Anfang des Millenniums, als ich einen Rechtschreibfehler in der Wikipedia entdeckte und mir daraufhin einen Account einrichtete. Ich habe den Account angelegt, ohne meine Email-Adresse anzugeben, was in der Wikipedia bis heute möglich, aber für die meisten Anwendungen im Internet mittlerweile unvorstellbar ist. Dann habe ich mein Passwort vergessen, was aber ohne Email-Adresse nicht wiederherstellbar ist: Also ging mein Account verloren.
Es scheint eine banale Anekdote zu sein, aber es zeigt dennoch, wie sehr sich das Internet und die Apps und Plattformen, die es beheimatet, verändert haben. Daten sammeln und Werbung schalten ist normal geworden, während die Wikipedia sich treu geblieben ist und hier heute eine Ausnahme bildet.
5. Hast du eine Erinnerung an ein merkwürdiges Erlebnis mit der Wikipedia, die du mit uns teilen möchtest?
Ja, ich erinnere mich, dass ich für einen Vortrag über die Funktionsweise der Wikipedia recherchierte, wann der Artikel zu Papst Johannes Paul II geändert wurde, als dieser im Sterben lag. In der Edit-History ist das einsehbar und zeigt wie lange die Community hier diskutierte, ob der Tod nun wirklich offiziell vom Vatikan bekanntgegeben worden war und dieser Fakt damit als gesichert galt. Einige Medien hatten den Papst bereits als tot deklariert – nicht so die Online-Enzyklopädie.
Diese Anekdote illustriert die Verlässlichkeit der Wikipedia, aber es ist in diesem Fall natürlich auch ein wenig makaber, sich diese Liste der Bearbeitungen anzusehen und die recht nüchterne Diskussion zu verfolgen, ob der Papst nun gestorben sei oder nicht. Die Feinheiten dieser Abstimmung und die Präzision sind hier sehr gut zu beobachten; eben das, was die Wikipedia zu dem verlässlichen Nachschlagewerk macht, das sie ist.
6. Was sind die größten Risiken für die Wikipedia, die du für die nächsten Jahre siehst?
Der Erfolg der Wikipedia ist eng gekoppelt an die Unabhängigkeit und Freiheit von Journalismus und Wissenschaft. Letztere sind in den vergangenen Jahren vielerorts sehr unter Druck geraten, politisch und ökonomisch. Die Wikipedia kann im Endeffekt aber nur so gut sein, wie eine freie Presse und eine unabhängige Wissenschaftslandschaft es sind.
Auch die starke Fakten-Zentriertheit zu bewahren wird für die Wikipedia schwieriger, je mehr im Internet und in der Öffentlichkeit Fakten und Meinungen vermischt werden und nicht mehr klar gekennzeichnet werden. Zudem ändert sich das Verhalten des Internet-Publikums, etwa durch kürzere Aufmerksamkeitsspannen, auch das ist ein Risiko für ein oft tiefschürfendes Nachschlagewerk wie die Wikipedia. Ökonomische Faktoren wie die Monopolstellungen großer Plattformen im Internet oder sich verändernde Technologie gilt es auch im Auge zu behalten, um nicht über Nacht von großen Playern vereinnahmt oder einer neuen Technologie überrollt zu werden.
7. Was wünschst du dir für die Zukunft der Wikipedia und für das Wikimedia-Movement?
Ich wünsche mir, dass es irgendwann die Ausnahme ist, Wissen unter Verschluss zu halten und dass frei verfügbares Wissen die Norm geworden ist – für alle Menschen, weltweit.
Alle Informationen rund um den 20. Geburtstag der Wikipedia auf https://www.wikimedia.de/wikipedia20/.