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Modernes Datenrecht – Für die Wirtschaft oder für die Menschen? Im Wikimedia-Salon wurde über die Digitalpolitik der Zukunft diskutiert.

Lilli Iliev

3. November 2017

Ein Beitrag von Nils Wach, der ein Praktikum im Bereich Politik & Recht absolviert.

Vera Linß, John Weitzmann, Konstantin von Notz, Saskia Esken. Foto: ALEX Berlin, CC BY-SA 4.0

Die Digitalisierung aller gesellschaftlichen Bereiche wurde während des Wahlkampfes zur Bundestagswahl 2017 von allen Parteien als eine der wichtigsten Herausforderungen in der nächsten Legislaturperiode bezeichnet. Verhältnismäßig gering fällt dem entgegen die Aufmerksamkeit für die Sondierungsrunde zum Thema Digitalisierung aus, nicht zuletzt aus dem Grund, dass Themen der Digitalisierung weiterhin auch in anderen Sondierungsrunden besprochen werden.

Am Donnerstag, den 02.11.17, durften wir Konstantin von Notz, Experte für Netzpolitik bei Bündnis90/Die Grünen und Mitglied der sich zur Zeit bildenden Regierungskoalition sowie Saskia Esken, stellvertretende netzpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion und Mitglied der Oppositionsführung im Wikimedia-Salon “Das ABC des Freien Wissens” begrüßen. Ergänzt wurde die Runde von John Weitzmann, Referent für Politik und Recht bei Wikimedia Deutschland und moderiert von der Medienjournalistin Vera Linß. Der Salon fand in den Räumen von ALEX Berlin statt und ist als Video abrufbar.

Das ABC des Freien Wissens: P = Politik im Netz

Unter dem Prinzip Das ABC des Freien Wissens buchstabiert Wikimedia Deutschland Fragen zur vernetzten Gesellschaft durch. Anlässlich des neu gewählten Bundestages fand die Ausgabe am gestrigen Abend unter dem Titel “P=Politik im Netz. Wohin steuert die Digitale Agenda?” statt. Dabei wurde nicht nur die Frage nach dem zukünftig für die Netzpolitik verantwortlichen Ministerium, sondern auch nach der Entwicklung in den Bereichen Open Data, Open Government, Open Source und der EU-Urheberrechtsreform diskutiert.

A = Ausschuss Digitale Agenda

Eröffnet wurde die Diskussion mit einem Rückblick auf die Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft, die von Mai 2010 bis April 2013 die zentrale Instanz zur Findung netzpolitischer Positionen darstellte und den Weg für die konstituierende Sitzung des Ausschusses Digitale Agenda am 19. Februar 2014 bereitete. Die Antwort auf die Frage, warum ein ständiger Ausschuss des Bundestages weitaus weniger medial in Erscheinung getreten ist als die vergangene Enquete Kommission, wurde von Saskia Esken, Mitglied des Ausschusses Digitale Agenda, in der vergangenen Legislaturperiode, eindeutig mit der fehlenden Zuständigkeit beantwortet, welche dem Ausschuss lediglich eine beratende Funktion ermöglichte.

Der Einwurf von John Weitzmann, dass der dadurch ermöglichte Einfluss des AdA auf die verschiedenen federführenden Gremien seine Wirkung entgegen der medialen Sichtbarkeit erhöht, mochte Konstantin von Notz jedoch nicht gelten lassen, da dieser in den letzten acht Jahren keinen Fortschritt in der Digitalpolitik der Bundesregierung erkennen konnte. Seine Forderung, die Kompetenzen im Bereich der Digitalpolitik bei einer “Koordinatorenrolle” zu bündeln, ohne dabei jedoch ein “Digitalministerium” zu schaffen, wurde von Saskia Esken als unwahrscheinlich bezeichnet und mit der Idee eines Digitalkabinetts nach Rheinland-pfälzischem Vorbild konterkariert. Abgeschlossen wurde der Themenblock durch eine Einschätzung von John Weitzmann, der “das Rausziehen der Kompetenzen” aus den verschiedenen Ministerien als keine Lösung bezeichnete und im Antreiben über eine Koordinatorenrolle zumindest einen Schritt nach vorn erkennen kann.

D = Datenrecht, Datensouveränität und “Dateneigentum”

Den größten Themenblock der Veranstaltung bildete die nachfolgende Diskussion zum zur Zeit in den Sondierungen beratenen Datenrecht. Diese Formulierung, welche bereits im Wahlkampf der CDU/CSU den Fokus ihrer Digitalpolitik ausmachte, wurde so auch in die Sondierungsgruppe Digitalisierung übernommen. Im Rahmen dessen wurden folgende Fragen in den Raum gestellt:

Wie verhält sich das Datenrecht zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung? Wie beeinflusst die Umsetzung der europäischen Datenschutzgrundverordnung das Datenrecht und vice versa? Und welche Auswirkungen kann der vorrangig von der FDP vorangetriebene Begriff der Datensouveränität auf das Datenrecht haben?

Dabei wurde der Schutz der Menschenwürde und Privatsphäre von allen Beteiligten als unveränderlicher Mittelpunkt einer Debatte über das Datenrecht anerkannt, wobei die in dem veröffentlichten Papier zum Sondierungsstand beschriebene Balance zwischen den Datenschutzinteressen der Bürgerinnen und Bürger mit wirtschaftlichen Interessen einen großen Spielraum für gefährliche Einschnitte in das Datenschutzrecht zulässt. Bevor das Gespräch auf die europäischen Bestrebungen zur Regulierung des Datenschutzes eingehen konnte, musste danach noch das Thema der Datensouveränität und der Gefahr eine “Dateneigentums” besprochen werden.

Die Kritik von John Weitzmann ist, dass die Diskussion um die Datensouveränität die Gefahr birgt, über Umwege ein sogenanntes “Dateneigentum” zu etablieren, welches öffentlich zugängliche Daten als die “letzte große Gemeinressource” zu privatisieren droht (ähnlich wie es schon 2013 zu der Einführung des gescheiterten Leistungsschutzrechtes für Presseverleger geschehen ist).

Zwar bekräftigte auch Konstantin von Notz als einzig anwesender Vertreter der möglichen Regierungskoalition, dass die Grünen einem Dateneigentum kritisch gegenüberstehen, gleichzeitig bezeichnete er den Druck aus der Industrie jedoch als enorm. Merklich entspannt bei dieser Frage in der Opposition zu sein, merkte auch Saskia Esken an, dass es bei dieser Frage unterschiedliche Positionen in der SPD gibt.

E = Europäischer Weg

Die Hoffnung, dass eine Ausweitung der EU-Datenschutzgrundverordnung die Einführung eines Dateneigentums verhindern könnte, leitete direkt über zum letzten Thema des gestrigen Abends, dem europäischen Blick auf die Digitalpolitik. Dabei waren sich zumindest alle Beteiligten einig dabei, dass ein “europäischer Weg” für die Digitalwirtschaft geschaffen werden müsse, welcher den europäischen Gegebenheiten wie dem Datenschutz Rechnung trägt und ansässigen Unternehmen gleichzeitig einen zur angloamerikanischen Konkurrenz wettbewerbsfähigen Rahmen zur Verfügung stellt.

Die Position der zukünftigen Bundesregierung im Rat der Europäischen Union konnte, so Konstantin von Notz, in den bisherigen Sondierungsrunden noch nicht besprochen werden. Nachdem die Podiumsgäste auf Grund der wenigen verbliebenen Minuten nur kurz auf das Verhältnis von Urheber- und Kartellrecht zu sprechen kommen konnten, wurde der Salon mit der Möglichkeit zur Einbringung von Zuschauerfragen beendet.

Z = Zuschauerfragen

Dabei ging es noch einmal um das kürzlich verabschiedete Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), digitale Altersvorsorge, digitalen Umweltschutz und den digitalen Arbeitsmarkt.

 

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