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Frag sie Abi! – Die Bilanz

Unsere Kampagne "Frag sie Abi!" geht in die Sommerferien. Wir ziehen Bilanz: Einige Bundesländer veröffentlichen als Reaktion jetzt ihre Abiklausuren, andere mauern weiter – und wir haben eine Klage eingereicht.
Frag sie Abi. CC BY-SA 4.0

Sebastian Schröder

21. Juni 2019

Sebastian Schröder, FragdenStaat, berichtet über die gemeinsame Kampagne von Open Knowledge Foundation und Wikimedia Deutschland.

Das Bildungsministerium in Mecklenburg-Vorpommern arbeitet langsam, zu langsam! Weil eine Anfrage zu den vergangenen Abituraufgaben nach über einem halben Jahr noch nicht beantwortet ist, gehen wir den nächsten Schritt und haben Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht in Schwerin eingereicht. Die Anfrage vom November, welche per Mail und Fax einging, hat das Ministerium bis heute ignoriert. Auch nach Aufforderung des Beauftragten für Informationsfreiheit des Landes ist nichts geschehen.

Öffentliches Geld – Öffentliches Gut ?!

Gemeinsam mit Wikimedia Deutschland fordern wir, dass die öffentlich finanzierten Abituraufgaben auch öffentliches Gut sind und für alle frei zugänglich auf den Bildungsservern abrufbar sind. In der im Februar gestarteten Kampagne „FragSieAbi“ haben wir es möglich gemacht die vergangenen Abituraufgaben mit einem Klick nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Landes anzufragen. Bisher waren viele Aufgaben nur gegen Bezahlung bei Verlagen zugänglich. Mit insgesamt 750 Anfragen konnten wir manches bewirken.

Den ersten Erfolg hatten wir in Niedersachsen, wo die Abiturklausuren in Zukunft auf dem Bildungsserver veröffentlicht werden. Dadurch müssen die Aufgaben nicht mehr individuell angefragt werden. Auch in Hamburg sendet die Behörde für Schule und Berufsbildung die Aufgaben jetzt den Anfragesteller*innen so zu, dass diese problemlos veröffentlicht werden können.

Hohe Gebühren und schlechte Gesetze

In Hessen war das Ministerium zwar grundsätzlich bereit Auskunft zu erteilen, verlangt dafür aber absurd hohe Gebühren für die Schwärzung urheberrechtlich geschützter Stellen in den Aufgaben. Zusätzlich wird auch auf die kostengünstigeren Veröffentlichungen der Verlage verwiesen. In Bremen sind wir noch gespannt, wie die Senatorin dort entscheidet. Die letzte Nachricht war vielversprechend.

Leider ist es in sechs Bundesländern überhaupt nicht möglich an die Abituraufgaben zu kommen. Grund ist meistens eine Ausnahme im Informationsfreiheitsgesetz für Bildungseinrichtungen und Prüfungsbehörden. Dass dadurch auch vergangene Prüfungen betroffen sind ist nicht nachvollziehbar. In Sachsen und Niedersachsen gibt es noch nicht mal ein Informationsfreiheitsgesetz um eine Anfrage zu stellen.

Einzig Bayern bildet eine positive Ausnahme! Obwohl es in Bayern auch kein Informationsfreiheitsgesetz gibt, hat das Ministerium die Aufgaben dennoch herausgegeben. Grundlage sind sogenannte Bürgeranfragen, die jede*r mit einem Interesse stellen kann. Schon vorher waren auch schon die Mathematik und Physik Aufgaben auf dem Bayerischen Bildungsserver online.

Urheberrecht auch bei Abituraufgaben

Das Urheberrecht beschäftigt uns immer wieder. In Abituraufgaben, gerade in Deutsch oder Englisch werden häufig Texte verwendet, die aus Zeitungen oder Büchern stammen. Dafür hat das Ministerium nicht die Rechte zur Veröffentlichung. Darum müssen diese bei einer Veröffentlichung herausgenommen werden. Leider lässt das Urheberrecht hierfür keine Ausnahme zu.

Schleswig-Holstein hat solche geschützten Texte geschwärzt und nur die ersten und letzten Worte frei gelassen und mit einer Quellenangabe versehen. So ist es einfach möglich die Texte in der Originalquelle wieder zu finden und die Dokumente zu veröffentlichen. Leider war hier das Ministerium etwas übervorsichtig und hat auch Gedichte von Goethe geschwärzt, welche längst nicht mehr unter das Urheberrecht fallen.

