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Digitales Ehrenamt

Wie digitales Ehrenamt gestärkt werden kann

Die Bundesregierung will digitales Ehrenamt stärker fördern. Dafür müssen unter anderem die Förderstrukturen angepasst und die Definition von Gemeinnützigkeit modernisiert werden. Sechs Forderungen für eine zeitgemäße Ehrenamtsförderung.

Franziska Kelch

Lilli Iliev

Frank Böker

1. Dezember 2022

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag von 2021 angekündigt: „Wir werden das digitale Ehrenamt sichtbarer machen, unterstützen und rechtlich stärken.“ Als Förderverein des größten digitalen Ehrenamtsprojektes in Deutschland begrüßen wir das sehr. Es braucht dafür folgende politische Maßnahmen:

1. Förderstrukturen dem digitalen Ehrenamt anpassen

Im digitalen Raum sind neue Formen des Ehrenamts entstanden. Sie kennzeichnet oft eine spezifisch digital geprägte Perspektive oder das Engagement für Netzthemen. Häufig entstehen sie als offene, partizipative Projekte. Das Milieu der digitalen Ehrenamtlichen kennzeichnet das gemeinsame Neu-Aushandeln von Organisationsformen und Regeln.

Das kann dazu führen, dass digital Engagierte nicht im gleichen Maß wie klassische Vereine Fördermittel beantragen können. Wir halten daher eine entsprechende Neuausrichtung von staatlichen Förderstrukturen für das Ehrenamt für notwendig. Dabei sollte ein Grundsatz sein: Weniger Projektförderung und mehr Strukturförderung.

2. Definition von Gemeinnützigkeit modernisieren

Die Liste der Tätigkeitsfelder, die in der Abgabenordnung als gemeinnützig definiert werden, ist lang ‒ aber veraltet. Neue Engagementformen oder -zwecke werden durch diese Liste benachteiligt. Eine Modernisierung im Sinne einer Anpassung an die digitale Realität ist notwendig.

Wir fordern, dass neben dem freiwilligen Einsatz zur Förderung von Kultur, Naturschutz oder Sport auch die Erstellung gemeinwohlorientierter Plattformen, Apps oder Software explizit als gemeinnützig genannt werden. Insbesondere bei der Plattformregulierung sind zudem sachgerechte Sonderregeln für gemeinwohlorientierte Internet-Strukturen nötig, die ehrenamtliche Selbstverwaltung fördern und Haftungsrisiken senken.

Diesen und weitere Beiträge zum digitalen Ehrenamt jetzt nachlesen im Wikimedia-Politikbrief.

3. Freiwilliges Digitales Jahr – bundesweit

Jedes Jahr verlassen Digital Natives deutsche Schulen. Viele von ihnen sind auf der Suche nach einer sinnvollen und gemeinwohlorientierten Tätigkeit vor dem Studium oder der Ausbildung. Sie bringen digitale Kompetenzen mit, die sie auch gemeinwohlorientiert einsetzen wollen. 2013 hatte die schwarz-rote Koalition angekündigt, das FSJ Digital einführen zu wollen. Ab 2015 folgten Modellprojekte in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt, für die es mehr Bewerber*innen als verfügbare Plätze gab.

Wikimedia Deutschland fordert die Bundesregierung auf, das Freiwillige Digitale Jahr bundesweit und gleichwertig mit den existierenden Freiwilliges-Jahr-Formaten einzuführen. Die Vielfalt der Möglichkeiten ist da. Sie reicht von der Medienbildung in Alten- und Pflegeeinrichtungen bis hin zur Social-Media-Arbeit für offene Kanäle oder digitale und informatische Bildungsarbeit an Schulen.

4. Öffentliches Geld – Öffentliches Gut!

