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Qualitätskriterien und -standards in der (offenen) Wissenschaft (Update)

Mit unserer Veranstaltungsreihe “Das ABC des Freien Wissens” buchstabieren wir Fragen zur vernetzten Gesellschaft durch. Bei der Podiumsdiskussion zum Buchstaben “Q = Qualität" stellten wir die Frage: "Ist offene Wissenschaft die bessere Wissenschaft?” und diskutierten die Potentiale von Open Science.

WMDE allgemein

16. März 2018

Das #wmdesalon-Podium zum Thema Q=Qualität: Dr. Konrad Förstner, Dr. Isabel Steinhardt, Prof. Dr. Vera Meyer und Martin Hammitzsch. Foto: Denis Schroeder (WMDE), Wmdesalon Q=Qualität I, CC BY-SA 4.0

Am Dienstag, den 13. März 2018 führte Dr. Konrad Förstner durch den ABC-Salon “Q=Qualität” und ließ Martin Hammitzsch, Prof. Dr. Vera Meyer und Dr. Isabel Steinhardt die Frage diskutieren, inwiefern Offene Wissenschaft die bessere Wissenschaft ist. Im Mittelpunkt stand, ob die Formel “Je offener, desto besser” tatsächlich bestehen kann. Offene Wissenschaft (engl. Open Science) umfasst dabei verschiedenste Prinzipien, die zum Ziel haben, Forschungsprozesse und -ergebnisse kollaborativ zu erarbeiten sowie frei zugänglich und nachnutzbar zu machen. Offene Wissenschaft erhebt den Anspruch, Transparenz für wissenschaftliche Erkenntnisse zu ermöglichen und einen Mehrwert für die Gesellschaft durch Teilhabe und Zugang zu Wissen zu generieren.

Potenziale der Offenen Wissenschaft

Dr. Konrad Förstner, Leiter Core Unit Systemmedizin, Universität Würzburg. Denis Schroeder (WMDE), Konrad Förstner wmdesalon, CC-BY-SA 4.0

Die von Dr. Konrad Förstner geleitete Diskussion begann mit individuellen Plädoyers der Teilnehmenden zu den Potenzialen Offener Wissenschaft: Eine Verbesserung der Qualität von Wissenschaft könne vor allem dadurch erreicht werden, wenn Forschungsprozesse transparent und nachvollziehbar gemacht würden, so Dr. Isabel Steinhardt, die am International Centre for Higher Education Research in Kassel tätig ist und im Fellow-Programm Freies Wissen zu kollaborativem Online-Interpretieren forscht. Prof. Dr. Vera Meyer unterstützte als Open-Access-Beauftragte der Technischen Universität Berlin und Biotechnologie-Wissenschaftlerin diese These und unterstrich, dass Qualität immer mit der Reproduzierbarkeit von Ergebnissen einhergehe. Diesen Gedanken weiterführend sprach Martin Hammitzsch über die Möglichkeit der interdisziplinären Verbindung von Forschung. Die Öffnung des Forschungsprozesses und der verwendeten Daten berge das Potenzial der Verknüpfung von unterschiedlichen Ansätzen verschiedener Themenbereiche und die Einbindung von interessierten Bürgerinnen und Bürgern. Insbesondere wurde hier Citizen Science als wichtiges Konzept Offener Wissenschaft gehandelt, damit Forschung nicht nur im stillen Kämmerlein praktiziert wird, sondern auch die praxisnahe Expertise und Kreativität zu spezifischen Themen aus der Gesellschaft mit einbezogen werden können. Mit Citizen Science wird eine Form der Offenen Wissenschaft bezeichnet, bei der Projekte unter Mithilfe oder komplett von interessierten Laien durchgeführt werden. Sie melden Beobachtungen, führen Messungen durch oder werten Daten aus.