In Nordrhein-Westfalen werden die Aufgaben ungeschwärzt zum persönlichen Gebrauch herausgegeben. So muss jede*r für sich selber eine Anfrage stellen. Dadurch macht sich das Ministerium eigentlich nur selber mehr Arbeit.

In Mecklenburg-Vorpommern muss das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur unter der kürzlich neu vereidigten Ministerin Bettina Martin nun Stellungnahme gegenüber dem Gericht nehmen, warum die Anfrage bis dato nicht beantwortet wurde. Wir sind gespannt, wie lange sie dafür brauchen.

→ Zur Klage

→ Zu FragSieAbi

Bannerbild: Abhi Sharma from India, Books HD (8314929977), CC BY 2.0

Kommentare

  1. Abirede
    19. Juli 2019 um 13:23 Uhr

    Prüfungen sind deshalb so scheußlich, weil der größte Trottel mehr fragen kann, als der klügste Mensch zu beantworten vermag.

    Charles Caleb Colton

  2. Anja Lorenz
    28. Juni 2019 um 14:34 Uhr

    Liebe Jenny,

    nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Die von Dir angeführten Beispiele sind ja deswegen in ihrem Zugriff durch alle eingeschränkt, weil eine Nutzung durch “jede x-beliebige Bürger*in” mit Zusatzkosten verbunden wäre. Bei Schulhäusern sind es mindestens die Nebenkosten und Versicherung, bestimmt auch Wach- und Aufsichtspersonal etc. Aber Schulhäuser werden durchaus bspw. für Sportvereine oder bei Wahlen zugänglich gemacht, wenn das möglich ist (aber auch das verursacht Zusatzkosten. Auch die Einschränkungen bei der Feuerwehr basieren auf Zusatzkosten (Sprit, Bereitstellung im Notfall, Kontrolle der Fahrerlaubnis) und in diesem Punkt auch besondere Kompetenzen, die ein Feuerwehreinsatzfahrzeug mit sich bringt.

    Eben diese Kosten gibt es bei den Abituraufgaben bis auf den Einsatz von Originalquellen nicht. Bei letzteren gibt es Lösungen über Schwärzungen, wie in SH gezeigt. Die Aufgaben werden von Lehrkräften erstellt, die von Steuergeldern bezahlt werden. Doch bisher war es gelebte Praxis, dass nicht etwas die Steuerzahler*innen als Auftraggeber*innen darauf zugreifen konnten, sondern Verlage (bspw. Stark) die Aufgaben in Bücher gedruckt hat, damit Abiturienten sie (erneut) bezahlen können, wenn sie sich auf ihre Prüfungen vorbereiten. Das ist doch absurd und verstärkt die Chancen-Ungleichheit. Die digitalen Verbreitungswege ermöglichen es aber, dass der Zugriff auf die Aufgaben keine variablen Kosten mit sich bringt. Die Rechte der Urheberinnen und Urheber können trotzdem gewahrt bleiben.

    Und auch wenn Deine Vergleiche sehr gehinkt haben: jede*r Bürger*in profitiert von öffentlich finanzierten Schulen (selbst als Schüler*in oder auch durch die kostenfreie Bildung der eigenen Kinder) und die Feuerwehr ist ebenso für jede*n abrufbereit – eben weil wir alle das gemeinsam bezahlen.

  3. Daniel N
    21. Juni 2019 um 22:24 Uhr

    “Selbstverständlich verlangen die Rechteinhaber Honorare, wenn ihre Texte außerhalb der Prüfungen veröffentlicht werden.” – Warum? Ist es normal, dass man mehrmals bezahlt wird für einmal geleistete Arbeit? Wenn Sie gerne für Dinge bezahlen, die über Ihre Steuergelder bereits bezahlt wurden, gerne!

  4. Jenny Berger
    21. Juni 2019 um 14:02 Uhr

    Der Slogan “Öffentliches Geld – Öffentliches Gut” ist doch seltsam naiv. Es gibt tausende von Fällen, in denen Sachwerte oder Produkte mit staatlichen Geldern beschafft oder angefertigt werden, ohne dass jede x-beliebige Bürger*in darauf unbeschränkten Zugriif hätte. Jedes Schulgebäude wird nach Schulschluss abgeschlossen, die Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr dürfen eben nur von der Feuerwehr benutzt werden. Wenn es bei den Abituraufgaben sachliche Gründe gibt, sie nicht öffentlich zu verbreiten, nämlich die urheberechtlichen Beschränkungen, dann muss man das akzeptieren. Selbstverständlich verlangen die Rechteinhaber Honorare, wenn ihre Texte außerhalb der Prüfungen veröffentlicht werden. Dies schlichtweg auszublenden ist Verblendung.

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