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Digitales Ehrenamt

F5 zur Engagementstrategie der Bundesregierung

Mit ihrer „Engagementstrategie“ will die Bundesregierung einen Leitfaden für die zukünftige Engagementpolitik des Bundes erarbeiten. Die Notwendigkeit einer Stärkung des digitalen Engagements wurde bereits im Koalitionsvertrag benannt. Das Bündnis F5, zu dem auch Wikimedia Deutschland gehört, hat eine Stellungnahme zur Engagementstrategie eingereicht.

Friederike von Franqué

12. Juni 2023

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag von 2021 angekündigt: „Wir werden das digitale Ehrenamt sichtbarer machen, unterstützen und rechtlich stärken.“ Als Förderverein des größten digitalen Ehrenamtsprojektes in Deutschland begrüßen wir das sehr. Es braucht dafür jedoch geeignete politische Maßnahmen.

6 Empfehlungen zur Stärkung des digitalen Ehrenamts

Wikimedia Deutschland hat bereits Ende 2022 sechs Empfehlungen erarbeitet, mit denen das digitale Ehrenamt politisch gestärkt werden kann. Hier geht es zum Politikbrief “Digitales Ehrenamt stärken! Forderungen für eine zeitgemäße Engagementförderung”

Die bisherige Engagementstrategie der Bundesregierung stammt aus dem Jahr 2010. Die neue Engagementstrategie des Bundes soll als Leitfaden für die zukünftige Engagementpolitik des Bundes dienen und insbesondere auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen eingehen, die in den Zuständigkeitsbereich der Bundespolitik fallen.

Gemäß dem Koalitionsvertrag soll die Strategie in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft erarbeitet werden. Am 1. Dezember 2022 wurde der Beteiligungsprozess auf dem 7. Deutschen EngagementTag offiziell eingeleitet. Die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) koordiniert insbesondere die unterschiedlichen Standpunkte der nicht-verbandlich organisierten Zivilgesellschaft.

Auf der Website www.zukunft-des-engagements.de haben Engagierte und zivilgesellschaftliche Akteure die Möglichkeit, durch verschiedene Formate ihre Vorschläge und Ideen einzubringen. Der Beteiligungsprozess wird bis Ende des Jahres 2023 andauern, und die Engagementstrategie soll nach Abstimmung zwischen den Ressorts und Beschluss im Kabinett Ende des Jahres 2024 vorgelegt werden. Bundesministerin Lisa Paus rief Anfang Mai zur Verbändebeteiligung zur Engagementstrategie des Bundes auf.

Anerkennung, Wertschätzung, Förderung

Digitale Ehrenamtsformen erhalten im Vergleich zum traditionellen Ehrenamt zu wenig Aufmerksamkeit, Anerkennung und politische Unterstützung. Das derzeit vorherrschende Modell der Projektfinanzierungen wird den Bedarfen ehrenamtlicher Strukturen und digital Engagierten nicht gerecht.

Mehr Strukturförderung als Projektförderung – beispielsweise durch die Bereitstellung von Räumlichkeiten, die von Ehrenamtlichen selbstbestimmt bespielt werden können. Es gibt nur wenige Orte, an denen sich digital Ehrenamtliche treffen können. Denn auch für ihre Arbeit ist der persönliche Austausch unerlässlich. Ein Beispiel sind die von Wikimedia geförderten Lokalen Räume für Ehrenamts-Communitys, aber auch die speziell in Deutschland ausgeprägte Hack- und Makespace Kultur. Auch Bibliotheken und andere öffentliche Einrichtungen sind denkbar, falls sie einen selbstbestimmten Zugang auch in den späten Abendstunden ermöglichen, denn diese Zeiten sind die Primetime für das Ehrenamt.

Wissenstransfer und Technikfolgenabschätzung durch zivilgesellschaftliche Expert*innen

Die Engagementstrategie sollte nicht nur Maßnahmen für den Engagementsektor entwickeln, sondern auch Expertise aus dem Engagementsektor für gesellschaftspolitische Fragen nutzen. Viele zivilgesellschaftliche Akteur*innen haben ein ausgeprägtes technisches Fachwissen und können Soft- und Hardware dahingehend überprüfen, dass sie auch tatsächlich das – und nur das – tut, was sie tun soll. Dieser Austausch muss sich an den Bedürfnissen der Ehrenamtlichen orientieren, insbesondere was die zeitliche Verfügbarkeit angeht.

Der Wissenstransfer aus dem digitalen Ehrenamt vor allem in staatliche Strukturen sollte über klassische Anhörungen hinaus zu einer aufsuchenden Beteiligung mit systematischer Dokumentation entwickelt werden. Es bedarf der notwendigen Ressourcen, diese Erkenntnisse zu dokumentieren und damit für Technikfolgenabschätzungen und die Planung von Digitalprojekten nachzuhalten.

Civic Tech als Demokratie-Infrastruktur anerkennen

Engagierte entwickeln Anwendungen zur Gestaltung demokratischer Prozesse, zum Informations- oder Meinungsaustausch: Sie visualisieren Haushaltsdaten, schreiben Wikipedia-Einträge, übersetzen Gesetze in einfache Sprache und zeigen auf, wohin EU-Agrarsubventionen fließen. Viele dieser Tools nutzen staatliche Informationen. Viele Menschen nutzen fast täglich solche Tools. Die Engagierten fühlen sich aber oft allein gelassen mit diesen Tools. Die Tools brechen weg, wenn sich das individuelle Engagement ändert.

Wünschenswert wäre ein Austausch mit dem BMFSFJ über solche Civic Tech Tools und deren Mehrwert für die Demokratie, z. B. in Form einer festen Ansprechperson oder eines regelmäßigen Civic Tech Day im Ministerium.

Demokratieförderung braucht die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts

Das dringend reformbedürftige Gemeinnützigkeitsrecht hemmt die Entwicklung einer politisch aktiveren Zivilgesellschaft und ihre demokratische Wirksamkeit. Politische Betätigung und die Einmischung in öffentliche Debatten werden als schädlich für die Gemeinnützigkeit angesehen und als möglichst einzuschränkende Ausnahme behandelt. Auch das Engagement für freie Infrastrukturen und gemeinwohlorientierte Software sollte als gemeinnützig anerkannt werden.

Wer Freie Software, gemeinwohlorientierte Plattformen oder die dafür notwendigen Server- oder Netzwerkinfrastrukturen betreibt, entlastet andere gemeinnützige Vereine fundamental und sollte auch als gemeinnützig nach § 52 Abs. 2 AO anerkannt werden. Mit der Anerkennung des Freifunks in Ziffer 23 ist ein Schritt dorthin getan. Zudem sollte es sachgerechte Sonderregeln bei der vorwiegend auf Konzerne gemünzten Plattformregulierung für den Betrieb solcher Infrastrukturen geben.

Freiwilligengewinnung durch offene Technologiebildung

Damit Technologien aber nicht nur ohne Rücksicht auf ihre Konsequenzen eingesetzt werden, müssen Menschen aller Altersgruppen befähigt werden, sich selbstbestimmt und kritisch mit der Nutzung digitaler Medien und Technik auseinanderzusetzen. Diese offene Technologiebildung wird von Digital Ehrenamtlichen unterstützt, indem sie offene Lehr- und Lernmaterialien entwickeln, Workshops geben, erklären, ausprobieren und Technik auseinandernehmen. Es fehlt aber an einer sinnvollen Integration offener Technologiebildung in das Bildungssystem.

Für junge Menschen mit digitaler Expertise, die nach dem Schulabschluss einer gemeinwohlorientierten Tätigkeit nachgehen möchten, sollte es bundesweit das Angebot eines FSJ Digital geben. Die Modellprojekte zeigen den Bedarf, ebenso besteht eine Vielfalt möglicher Einsatzstellen.

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