John Weitzmann
Justus Dreyling
17. März 2022
Ein Fundus an Wissen für die Allgemeinheit
Daten von Bundesbehörden und anderen Organisationen der öffentlichen Hand stellen einen unschätzbaren Fundus an Wissen dar, den die Allgemeinheit mit ihrem Steueraufkommen maßgeblich finanziert hat. Deshalb muss die Allgemeinheit davon auch profitieren können, indem Informationen öffentlicher Stellen frei und ohne Einschränkung weiternutzbar gemacht werden. Gemeinwohlprojekte wie Wikipedia und Wikidata sind Beispiele für ihre Nutzung im öffentlichen Interesse.
Aber: Den Rechtsanspruch möglichst umfassend zu formulieren, ist eine komplexe Aufgabe. Viele Fragen sind noch offen, die in der nächsten Zeit angegangen werden müssen.
Rechtsanspruch auf Open Data – ein Anliegen nicht nur der Zivilgesellschaft
Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, einen Rechtsanspruch auf Open Data einzuführen. Dass es dieses Vorhaben gibt, ist nicht zuletzt auch ein Erfolg eines ganzen Netzwerks an Organisationen, Projekten, Initiativen, Politikschaffenden und Ehrenamtlichen, die sich seit Jahren dafür eingesetzt haben. Die Erwartungen sind hoch, die Erfahrungen aus früheren Gesetzgebungsverfahren rund um Open Data eher durchwachsen. Die Klärung offener Fragen und die Arbeit an Gesetzesentwürfen muss jetzt rasch beginnen – unter Beteiligung von Zivilgesellschaft und bund-länder-übergreifend.
Die digitale Bereitstellung amtlicher Informationen steht schon seit den frühen 2000er Jahren auf der politischen Agenda. 2003 beschloss die Europäische Union die Public Sector Information Directive (PSI-Richtlinie), die auch die Bereitstellung öffentlicher Daten für die Allgemeinheit in den Mitgliedstaaten anschieben sollte. Doch das gelang kaum. An zu vielen Stellen waren die Regeln der PSI-Richtlinie nur subsidiär anzuwenden, also nachrangig zu anderen Regeln und Gesetzen. Echte, einklagbare Verpflichtungen der Behörden zur Datenbereitstellung gab es nicht.
Ein Gesetzesvorhaben mit langer Geschichte
Inzwischen ist die PSI-Richtlinie der EU überarbeitet, verbindlicher gemacht und in „Open-Data-Richtlinie“ umbenannt worden. Und sowohl auf EU- als auch auf Bundesebene ist mittlerweile allen Entscheidungstragenden klar, dass es offensichtlich stärkere Regelungen braucht als beim ersten Anlauf, um die allseits gewünschte Digitalisierung staatlicher Prozesse wirklich zu schaffen. Auch die Bundesgesetzgebung hatte nochmal nachgelegt in den Jahren der Regierung Merkel IV, doch waren diese Versuche erneut zu zaghaft.
So müssen zwar bereits seit 2017 diverse Bundesbehörden Open Data bereitstellen, bis Mitte 2023 wird diese Verpflichtung auf fast alle Bundesbehörden ausgeweitet. Behörden müssen dann „unbearbeitete maschinenlesbare Daten“ zum Abruf „über öffentlich zugängliche Netze bereitstellen“, wie es im geänderten E-Government-Gesetz heißt. In dessen Paragraph 12a („Offene Daten des Bundes“) wird zugleich aber eingeschränkt: „Ein Anspruch auf Bereitstellung dieser Daten wird hierdurch nicht begründet“. Ähnlich sieht es aktuell im zweiten für Open Data relevanten Bundesgesetz aus, dem Datennutzungsgesetz (kurz DNG). Dort heißt es gleich in Paragraph 1: „Eine Bereitstellungspflicht oder ein Anspruch auf Zugang zu Daten wird mit diesem Gesetz nicht begründet“.
Klagemöglichkeit als rechtsstaatliches Mittel
Diese Stellen zu streichen, wird allein nicht reichen. Denn selbst ohne sie ist keineswegs klar, ob und wann ein Rechtsanspruch auf Open-Data-Bereitstellung besteht, zu wessen Gunsten er besteht, wie weit er geht und wie er notfalls durchgesetzt werden kann. Besonders wichtig wird sein, dass ein Einklagen des Rechtsanspruchs nach der anstehenden Neuregelung nicht nur durch einzelne Personen erfolgen kann. Gerade Ehrenamtlichen ist es kaum zuzumuten, zugunsten der Allgemeinheit privat vor Gericht ziehen zu müssen. Hier müssen daher Verbandsklagemöglichkeiten geschaffen werden, sodass – wie beim Verbraucherschutz – auch spezialisierte Organisationen den Rechtsanspruch auf Open Data gerichtlich geltend machen können.
Wikimedia Deutschland steht zur Begleitung bereit
Hundert Tage nach Regierungsbildung wird es nun für die Ampel Zeit, sich an die Arbeit zu machen und diesen Rechtsanspruch umfassend, also ohne Bereichsausnahmen, umzusetzen.
Innen- und Digitalministerium müssen einen Gesetzesvorschlag erarbeiten und dabei auf die Expertise der Zivilgesellschaft setzen. Es ist wichtig, dass die Perspektive gerade derjenigen aktiv einbezogen wird, die am Ende mit den offenen Daten arbeiten wollen. Nicht nur Verwaltungsdaten sollten frei nutzbar sein, sondern alle Inhalte, die mit öffentlichem Geld finanziert werden. Das gilt insbesondere auch für Publikationen der Verwaltung, die als amtliche Werke nicht mit urheberrechtlichen Argumenten zurückgehalten werden sollten.
Die hauseigene Expertise und Autorität zu Open Data sollte weiter gestärkt werden, auch bei zukünftigen zentralen Ansprechpersonen in Behörden. Alle Verwaltungsebenen in Deutschland sollten verpflichtet werden, ihre Daten auf dem Metadatenportal govdata.de bereitzustellen – und govdata.de zu einem echten nationalen Open Data-Portal ausgebaut werden.
Wikimedia Deutschland und weitere Organisationen stehen bereit, um diesen Prozess gut zu begleiten. Auf fragdenstaat.de/koalitionstracker können Interessierte transparent mitverfolgen, wie weit die Arbeit der Bundesregierung zum Rechtsanspruch auf Open Data und weiteren Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag fortgeschritten ist.
Wie weit ist die Bundesregierung mit ihren Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag? Welche Versprechen werden umgesetzt? Wo wird gebremst? Wie sieht der Stand in einzelnen Themenbereichen aus?
Der Koalitionstracker von FragDenStaat und Wikimedia Deutschland informiert schnell und umfassend über den Fortschritt der Regierungsarbeit.
[…] kann das nur heißen, dass auf Grundlage eines Rechtsanspruchs auf Open Data (siehe dazu Beitrag „Rechtsanspruch auf Open Data: Jetzt muss es endlich losgehen“) eine flankierende Gesetzgebung erfolgen soll, die Standards sichert und De-Anonymisierung von […]