Definition und Messbarkeit von wissenschaftlicher Qualität

Fortwährend wurde die Diskussion zurück auf die übergeordnete Frage gelenkt, wie sich wissenschaftliche Qualität definieren lässt und woran man diese erkennen kann. Ob Offene Wissenschaft von vornherein die bessere Wissenschaft sei, lasse sich nicht so einfach bestimmen, wie die unterschiedlichen Diskussionsstränge zu “Was bedeutet eigentlich Qualität in der Wissenschaft?” und “Wie begreifen wir Offene Wissenschaft als individuelle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler?” gezeigt haben. Wichtig sei vor allem zu bedenken, so war der Tenor der Diskussion, dass sich die Formel “Je offener, desto besser” nicht auf alle Fachdisziplinen gleichermaßen übertragen lasse. Es gelte zunächst abzuschätzen, welche Formate innerhalb des Forschungszyklus nützlich seien. Einig waren sich jedoch alle, dass durch die Offenlegung von Forschungsprozessen und der damit verbundenen Kommunikation innerhalb deiner eigenen Wissenschaftscommunity und/oder darüber hinaus, die Möglichkeit entsteht, konstruktives Feedback einzuholen und Arbeitsprozesse zu verkürzen. Im weitesten Sinne ist hier auch das Open Peer Review als offenes Begutachtungsverfahren zu nennen, was zur Qualitätssteigerung in der Beurteilung von wissenschaftlicher Forschung führen könne. Darüber hinaus wurde in der Diskussion deutlich, dass Wissenschaft nur dann gute Wissenschaft sein kann, wenn sie verlässlich und reproduzierbar ist und Kritik standhalten kann.

Prof. Dr. Vera Meyer, Open-Access-Beauftragte TU Berlin & Biotechnologie-Wissenschaftlerin. Denis Schroeder (WMDE), Vera Meyer wmdesalon, CC-BY-SA 4.0

In diesem Sinne sprach sich das Podium definitiv gegen den Impact-Faktor aus, der bisher als Maß für Qualität in der Wissenschaft herangezogen wurde und immer noch wird. Er gibt jedoch lediglich Auskunft darüber, wie oft die Artikel einer bestimmten Zeitschrift in anderen Publikationen zitiert werden. Aufgrund der unterschiedlichen Größe von Forschungsfeldern und der Diversität von Themengebieten könne der Faktor, laut der Diskutierenden nicht sinnvoll zum Vergleich oder zur Bewertung von Forschung herangezogen werden. Die Qualität einer Arbeit definiere sich eher über ihre Standfestigkeit im Diskurs.

Denn: Jedes Themengebiet hat innerhalb des Diskurses zur Evaluation einer Arbeit eigens angepasste Bewertungskriterien, die von Feld zu Feld stark variieren können. Prof. Dr. Meyer betonte, man solle sich bei der Bewertung von Arbeiten von der Vereinfachung in Form von Zahlen abwenden und die Qualität anhand rationaler Kriterien eigenständig erkennen lernen. Jedes Werk stehe für sich und sollte auch somit als solches bewertet werden, so  Dr. Isabel Steinhardt.

Zukunft der (offenen) Wissenschaft

Martin Hammitzsch, Leiter eScience-Zentrum, Helmholtz-Zentrum GFZ Potsdam, Denis Schroeder (WMDE), Martin Hammitzsch wmdesalon, CC-BY-SA 4.0

Mit der Digitalisierung und der damit einhergehenden Möglichkeit, Prozesse und Ergebnisse für alle freizugeben, begann eine Transformation hinzu Offener Wissenschaft. Schon jetzt lasse sich der Wandel wahrnehmen, der von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern selbst initiiert wurde und nun auch von Förderprogrammen unterstützt wird. Nach Schätzungen des Podiums publizieren bereits etwa 30 Prozent der Forschenden mit einem offenen Zugang / Open Access. Akteure der Wissenschaft entwickeln Schritt für Schritt ein Verständnis davon, dass Offene Wissenschaft viele Potenziale birgt. Prof. Dr. Vera Meyer betont in diesem Zusammenhang, dass Forschung, die von staatlichen Geldern bezahlt wird, grundsätzlich auch für die gesamte Bevölkerung zugänglich sein sollte.

Der Wandel vollzieht sich langsam: Menschen müssen mitgenommen werden, indem ihnen der richtige Umgang mit Daten beigebracht wird. Die Forschung sollte sich in diesem Zusammenhang darum bemühen, ihre Ergebnisse mit den nötigen Hintergrundinformationen und Kontext (Metadaten) zu versehen. Plattformen zur Sammlung von Forschungsergebnissen können hierbei einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie Studien leicht auffindbar machen und miteinander verknüpfen. Themenübergreifendes Forschen und der Einbezug von allen Interessierten kann hierbei als Ziel von Offener Wissenschaft verstanden werden.

Das “ABC des Freien Wissens” verpasst? Hier gibt’s die Liveaufzeichnung der Veranstaltung

Mehr zur unserer Veranstaltungsreihe “Das ABC des Freien Wissens” unter: wmde.org/abc-salon.

Videos zu älteren Ausgaben des “ABC des Freien Wissens” gibt es außerdem in unserer Youtube-Video-Playliste.

Update: Interviews mit Podiumsteilnehmenden zu Open Science sind online

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