zur Artikelübersicht

GLAM

Der Flug über den Rosinenbomber – Drohneneinsatz für Freies Wissen

Wikimedia Deutschland macht vieles möglich, damit die Ehrenamtlichen der Wikipedia an außergewöhnliche Fotos kommen. Jetzt konnte der erfahrene Drohnenpilot und Wikipedianer Raimond Spekking, in der Wikipedia als Benutzer:Raymond bekannt, eine Reihe von Luft-Aufnahmen vom Deutschen Technikmuseum in Berlin machen – und durfte sogar im Haus fliegen.

Patrick Wildermann

4. Juli 2024

Der „Rosinenbomber“ auf dem Dach des Deutschen Technikmuseums in Berlin zählt zu den Wahrzeichen der Stadt. Er erinnert an die Zeit des Kalten Krieges, an die Blockade der Westsektoren durch die Sowjets 1948/49, als die Berliner*innen von den Westalliierten mit Flugzeugen wie diesem aus der Luft versorgt werden mussten. Natürlich hat die Douglas C-47 Skytrain (so der offizielle Flugzeugtyp) auch ihren Auftritt in der Wikipedia – von unten fotografiert in der Abendsonne. Ein majestätisches Bild.

„Hurra, wir leben noch”, stand auf vielen Plakaten der Menschen, die sich am 12. Mai 1949 vor dem Rathaus Schöneberg versammelt hatten, um das Ende der Berlin-Blockade zu feiern. Dieses Jubiläum wird nun auch in der Wikipedia durch die neuen Aufnahmen noch greifbarer werden: Wenn der „Rosinenbomber“ aus einem noch viel spektakuläreren Blickwinkel als bisher zu sehen ist. Von oben, aus der Vogelperspektive fotografiert.

Ein Blick aus 100 Metern Höhe

Zu verdanken ist das einer außergewöhnlichen Drohnenflugaktion über das Museum und die Umgebung. Und nicht nur Bilder des Flugzeugs werden unter freier Lizenz in Wikimedia Commons und der Wikipedia zur Verfügung stehen – mit Unterstützung von Wikimedia Deutschland konnte auch ein Indoor-Flug mit einer Drohne im Deutschen Technikmuseum unternommen werden. Das Museum hat dafür seine Lokschuppen geöffnet, wo die Dauerausstellung Eisenbahn zu sehen ist – mit vielen historischen Lokomotiven und anderen Großobjekten.

Der Wikipedianer Benutzer:Raymond ist Spezialist für Drohnenfotografie. Er hat aus der Luft unter anderem schon die Liegenschaften der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten für die Wikimedia-Projekte abgelichtet, auch in Weimar bei der Klassik Stiftung und im Archäologischen Park in Xanten war er schon aktiv. Im vergangenen Jahr ließ er die Drohne über dem Museum Barberini in Potsdam aufsteigen, wobei auch ein sehenswerter Film entstanden ist. Jetzt steht er an einem sonnigen Morgen auf dem Platz vor dem Deutschen Technikmuseum und schaut konzentriert auf das Display seines Controllers. Die Drohne ist nur noch als winziger Punkt am Himmel zu sehen. „Ich fliege in 100 Metern Höhe erst über die Ladestraße und das Hauptgebäude des Deutschen Technikmuseums, dann über den Rosinenbomber und die U-Bahnstrecke am Gleisdreieck in Richtung Tempodrom und zurück“, beschreibt Benutzer:Raymond die Luftroute.

Eine Auswahl der entstandenen Bilder finden Sie hier:

Sondergenehmigung dank Wikimedia

Damit er diesen Flug überhaupt unternehmen kann, haben Holger Plickert und Christoph Jackel viel Zeit und Arbeit investiert. Die beiden Projektmanager von Wikimedia Deutschland kümmern sich um GLAM-Projekte, also Kooperationen verschiedenster Art mit Kultur- und Gedächtnisinstitutionen wie Museen, Archiven oder Bibliotheken. „Ein GLAM-Projekt unterstützt Kultur- und Gedächtnisinstitutionen dabei, ihrem Auftrag nachzukommen, Objekte für kommende Generationen in digitaler Form zu bewahren. Durch gemeinsame Projekte mit erfahrenen Wikimedianer*innen können sie mit der gesamten Welt geteilt und unabhängig erkundet und erforscht werden”, so Jackel.

