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Nationalen Bildungsplattform

Ernüchternde Antworten der Bundesregierung auf kleine Anfrage

Wie geht es bei der Nationalen Bildungsplattform voran? Hat die Bundesregierung auf die Kritik reagiert, die Wissenschaftler*innen in der von Wikimedia beauftragten Studie formuliert haben? Das wollte DIE LINKE mit einer Kleinen Anfrage von der Bundesregierung wissen. Die Antworten sind eine Enttäuschung für alle, die auf Besserung gehofft hatten.

Dr. Anne-Sophie Waag

Sarah Behrens

30. März 2023

Die Bundesregierung hat die Kleine Anfrage „Pädagogische und bildungstechnologische Herausforderungen sowie Möglichkeiten des Aufbaus von Governancestruktur der Nationalen Bildungsplattform“ der Bundestagsfraktion DIE LINKE vom 7. März 2023 beantwortet. 

In der Kleinen Anfrage, die sich zu einem Großteil auf die Erkenntnisse und Ergebnisse der Konzeptstudie von Wikimedia Deutschland zur Nationalen Bildungsplattform (NBP) bezieht, stehen insbesondere die geplanten Governancestrukturen und das der Plattform zugrundeliegende Bildungsverständnis im Fokus. Wie soll vermieden werden, dass sich durch die Bildungsplattform soziale Ungleichheiten verfestigen? Und wie lässt sich sicherstellen, dass beim Einbezug von Bildungsanbietern wichtige Qualitäts- und Sicherheitsstandards eingehalten werden? Fragen wie diese stellt DIE LINKE in ihrer Kleinen Anfrage.

Einige positive Antworten – aber an vielen Stellen zu vage

In dem 12-seitigen Antwortschreiben der Bundesregierung finden sich viele bereits bekannte Beschreibungen des Bildungsministeriums rund um Funktionalitäten und Anwendungsszenarien der NBP wieder. Positiv hervorheben möchten wir die technologische Umsetzung der NBP auf Basis von Open-Source-Software und offenen Standards, die mit entsprechenden Lizenzen in „öffentlich zugänglichen Repositorien“ veröffentlicht werden sollen. Wir begrüßen ebenso die beiden geplanten Evaluationsvorhaben: eine externe Erfolgs- und Wirkungsanalyse sowie eine qualitative Begleitforschung zu Nutzungspraktiken verschiedener Nutzendengruppen. 

Insgesamt bleiben viele der Antworten sehr vage. Bezogen auf die Governancestrukturen und den in der Konzeptstudie geäußerten Vorschlag, einen Nutzendenrat als beratendes Gremium für die NBP zu etablieren, heißt es in der Antwort nur, dies werde noch „geprüft“. Nach welchen Kriterien diese Prüfung erfolgen wird und wie sich der Nutzendenrat zusammensetzen sollte, wird nicht weiter expliziert. Weiter heißt es, „Überlegungen zur Governance-Struktur haben derzeit lediglich vorläufigen Charakter“. Dass bis heute nicht klar ist, welche Aufgaben und Verantwortungsbereiche bei wem liegen, ist sehr irritierend. Die Governance der Plattform darf nicht dem Zufall überlassen werden. Stattdessen muss das Bundesministerium schnellstens Verantwortungsbereiche klären und entsprechende Strukturen einrichten.

Bundesregierung will Verantwortung abgeben

Seit den Debatten über den Umgang von sozialen Netzwerken mit unzulässigen, diskriminierenden Inhalten ist bekannt, dass Plattformen sehr wohl verantwortlich sind für die Inhalte, die sie teilen – auch wenn sie diese nicht selbst erstellt haben. Die Bundesregierung aber scheint diese Verantwortung abgeben zu wollen. Unter anderem sieht sie die „Entwicklung von Algorithmen, welche den Datenraum für Such- oder Vorschlagsfunktionalitäten nutzen […] auf Seiten der Partner“. Zudem weist das Ministerium darauf hin, dass „Empfehlungsmechanismen im engeren Sinne […] nicht im funktionalen Scope des Datenraumes“ lägen. Hierbei widersprechen sich die Antworten der Bundesregierung allerdings, denn etwas weiter vorne im Text heißt es: „Im Rahmen der Nationalen Bildungsplattform werden verschiedene Vorhaben gefördert, die den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) testen. Diese Projekte zielen unter anderem darauf ab, die Auffindbarkeit von Bildungsinhalten zu verbessern und Empfehlungen passend zu den Suchkriterien der Nutzenden zu machen”. Wir fragen uns daher: Wird es nun datenbasierte und durch Algorithmen gesteuerte Empfehlungsmechanismen geben oder nicht? Und wird es allgemeine und verbindliche Vorgaben zur Datennutzung und -sicherung geben?

Zentrale Aussagen nicht angekommen

Leider scheinen auch Überlegungen dazu, wie die NBP als digitaler Ort möglichst sicher und frei von Diskriminierungen und der Reproduktion sozialer Disparitäten gestaltet sein muss, nicht weit fortgeschritten zu sein. Hier werden lediglich Allgemeinplätze wiederholt, dass die NBP ein Angebot sei, „das durch den verbesserten Zugang zu und die Vernetzung von Bildungsangeboten Hürden abbauen und so zu mehr Bildungsgerechtigkeit beitragen“ solle. Diese Aussage ist in Anbetracht verschiedenster empirischer Erkenntnisse zum sogenannten Digital Divide mehr als lückenhaft. Immerhin sollen im Rahmen der Evaluation der NBP auch „nicht intendierte Wirkungen beachtet [werden], wie etwa bestimmte soziale Gruppen diskriminierende Effekte“.

Auch eine der zentralsten Aussagen unserer Konzeptstudie scheint bei den Verantwortlichen aus der Bundesregierung nicht angekommen zu sein: Die technologische Ausgestaltung einer Plattform wie der NBP bildet implizit immer auch bestimmte pädagogische Modelle ab und beeinflusst die pädagogisch-didaktischen Anwendungsmöglichkeiten. Die Aussage der Bundesregierung, „es werden keine spezifischen pädagogischen Modelle präferiert”, zeugt allerdings von einem fehlenden Verständnis über diesen Zusammenhang.

Ausblick

Wie geht es nun weiter? Wir erwarten gespannt die Veröffentlichung der Beta-Version der NBP im Herbst. Ebenso hoffen wir auf einen baldigen Start des vom BMBF angekündigten Strategiekreises, zu dem Wikimedia eingeladen wurde, um den Entwicklungsprozess der NBP beratend mit zu begleiten. Wir haben Interesse an der Mitwirkung signalisiert und hoffen auf einen produktiven Austausch. 

Darüber hinaus planen wir eine Themenreihe, in der die verschiedenen zentralen Herausforderungen der NBP (u.a. Beteiligungsprozesse, Governance, Nachhaltigkeit) als Beispiel für deutsche Digital- und Bildungspolitik mit Expert*innen analysiert und diskutiert werden sollen. Daraus sollen wiederum Learnings und Empfehlungen für die NBP aber auch insgesamt zukünftige Großprojekte abgeleitet werden. Für weiterführende Gespräche mit den Verantwortlichen des BMBF stehen unsere Türen derweil jederzeit offen.

Die Antwort

Hier finden Sie die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage als PDF zum Download.

Die Studie

Hier finden Sie die Studie zur Nationalen Bildungsplattform als PDF zum Download.