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Edit-a-thon in der Antarktis

Die coolsten Wikipedianer*innen der Welt

Zum ersten Mal in der Geschichte hat ein Wikipedia-Edit-a-thon in der Antarktis stattgefunden – organisiert vom italienischen Wikipedianer Francisco Ardini. Hier beschreibt er, wie es gelang, auf einem Eisbrecher mit eingeschränktem Internetzugang einen erfolgreichen Schreibwettbewerb zu organisieren, der viele Lücken nicht nur in der italienischen Wikipedia füllen konnte.
Foto: FairlyLiv, Laptop East Ross sea Feb 6 2024, CC BY-SA 4.0

Francisco Ardini

30. April 2024

Zwischen dem 1. Januar und dem 5. März 2024 nahm ich an einer Mission des italienischen Nationalen Antarktis-Forschungsprogramms (PNRA) an Bord des Eisbrechers RV Laura Bassi teil, die durch das Rossmeer, das größte Schutzgebiet der Welt, führte. Da ich mich in meiner Forschung als analytischer Chemiker an der Universität Genua mit Umwelt und Klimawandel beschäftige, war es nicht das erste Mal, dass ich die Antarktis bereiste. Aber dieses Mal hatte die Mission einen besonderen Mehrwert, der mit einer anderen großen Leidenschaft von mir zusammenhing: Wikipedia.

Bei meinen vier vorherigen Missionen hatte ich bereits mit Kolleg*innen, die ich auf dem Schiff oder in der Forschungsbasis traf, über meine ehrenamtliche Arbeit an Wikipedia gesprochen und dabei oft andere Wikipedianer*innen oder Menschen kennengelernt, die sich sehr für das Projekt interessierten. Gleichzeitig wusste ich – wie viele andere Leser*innen oder Freiwillige –, dass sowohl in der italienischen Wikipedia, als auch in anderen Sprachversionen Artikel fehlen oder nur unvollständig vorhanden sind, die sich mit der Antarktis und ganz allgemein mit dem Klimawandel befassen. Vor meiner Abreise hatte ich also die Idee, einen Edit-a-thon, einen Wikipedia-Schreibmarathon, zu organisieren, der sich genau diesen Themen widmet. Glücklicherweise wurde mein Vorschlag vom Chef der Mission und anderen Kolleg*innen positiv aufgenommen. Und so organisierten wir den ersten Edit-a-thon aus der Antarktis.

Technische Grenzen

Wie man sich vorstellen kann, ist das Leben auf einer antarktischen Station nicht einfach, vor allem, wenn sie sich auf einem Schiff befindet, das sich durch das Eis bewegt, gegen den Widerstand von starken Winden und manchmal erheblichen Wellen. Alle an der Mission beteiligten Personen müssen Experimente im Zusammenhang mit ihrem Forschungsprojekt durchführen, außerdem können sie von Kolleg*innen zu Hilfe gerufen oder gebeten werden, Messungen, Probenahmen oder andere Experimente für Wissenschaftler*innen durchzuführen, die sich nicht auf der Station befinden. Der Arbeitsplan ist in variablen Schichten über 24 Stunden verteilt, so dass alle Labore mit maximaler Effizienz genutzt werden können.

Das größte Hindernis für uns Wikipedianer*innen war jedoch ein anderes: Ende Januar 2024, als wir uns entschieden, den Edit-a-thon zu starten, war der Internetzugang begrenzt. Abgesehen von den Rechnern, die von den Navigations- und Logistikdiensten verwendet wurden, hatten nur drei Computer Zugang zu einer Verbindung. Was die Arbeit deutlich erschwert, wenn man in der Wikipedia editieren will. Dieses Problem konnte jedoch ganz einfach gelöst werden: Wir haben offline gearbeitet und uns mit Wikimedia Italien abgestimmt, um Artikel gleich zu Beginn des Marathons zu bearbeiten und zu veröffentlichen. Zusammen mit unseren Kollegen Paola Rivaro, Angela Garzia, Craig Stevens, Jasmin McInerney und Liv Cornelissen schrieben wir also die ersten Artikel für den Edit-a-thon, die als Startschuss für Freiwillige dienten, die aus Italien teilnehmen wollten.

Die Ergebnisse

Wobei der Zeitraum unserer Aktion weit über einen normalen Edit-a-thon hinausging. Ursprünglich hatten wir der italienischen Wikipedia-Community vorgeschlagen, an einer Beitragswoche zum Thema Antarktis und Klimawandel teilzunehmen. Der Vorschlag wurde sehr gut aufgenommen, weit besser noch als erwartet: Aus der Woche, die am 1. Februar 2024 begann, wurde erst ein Monat – und dann entstand daraus ein eigenständiges neues Projekt in der italienischen Wikipedia, das sich ganz der Antarktis widmet, mit einer Antarktis-Basis als Plattform für Diskussionen. Ich hätte nie mit einem solchen Enthusiasmus gerechnet, sowohl bei meinen Schiffskameraden, als auch bei den Freiwilligen der Wikipedia.

Dank des Engagements dieser Leute gibt es heute mehr als 150 neue oder verbesserte Artikel in der italienischen Wikipedia: einige von ihnen sind von grundlegender Bedeutung für die Beschreibung des Kontinents (z.B. Antarktisches Eisschild oder Antarktisches Schelfeis) und der Auswirkungen des Klimawandels (wie Polare Verstärkung oder Rückkopplung des Eisalbedo). Wobei ich besonders jene Artikel hervorheben möchte, die nicht aus der englischen Wikipedia übersetzt, sondern während des Edit-a-thons auf dem Schiff auf Grundlage wissenschaftlicher Quellen komplett neu erstellt worden sind – etwa Terra Nova Bay Polynya, Riff-Wasser mit hohem Salzgehalt und Meerespartikel, aber auch Regenereignis auf Schnee, geschrieben von einem Benutzer in Italien. Diese Artikel haben einen Mehrwert für die gesamte Community, da sie zuvor in allen Wikimedia-Projekten in der italienischen Version fehlten.

Die Teilnahme ausländischer Kolleg*innen, die zur englischen Wikipedia beigetragen haben, war eine unerwartete und sehr willkommene Überraschung (sogar mit Themenfotos, die von Liv Cornelissen und Luisa Fontanot aufgenommen und hochgeladen wurden!). Ich denke, dass alle Forschenden an Bord verstanden haben, wie wichtig die Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse gerade auch über eine Plattform wie Wikipedia ist, die Freies Wissen und wichtigen Entdeckungen einem möglichst breiten Publikum zugänglich macht. Wenn wir als „Expert*innen auf unserem Gebiet“ dafür sorgen, dass die Informationen, die die Leser*innen online finden können, zuverlässig sind, ist der Nutzen für alle offensichtlich.

Abschließend möchte ich auch den Verantwortlichen des italienischen Nationalen Antarktis-Forschungsprogramms (PNRA) und Wikimedia Italien für ihr Interesse und ihre Unterstützung in Sachen Logistik und Kommunikation danken, die für den Erfolg unserer Initiative von grundlegender Bedeutung war.

Francisco Ardini ist außerordentlicher Professor für analytische Chemie an der Universität von Genua. Er erforscht die Kontamination in polaren Umgebungen, nimmt an Projekten und Expeditionen in der Arktis und Antarktis teil und führt Aufklärungsaktionen zu diesem Thema für Schulen und Kulturvereine durch. Seit 2020 initiiert er Aktivitäten zu Wikimedia-Projekten (Wikibooks, Wikipedia, Wikivoyage, Wikimedia Commons) für Schulen, Universitäten und Museen im Bereich Chemie und Klimawandel.

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