Nicht nur haben die Hauptamtlichen von Wikimedia Deutschland jetzt das Deutsche Technikmuseum für den Drohnenflug gewonnen, sie mussten auch alle dafür erforderlichen Genehmigungen einholen. „Das Museum grenzt an eine Bundesstraße, der benachbarte Landwehrkanal ist eine Bundeswasserstraße, dazu verläuft dort die Hochbahn der U1/U3 – bei all dem  ist Überflug eigentlich verboten“, erklärt Benutzer:Raymond.

Beantragt werden mussten eine Reihe von Sondergenehmigungen bei der Luftfahrtbehörde. Entsprechend hat der Wikipedianer neben einem Ersatzakku für die Drohne und allerlei anderem technischen Equipment auch eine dicke Mappe mit Dokumenten dabei – nur für den Fall, dass die Polizei vorbeikommt und nach den Genehmigungen fragt.

Strategie der Öffnung

Auch für die Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin ist die Aktion reizvoll: „Auf diese Weise bekommen wir eine Perspektive auf unser Haus, die wir sonst nicht hätten“, so Matthias Stier, Leiter Digitale Strategie im Museum. Der „Rosinenbomber“ – der in regelmäßigen Abständen von Industriekletterern gereinigt wird, sei selbst vom Dach des Museums aus nicht in so spektakulärer Draufsicht zu erleben.

Das Deutsche Technikmuseum will die Bilder von Benutzer:Raymond auch über die eigenen Kanäle zugänglich machen – und freut sich über die Verbreitung in der Wikipedia und auf Wikimedia Commons. „Die Wikimedia-Projekte sind ein wichtiger Anlaufort“, so Stier.

Generell verfolgt die landeseigene Institution eine Strategie der Offenheit: „Wir wollen so viele unserer Sammlungsdaten frei zugänglich machen wie möglich“, beschreibt Stier, „das Thema CC-Lizenzierung wird bei uns am Haus groß geschrieben.“

Geglückter Flug durch den Lokschuppen

Mit der Achtsamkeit eines Wünschelrutengängers bewegt sich Benutzer:Raymond mit seiner Drohne durch den Lokschuppen 1 des Deutschen Technikmuseums. Er lässt sie durch das historische Fürstenportal des Anhalter Bahnhofs an deren Eingang fliegen, navigiert sie sicher über eine Preußische Tenderlok T3 von 1901 und eine Güterzug-Dampflok der Graz-Köflacher Bahn aus dem Jahr 1860. Begleitet von einem steten Piepsen: „Ich schalte selbstverständlich die Annäherungssensoren der Drohne nicht aus“, erklärt der Pilot. Schließlich will er mit dem Fluggerät nirgendwo anstoßen. Diese Indoor-Aktion ist auch für Benutzer:Raymond eine Premiere – die ohne Probleme glückt.

Am Ende dieses Vormittags sind rund 100 Bilder entstanden, aus denen der Wikipedianer eine Auswahl trifft, die nach und nach bei Wikimedia Commons zur Verfügung gestellt wird – darunter auch die Drohnenfotos der Loks. Er ist zuversichtlich, dass die fotografierten Objekte „sehr bald ihren Auftritt in der Wikipedia bekommen.“

Lust bekommen, bei Wikimedia-Projekten mitzumachen?

Schau doch mal auf unserer Mitmachseite vorbei. Dort findest Du viele spannende Angebote für den Einstieg in die Wiki-Welt. Alle Infos gibt es hier:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert