zurück

Schöner Scheitern? Schneller Scheitern! – Das ABC des Freien Wissens “F=Fail.”

Lilli Iliev

5. Februar 2015

Die Podiumsdiskussion zum Thema Scheitern fragt, wie produktives Lernen aus Fehlern funktioniert.

 

Die Bahn hat Verspätung. Der Flughafen wird bestreikt. Das Podium sitzt.

Trotz kleinerer Widrigkeiten fanden sich letzten Donnerstag die Autorin Silke Burmester, Gründer Rolf Mathies, Medientheoretikerin Sabria David und Journalist Philip Banse bei Wikimedia Deutschland ein, um über das Scheitern zu sprechen.

Und jetzt: Leistung! Passion! Aber auch: Niederlage. Scham. Einige Aspekte des Scheiterns wurden an diesem Abend abgetastet, gedreht und gewendet.

Andächtig fast wurde die Stimmung am Schluss, als Musiker Erfolg schamanisch beschwörend durch die Reihen schritt: “stürz dich bitte / nicht von der klippe / glaub an erfolg / glaub an erfolg”

Warum interessiert das Thema eigentlich so?

“Mir ist jeder lieber, der irgendetwas versucht, statt rumzusitzen und zu konsumieren.”

Silke Burmester

Scheitern als Quelle produktiver Kraft?

Musiker “Erfolg”: Tu´s mir nach, sag es laut: Glaub an Erfolg! Foto: Christopher Schwarzkopf (WMDE) [CC BY-SA 3.0]

Moderator Philip Banse interessiert vor allem, ob tatsächlich aus dem Scheitern gelernt werden kann, oder ob diese Aussicht eigentlich nur das Trostpflaster des Losers ist. Er fragte die Runde: Kann es wirklich als kreativer Zustand gelten, am Boden zu sein? Ist das Scheitern eine Art produktive Ursuppe, aus der Erkenntnis und Erfolg erwachsen kann?

Die gemäßigte Variante fand Anklang: Man sollte den Zustand einfach am besten als Möglichkeit des Lernens verstehen.

Wie aber kann man ebendieses Lernen lernen? Banse meint, die entscheidende Frage sei, wie man sich mit dem Scheitern fühlt. Es müsste auch Kindern nicht nur beigebracht werden, die richtige Antworte zu nennen, sondern auch mit dem miesen Gefühl umzugehen, wenn es die falsche ist.

 

Rapid prototyping, oder: Fail fast!

Heitere Stimmung nach der Diskussion. Foto: Christopher Schwarzkopf (WMDE), [CC BY-SA 3.0]

Risikoinvestor Rolf Mathies fördert Gründer, deren Projekte neu und deren Erfolg nicht garantiert ist. Das Fokussieren auf den Gewinn statt auf das mögliche Scheitern sieht er hier als treibende, positive Energie, die letztlich die Gesellschaft nach vorn bringt. Ein amerikanischer Ansatz? Schnell Gründen, schnell Scheitern, schnell Weiterprobieren ist das implizite Mantra der Szene.

Von untergehenden Staaten brauche man sich aber bitte nicht erklären lassen, wie Scheitern geht, sagt Silke Burmester. Unsere patriarchal geprägte Unternehmerkultur biete historisch bedingt einfach weniger Raum für Experimente. Uns fehle der kompetitive Ansatz und der Wille zum Probieren. Raum, um sich auszutesten sei aber eben auch durch einen durchdringenden Ökonomisierungsdruck gar nicht mehr vorgesehen.

Lifestyle-Scheitern vs. Versöhnung mit dem Fehler

Auch eine Tendenz zum Lifestyle-Scheitern greift offenbar um sich, meint Rolf Mathies. À la: “Und, was war dein größter Fuck Up?” Wenig sympathisch und erstrebenswert scheint es, wenn das Scheitern zum obligatorischen und showtauglichen Bruch im Lebenslauf wird. Die erhöhte Aufmerksamkeit durch den aktuellen Trend verschiedener Diskussionsformate, bei denen die finstersten Ecken des Scheiterns ausgeleuchtet werden, sollte nicht zu einer Verharmlosung heftiger Schläge im Leben führen. Sondern vielmehr zu einer echten Auseinandersetzung mit unserer Bewertung des Fehlers.

Sabria David lenkt die Aufmerksamkeit auf das zunehmende Verdrängen starrer zugunsten flexibler Strukturen, die der digitalen Kultur entsprächen. Die Entwicklung gehe praktisch Richtung Wikipedia-Prinzip: Vorteilhaft wird es zunehmend, viele kleine Schritte tun, iterativ vorzugehen, Rückkopplungsmechanismen zu etablieren, flexible Denkmechanismen und anpassungsfähige Strukturen zu schaffen.

Doch wie gelingt es nun, das Lernen (aus dem Scheitern) zu lernen? Klar wird, es ist eine Gratwanderung: Wachsamkeit vor dem Scheitern, ohne dass diese zur Lähmung werden darf. Sich Raum nehmen zum Probieren, seine Passion für etwas entdecken, aber auch erkennen und handeln, wenn die eigenen Fähigkeiten nicht der Leidenschaft entsprechen.

 

Aber selbst wenn Können, Wollen und Passion zusammenkommen, sagt Sabria David, ist man nicht vor Misserfolg gefeit. Da Scheitern eben auch kontextabhängig sei und daher unheimlich schwer zu kalkulieren.

Ist das Fazit also: Schneller Scheitern – schneller Reüssieren? Eher geht es wohl darum, zu lernen, das Scheitern auszuhalten, es anzublicken und zuzuhören, was es sagt. Und den Fehler nicht als endgültig zu sehen.

Links:

Fotos der Veranstaltung

Video der Veranstaltung 

Kurzinterviews der Gäste

Das nächste ABC des Freien Wissens findet am Donnerstag, den 26. März zum Thema “G=Grundeinkommen. Eine Antwort auf die digitale Krise des Urheberrechts?” statt.

Kontakt: salon@wikimedia.de

Noch keine Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert