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Networks & Politics 8 im Rückblick: „Brauchen wir ein Plattformgrundgesetz? Visionen für das Internet von morgen”

Online-Plattformen sind allgegenwärtig – sie prägen unsere Kommunikation ebenso wie den Zugang zu Diensten, Gütern, Informationen und Wissen. Nach welchen Spielregeln sollten Amazon, Facebook, Uber & Co. in Zukunft arbeiten, damit das Internet für alle besser und gerechter wird? Brauchen wir ein Plattform-Grundgesetz? Darüber diskutierten Fachleute aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft auf Einladung von Wikimedia Deutschland bei der 8. Ausgabe von Networks & Politics.

Frank Böker

Justus Dreyling

10. Dezember 2020

Zwanzig Jahre ist es nun her, dass die Europäische Union die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr beschlossen hat, die seither den rechtlichen Rahmen für Online-Plattformen setzt. Seit dem Jahr 2000 hat sich im Internet viel getan. Soziale Netzwerke sind entstanden und haben sich als Global Player etabliert. Auf europäischer Ebene ist man sich daher einig: Es wird Zeit für ein Update des Regelwerks.

Am 15. Dezember will die Kommission ihren Vorschlag für ein Gesetz für digitale Dienste, den Digital Services Act, vorlegen. Nicht einig sind sich die Stakeholder hingegen in der Frage, ob eher eine punktuelle Anpassung der Spielregeln oder eine umfassendere Neuregelung – eine Art Plattformgrundgesetz – notwendig ist. Mit anderen Worten: Die Vorstellungen darüber, wie das Internet von morgen aussehen soll, gehen auseinander. Dazu diskutierten auf Initiative von Wikimedia Deutschland bei der 8. Ausgabe von Networks & Politics:

  • Eileen Fuchs, Referatsleiterin für Digitalpolitik im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (Abteilung Digitale Gesellschaft),
  • Prof. Jeanette Hofmann, Leiterin der Forschungsgruppe „Politik der Digitalisierung“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und Direktorin des Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft (HIIG) und
  • Justus Dreyling, Projektmanager für internationale Regelsetzung bei Wikimedia Deutschland.
  • Moderiert wurde die Veranstaltung von Svea Windwehr, die selbst Expertin auf dem Gebiet der Internetregulierung ist.
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Drei Werte für das Internet von morgen

Justus Dreyling eröffnete die Veranstaltung mit einem Impulsvortrag über die gemeinsam von Wikimedia Deutschland, der Free Knowledge Advocacy Group (der Repräsentanz der europäischen Wikimedia Chapter) und der Wikimedia Foundation entwickelten Vorstellungen für das Internet der Zukunft. Da auch die Wikipedia und ihre Schwesterprojekte Plattformen im juristischen Sinne sind, ist davon auszugehen, dass diese vom Digital Services Act betroffen sein werden. Wikimedia Deutschland und Partner haben sich deshalb über das Jahr 2020 mit der Frage auseinandergesetzt, wie der Rahmen für Freies Wissen und ein offenes Netz aussehen müssten. Wikimedia will als zivilgesellschaftlicher Akteur mit einer positiven Vision voranschreiten, in der der Mensch und die Werte Meinungsfreiheit und Inklusivität im Mittelpunkt stehen.

Mehr Chancen als Herausforderungen

Auch Eileen Fuchs plädierte für eine wertebasierte digitale Transformation auf Basis demokratischer Grundwerte, ethischer Prinzipien und aktiver Einbindung der Zivilgesellschaft. Sie präsentierte hierzu Ergebnisse aus der Arbeit des Bundesinnenministeriums im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Sie wies darauf hin, dass wir es überwiegend mit kommerziellen Plattformen zu tun haben, die mittlerweile eine erhebliche Marktmacht aufweisen. Ihrer Meinung nach biete die Digitalisierung auch dank der Plattformen dennoch weiterhin mehr Chancen als Herausforderungen. Jedoch erfordere die Marktmacht der Plattformanbieter, dass diese sich auf geteilte Werte verpflichteten. Der Staat könne hier mit gutem Beispiel voran gehen, weshalb sich die EU-Mitgliedstaaten auf eine gemeinsame Erklärung zu den Prinzipien für digitale öffentliche Dienstleistungen geeinigt haben.

Regulierung kommerzieller Plattformen?

Jeanette Hofmann hob hervor, dass die Unterscheidung zwischen Staat und privaten Anbietern im Internet zunehmend verschwimme. Bei der Regulierung nutzergenerierter Inhalte auf Plattformen stehe der Staat vor ganz neuen Herausforderungen, etwa wenn er bei der Rechtsdurchsetzung auf die privaten Anbieter angewiesen sei – z.B. bei der Löschung illegaler Inhalte. Weitere Zielkonflikte bestünden in der Abwägung der Angemessenheit von Eingriffen einerseits und der Einschränkung von Meinungsfreiheit und Datenschutz andererseits. Prof. Hofmann betonte außerdem, dass gerade in der Gig Economy sehr problematische Arbeitsbedingungen herrschten. Aufgrund der niedrigen Preise von Anbietern wie Uber und den sich daraus ergebenden Vorteilen für Konsumentinnen und Konsumenten sei es allerdings schwierig, dieses Geschäftsmodell einzuschränken. Daher müsse man über Regulierungsprozesse nachdenken, die ein Nachsteuern ermöglichten, wenn ein neues Gesetz sein Ziel nicht gleich erreiche.

So geht es weiter…

In der anschließenden Diskussion kamen zahlreiche Aspekte der Plattformregulierung zur Sprache, etwa Fragen der Transparenz beim Einsatz von Algorithmen, der Förderung von Wettbewerb in der Plattform-Ökonomie und der Nutzung nicht-personenbezogener Daten für das Gemeinwohl. Wir hoffen, dass wir mit der 8. Ausgabe von Networks & Politics einige Denkanstöße für die Diskussion über den Digital Services Act geben konnten und blicken mit Spannung auf den 15. Dezember. Wikimedia Deutschland wird sich auch weiterhin mit einer positiven, wertebasierten Vision in die Debatte einbringen.

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