WMDE allgemein
12. Juli 2018
Neutrale Informationen sind schwer zu finden
Welche Effekte sind zu erwarten, wenn man LSD konsumiert? Mit dieser Frage beschäftigen sich nicht nur Substanz-Konsumenten sondern auch Wissenschaftler. Wenn man im Netz nach Informationen zu dieser Frage sucht, fand man bisher vorwiegend Foreneinträge mit Erlebnisberichten. Dabei liegt es in der Natur dieser Berichte, entweder besonders euphorisch oder besonders negativ zu sein. Neutrale Informationen sind schwer zu finden, geschweige denn wissenschaftlich erhobene Daten.
Die Diskussion über Verbote und Legalisierung unterschiedlicher Drogen ist gesellschaftlich und politisch aufgeladen. Ein wichtiger Beitrag der psychologischen und neurowissenschaftlichen Forschung zu dieser Debatte besteht in der neutralen Darstellung wissenschaftlich gewonnener Daten. Um Neutralität der Daten zu gewährleisten sollten diese in vollem Umfang frei zugänglich gemacht werden sowie in Bezug auf ihre Vergleichbarkeit geprüft und verständlich dargestellt werden.
In meiner neurowissenschaftlichen Forschung interessiere ich mich für Gehirnmechanismen die dem menschlichen Bewusstsein zugrunde liegen. Für die Forschung ist es dabei besonders interessant die Situationen zu beleuchten, bei denen etwas anders als „normal“ läuft. In einem Experiment eine kurzzeitige Bewusstseinsveränderungen hervorzurufen ist dabei ein ein besonderes Tool für die Erforschung der zugrundeliegenden Gehirnmechanismen. Dabei kann man die Funktionsweise des Gehirns in seiner normalen Funktion und im veränderten Zustand messen. Das ist Grundlagenforschung für psychische Erkrankungen bei denen Bewusstseinsfunktionen Probleme machen, wie beispielsweise bei Schizophrenie oder Depressionen.
Welche Erlebnisse berichten Personen, wenn sie psychoaktive Substanzen konsumieren?
Bevor man aber nach Gehirnmechanismen sucht, muss man zunächst messen wie sich ein solcher veränderter Bewusstseinszustand überhaupt anfühlen. Es stellt sich die Frage: Welche Erlebnisse berichten Personen, wenn sie psychoaktive Substanzen konsumieren oder solche Methoden anwenden wie Yoga, Schwitzhütten oder Sinnesentzug?
Im Altered States Database Projekt konnte ich zusammen mit zahlreichen Masterstudierenden der Universität Osnabrück die verfügbaren Daten zu veränderten Bewusstseinszuständen zusammengetragen. Dabei handelt es sich um Daten, die mit standardisierten Fragebögen erhoben wurden und damit den Vergleich unterschiedlicher veränderter Bewusstseinszustände erlauben. Alle Daten, die im Einklang mit wissenschaftlichen Qualitätskriterien erhoben und publiziert sind, wurden von uns in einer Datenbank zusammengefasst und wurden nun mit Hilfe des Fellow-Programms auf der Website www.asdb.info frei zugänglich gemacht. Bisher lagen große Teile dieser Daten nur in sperrigen Balkendiagrammen vor, die oft in wissenschaftlichen Artikeln publiziert und hinter Paywalls verborgen lagen.
Daten sichtbar und leicht zugänglich machen
Das ASDB Projekt hatte bereits 2 Jahre vor Beginn des Fellow-Programms begonnen und die Datenbank war weitestgehend fertig. Die große Herausforderung bestand nun darin, die ASDB auch nachhaltig und offen zugänglich zu machen. Dazu konnte ich aus der Erfahrungen anderer Fellows mit ähnlichen Projekten insbesondere lernen wie mit Urheberrecht und Hosting umzugehen ist. Auch konnten wir Wege der Wissenschaftskommunikation diskutieren. Das Fellow-Programm hat es ermöglicht, die Daten der ASDB sichtbar und leicht zugänglich zu machen. Durch die Publikation der Datenbank auf dem Open Science Framework Repositorium (https://osf.io/8mbru/) können die Daten nun auch von anderen Wissenschaftlern genutzt werden. Es ist beispielsweise möglich studienübergreifende Meta-Analysen auszuführen um Zusammenhänge zwischen der Dosierung einer Droge und Intensität von induzierten Erlebnissen zu bestimmen.
Des Weiteren fördert die ASDB auch die Einhaltung von Standards in der Datenerfassung und trägt dadurch zur Qualitätssicherung in zukünftigen Studien bei (Erhöhung der Replizierbarkeit). Die übersichtliche Darstellung für welche Typen von veränderten Bewusstseinszuständen bisher noch keine Daten erhoben wurden, regt andere Forscher an, entsprechende Studien durchzuführen. Um dies für alle interessierten Forscher zu vereinfachen, haben wir begleitend zu der Datenbank die Messinstrumente in einem edukativen Buchkapitel diskutiert1. Die Datenbank selbst wurde in einem Open Access Artikel vorgestellt2
Kurzer Pitch des Kapitels: https://www.youtube.com/watch?v=TAjAOgeKb-0
Zum Autor: Timo Torsten Schmidt ist Neurowissenschaftler und arbeitet als PostDoc in der Neuroimaging and Neurocomputation Unit an der Freien Universität Berlin. Sein Forschungsschwerpunkt liegt hierbei auf Gehirnmechanismen die mit Aspekten menschlichen Bewusstseins in Verbindung stehen. Er untersucht neuronale Mechanismen wie unser Gehirn mentale Inhalte repräsentiert und welche Mechanismen Veränderungen normaler Wahrnehmung und normalen Erlebens zugrunde liegen. Im Rahmen des Fellow-Programms Freies Wissen entwickelt er eine Datenbank, die wissenschaftliche Daten zu veränderten Bewusstseinszuständen zugänglich macht.
Quellen
1. Schmidt, T. T. & Majić, T. in Handbuch Psychoaktive Substanzen (eds. von Heyden, M., Jungaberle, H. & Majić, T.) 1–25 (Springer Berlin Heidelberg, 2016). doi:10.1007/978-3-642-55214-4_65-1
2. Schmidt, T. T. & Berkemeyer, H. The Altered States Database: Psychometric data of altered states of consciousness. Front. Psychol. (2018). doi.org/10.3389/fpsyg.2018.01028
Kurzer Pitch des Kapitels: https://www.youtube.com/watch?v=TAjAOgeKb-0