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Digital Service Act

„Eine grundlegende Neuorientierung der Plattformen“

In Brüssel laufen die Trilogverhandlungen zum Digital Services Act. Im Interview erläutert Matthias C. Kettemann, Professor an der Universität Innsbruck, was das Gesetzesvorhaben der EU für Online-Plattformen und Nutzer*innen bedeutet.

WMDE allgemein

24. März 2022

Wozu brauchen wir den DSA?

MATTHIAS C. KETTEMANN: Der DSA ist Teil eines neuen Gesetzespakets der EU für das Internet, das eine grundlegende Neuorientierung der Plattformen sicherstellen wird. Nicht mehr ökonomische Interessen, sondern öffentliche Werte sollen im Mittelpunkt stehen. Dazu müssen Plattformen verpflichtet werden, sich an Grundrechte zu halten, ihre Empfehlungsalgorithmen offenzulegen, regelmäßige Checks der Wirkung ihrer Regeln auf die Gesellschaft durchzuführen, ihren User*innen mehr Rechtsschutz zu gewähren. Mit dem DSA bricht eine neue Zeit an.

Welche Probleme kann der DSA nicht lösen?

KETTEMANN: Der DSA ist ein wichtiger erster Schritt, aber alleine kann er faire Online-Kommunikationswelten nicht sichern. Zu digitalen Märkten, Daten und Algorithmen kommen noch je eigene Rechtsakte. Nicht angegangen wird auch der große Bereich der Inhaltsvielfalt und des Kampfes gegen Desinformation, besonders wenn sie von staatlichen Akteuren kommt. Die Frage, was illegal ist, wird weiterhin staatlichem Recht überlassen.

Diesen und weitere Beiträge zum Digital Services Act jetzt nachlesen im Wikimedia-Politikbrief.

Wo sehen Sie den größten Nachbesserungsbedarf bis zur Verabschiedung des DSA?

KETTEMANN: Die Vorschläge des Parlaments sind zielführend, müssen aber in manchen Bereichen noch nachgeschärft werden. So ist die Informierung aller User*innen bei Änderungen des Inhalte-Rankings wichtig, aber da Änderungen oft mehrfach täglich erfolgen, muss hier noch Klarheit geschaffen werden. Nicht ausreichend ausbuchstabiert ist auch die Rolle der Durchsetzung und der Kooperation zwischen nationalen Aufsichtsbehörden. Die deutsche Regierung sollte sich auch bald Gedanken darüber machen, welche Teile des NetzDG noch beibehalten werden, wenn der DSA kommt.

Über Matthias C. Kettemann

Matthias C. Kettemann ist Professor für Innovation, Theorie und Philosophie des Rechts und leitet das Institut für Theorie und Zukunft des Rechts der Universität Innsbruck. Er ist Forschungsprogrammleiter am Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut und leitet Forschungsgruppen am Humboldt-Institut für Internet und Gesellschaft und dem Sustainable Computing Lab der WU Wien. Er beschäftigt sich mit den Regeln, die online gelten, und wie private Normen und staatliches Recht interagieren. Matthias C. Kettemann publiziert und berät im Bereich Cyberrecht, Menschenrechte, Plattformregulierung und Internet Governance.

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