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KI in der Bildung

Warum wir freie und offene KI in der Bildung brauchen

Ob in der Schule oder im Studium: Die Nutzung von Microsoft- oder Google-Produkten gehört zumindest hierzulande zur unhinterfragten und gängigen Praxis. Aktuell zeichnet sich ab, dass mit ChatGPT erneut ein kommerzielles und intransparentes Produkt zum Standard wird. Immer mehr Bildungseinrichtungen entwickeln Handreichungen zum Einsatz der KI-Anwendung in Unterricht und Lehre und erwerben Lizenzen für ChatGPT.

Dr. Anne-Sophie Waag

23. November 2023

Die (Un-)Abhängigkeit unseres Bildungssystems

Bildung ist ein öffentliches Gut und eine staatliche Aufgabe. Entscheidungstragende aus Politik und staatlichen Institutionen haben daher eine besondere Verantwortung. Sie sollten in demokratischen Prozessen gemeinsam mit Lernenden, Lehrenden, Forschenden und Vertreter*innen aus der Zivilgesellschaft aushandeln, was gute Bildung ist und was sie braucht. Grundpfeiler eines fairen Bildungssystem sind der gerechte und freie Zugang zu digitalen Bildungsangeboten für alle und die Sicherung der Grundrechte im Digitalen.

Dem können marktwirtschaftliche Interessen von Unternehmen entgegenstehen. Deren Produkte sind meist nicht einsehbar. Eine unabhängige Beurteilung (siehe z. B. OSB Alliance, 2023), ob sie den Standards für das Bildungssystem entsprechen, ist so schwer bis unmöglich. Viele Softwareunternehmen setzen in ihren Geschäftsmodellen nicht nur auf den Verkauf von Lizenzen. Sie sammeln auch Daten der Nutzenden, ohne dass die Nutzenden darüber aktiv mitbestimmen können. Darüber hinaus sind bei der Verwendung proprietärer Anwendungen sogenannte Lock-In-Effekte zu beobachten. Gemeint ist, dass  Organisationen ihre Arbeitsformen so stark an das jeweilige Produkt anpassen, dass ein Softwarewechsel immer aufwendiger und daher nie vollzogen wird.

Mit freien, offenen digitalen Anwendungen zu höherer Autonomie

Anders ist es bei freien, offenen Anwendungen (FLOSS: Free/Libre Open Source Software). Frei und offen bedeutet in diesem Kontext, dass unter anderem der Quellcode und im Falle von KI-Systemen auch der zugrundeliegende Datensatz, offen einsehbar, nutzbar und veränderbar ist. Außerdem wird bei freier Software vorausgesetzt, dass jede Weiterentwicklung wieder an die Gesellschaft zurückgegeben werden muss. Nutzende sowie unabhängige Expert*innen haben die Möglichkeit, nachzuvollziehen, wie das Produkt gebaut ist und auf welchen Grundlagen es basiert. Eine offene KI-Anwendung kann von Menschen mit entsprechender Expertise zudem auf spezifische Bedarfe und Zwecke angepasst werden. Das ist insbesondere für den Bildungskontext relevant, da die Binnendifferenzierung von Lernmaterialien, -aktivitäten und -unterstützungssystemen einen immer höheren Stellenwert einnimmt.

Offenheit als Weg zu mehr Mitbestimmung und Nachhaltigkeit

Insbesondere im Kontext von KI-Anwendungen ist es mit freier und offener Software allerdings nicht getan. Zentral sind die der Anwendung zugrundeliegenden Trainingsdaten und -modelle. Diese müssten auch für Bildungszwecke aufwändig kuratiert und gesichert werden. Weder ist dies durch einzelne Nutzende zu bewerkstelligen, noch sollte dies intransparenten und kommerziellen Konzernen überlassen werden. Gleichzeitig verbrauchen die meisten KI-Anwendungen massiv viel Energie. Wir stehen somit auch vor einem Nachhaltigkeits- und Ressourcendilemma. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, braucht es neue Ansätze und Ideen. Die Bundesregierung muss sich hier klar positionieren und Initiative ergreifen, um den aktuellen Entwicklungen etwas entgegenzusetzen. Wir fordern einen offenen, multiperspektivischen Prozess, in dem die Beteiligten Möglichkeiten und Modelle diskutieren und erproben können. Das Ziel sollte eine gemeinwohlorientierte KI für den Bildungsbereich sein.

Das Bild zeigt die Autorin des Artikels auf lilafarbenem Hintergrund. Sie wird zitiert mit der Aussage: „Alle reden über KI. Wir auch! Aber offen und mit allen, die sich am Forum beteiligen wollen. Das entspricht unserem demokratischen Bildungsverständnis. Daher wollen wir gemeinsam Leitlinien für freie und offene KI-Anwendungen in der Bildung entwickeln – statt mit intransparenten, kommerziellen Anwendungen zu arbeiten.“

Forderung nach offener KI in der Bildung

Doch bevor wir auf die Bundesregierung warten, nehmen wir es selbst in die Hand: Gemeinsam mit der Initiative OE/AI, die im Frühjahr 2023 den Aufruf “Künstliche Intelligenz, Offenheit und Pädagogik” veröffentlichte, veranstaltet Wikimedia Deutschland zwischen Herbst 2023 und Frühjahr 2024 eine mehrteilige, kollaborative Workshopreihe. Wir laden Bildungspraktiker*innen, -wissenschaftler*innen und Entscheidungsträger*innen aus dem Bildungsbereich ein, gemeinsam mit uns politische Empfehlungen für den Einsatz von offener KI in der Bildung zu entwickeln. Beim Forum offene KI in der Bildung sollen möglichst unterschiedliche Perspektiven und Expertisen produktiv zusammenkommen. Die gemeinsam entwickelte Handreichung wird am 14. Mai 2024 bei einer öffentlichen Veranstaltung Vertreter*innen der Bundesbildungspolitik überreicht. Interessierte sind jederzeit willkommen, sich zu beteiligen und für die Workshopformate anzumelden.

Kommentare

  1. […] zusammen mit der Initiative OE/AI zwischen Herbst 2023 und Frühjahr 2024 anbietet. Die Begründung steht in einem Blogbeitrag auf dem Wikimedia Blog: Um einmal mehr Monopolbildung und (Energie-)Ressourcenverbrauch entgegenzuwirken und Partizipation […]

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