Freie Inhalte und Daten sind die Voraussetzung für digitale Koproduktion. Die besten Beispiele dafür sind Wikipedia, Wikidata und Wikimedia Commons. Hinter ihnen steht die Überzeugung, dass alle Menschen Zugang zu Wissen haben sollen, es weiterverbreiten und -nutzen können. Das heißt, dass alle die Inhalte der Wikipedia nutzen, verbreiten und verändern dürfen. Dies kann nur funktionieren, wenn auch Inhalte unter freier Lizenz zur Verarbeitung bereitgestellt werden. Dazu gehören Informationen öffentlicher Stellen wie Statistiken, Gutachten oder Bildarchive.

Viele dieser Daten und Medieninhalte müssen allerdings erst noch unter eine freie Lizenz gestellt werden. Künftig ist sicherzustellen, dass steuerfinanzierte Inhalte von der Gesellschaft frei genutzt werden können. Grundsätzlich sollte für alle, die staatliche Fördermittel beziehen, festgelegt sein, dass ihre Arbeitsergebnisse frei verfügbar und frei verwendbar bereitgestellt werden müssen. Die Kurzformel dafür lautet: Öffentliches Geld – Öffentliches Gut!

5. Systematischer Wissenstransfer ehrenamtlicher Expertise

Die Freiwilligen, die in Projekten von Code for Germany öffentliche Daten gemeinwohlorientiert nutzbar gemacht haben, zeigen: In der digitalen Zivilgesellschaft schlummert ein großer Wissensschatz. Die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt unterstützt bereits die ehrenamtliche Arbeit mit offenen Daten und das Engagement zur Entwicklung von Open-Source-Software mit Fördermitteln. Und in regionalen Open-Government-Laboren konnten Verwaltungen erleben, dass sie von offenen Verwaltungsdaten und Kooperation oder Co-Kreation mit Bürger*innen profitieren. Aber da ist noch mehr möglich.

Wikimedia Deutschland fordert, dass ehrenamtliche Expertise nicht nur punktuell eingebunden wird. Vielmehr müssen die Erfahrungen digital Ehrenamtlicher systematisch dokumentiert werden und verpflichtend in Digitalisierungsprojekte einfließen. Dieser Wissenstransfer muss sich an den Bedarfen der Ehrenamtlichen orientieren.

6. Vielfalt im digitalen Ehrenamt fördern

Im digitalen Ehrenamt engagiert sich nicht die gesamte Zivilgesellschaft gleichermaßen. Migrant*innen, Frauen, Menschen aus dem ländlichen Raum oder mit geringem Einkommen sind unterrepräsentiert. Damit sich möglichst viele Menschen auch digital an der gesellschaftlichen Gestaltung beteiligen können, braucht es mehr Mikroförderung und Förderprogramme, die sich an genau diese unterrepräsentierten Gruppen richten und ihnen unkompliziert Finanzmittel zur Verfügung stellen.

Ein Beispiel dafür ist „Digital.Vernetzt – Frauen im Ehrenamt stärken“ vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, das Frauen im ländlichen Raum gefördert hat. Auch „Jugend hackt“ ist ein gutes Beispiel für die Förderung digitaler Kompetenz. Staatliche Unterstützung von Care-Arbeit für die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen und haushaltsnahe Dienstleistungen kann dazu beitragen, Ehrenamt stärker zu ermöglichen.

Kommentare

  1. Dorothee
    5. Dezember 2022 um 16:43 Uhr

    Wir versuchen ein Generationenprojekt: IT Hilfe für Senioren von Jugendlichen – öffentliche Fördermittel hierfür würden sehr helfen!

  2. Christian Winter
    4. Dezember 2022 um 09:41 Uhr

    Ich stimme dem voll zu. Die Änderungen des Gemeinützigkeitstableaus muss dringend geändert werden.

  3. Peter Michael Fritz
    1. Dezember 2022 um 16:13 Uhr

    Ich stimme dem voll zu. Ein Beispiel eines bereits 12-jährigen eines erfolgreiche ndigitalen Ehrenamts ist ipath-network (Afghanistan Forum) mit 18000 Behandlungsfällen (telemedizinisch seit 2012).
    Mehrfache Publikationen dazu liegen vor. auf Rückfrage beim Verfasser abrufbar

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