WikiWomenCamp? Richtig, ein dreitägiges Camp nur für Frauen der Wikipedia/Wikimedia, in dem sie sich unter ihresgleichen über Themen und Probleme rund um den GenderGap der Wikipedia austauschen können. Initiiert wurde die Frauenkonferenz, die 2012 das erste Mal stattfand, von Laura Hale aus Australien. Als Gastgeberin hat sich dann allerdings Argentinien zur Verfügung gestellt, u.a. wegen der leichter zu bekommenden Visa. Schon aus diesem Aspekt lässt sich herauslesen, dass es sich um eine kunterbunte Truppe vom gesamten Globus handelt, die hier zusammen gekommen ist.
19 (zeitweise 23) Frauen aus elf Ländernund verschiedenen Generationen, sie alle verbindet eine Leidenschaft: Wikipedia. Nicht alle sind aktive Editorinnen, doch alle sind in irgendeiner Form in die Projekte der Wikimedia involviert. Das machte das Camp zu einem Ort des Austauschs über die unterschiedlichsten Themen, Kulturen und Projekte.
Um die Konferenz nicht unnötig steif zu machen wurde von Anne Goldenberg, die das Camp begleitete, die Form des „Open Space“ gewählt. Das heißt, Themen werden von den Teilnehmerinnen am ersten Tag in Form von Sessions vorgeschlagen. Diese werden dann in eine Art Terminkalender eingetragen.
Die vorschlagende Person „hält“ die Session und die restlichen Teilnehmenden können sich aussuchen, an welchen, teilweise parallel stattfindenden, Sessions sie sich beteiligen wollen. Wobei auch die Beteiligung beim Open Space durchaus sehr offen ist. Die Session kann jederzeit gewechselt werden, und jede Teilnehmerin entscheidet für sich wann sie was zu welchem Thema beitragen kann.
Protokoll und Ergebnisse der einzelnen Sessions des WikiWomenCamps wurden sowohl auf Papier als auch im Wiki festgehalten.Diese Konferenzform lässt sehr viel Flexibilität zu, läuft aber bei zu lockerer Leitung immer wieder Gefahr die Zielorientierung zu verlieren.
Sessions, die die Frauen durchgeführt hatten, befassten sich u.a. mit Erfahrungen von „Dem Umgang mit Beschimpfungen und Schikane in der Wikipedia“, der Aufgabe auch ältere (Frauen) an die Wikipedia heranzuführen, dem Einfluss der Wikipedia auf die Gesellschaft und allem voran natürlich mit der Frage warum so wenige Frauen in der Wikipedia schreiben bzw. wie man sie motivieren könnte. Insgesamt wurden während der drei Tage 16 Sessions abgehalten.
Es stellte sich heraus, dass Gründe zu suchen, weshalb Frauen sich weniger in der Wikipedia beteiligen als Männer, in unterschiedlichen Ecken zu suchen sind: angefangen von der Sozialisation, über die Software bis hin zu Kommunikation und Atmosphäre in der Wikipedia speziell.
Projektansätze zur Verbesserung wurden ebenfalls diskutiert, so zum Beispiel ein Kursangebot das speziell Frauen ansprechen soll und auf deren Bedürfnisse ausgerichtet ist. Aber auch die Idee eine ältere Generation von Frauen anzusprechen. Die Hürde besteht hier oft in mangelnder technischer Kenntnis oder auch geringem Selbstvertrauen. Eine Idee hier ist „Generationspaare“ zu bilden. Das heißt Studentinnen und Studenten mit Zugang zu wissenschaftlichen Quellen erarbeiten zusammen mit dem Wissen und der Erfahrung von Älteren neue Artikel. Susana aus Argentinien hat sich bereits solchen Projekten gewidmet.
Angesprochen wurden auch Probleme der Alphabetisierung bzw. Schwierigkeiten einen Wikipediaartikel zu schreiben, wenn man zwar das nötige Wissen jedoch nicht die dazugehörigen „Writing-Skills“ hat. Auch der Unterschied zwischen oralen und literalen Kulturen ist ein Thema, vor allem auch in Südafrika und Indien. Hier war eine erste Idee, dass die Integration von Multimedia-Elementen wie Video und Audio eine Überwindung dieser Barrieredarstellen könnten.
Eine relativ schnell umsetzbare Hilfe bezüglich des Umgangs mit Beleidigungen und dergleichen, erschien die Idee einer Beschwerdeanlaufstelle. Das heißt, Wikipedianer und Wikipedianerinnen könnten sich an einer zentralen Anlaufstelle beschweren bzw. über ihre Erfahrung berichten, und über eine Art Ticketsystem würden sich dann die dafür verantwortlichen Ansprechpartnerinnen oder Ansprechpartner mit den zugetragenen Fällen auseinandersetzen.
Siska von Wikimedia Indonesien sprach des Weiteren von ihrem in Indonesien initiierten erfolgreichen Projekt, in dem sie Schreib-Wettkämpfe an Universitäten veranstaltet. Die Wirkung ist zwar zunächst nur temporär jedoch steigen die Artikelzahlen und von jeder Gruppe bleiben im Schnitt ein bis zwei treue Wikipedianer und Wikipedianerinnen übrig.
Bei der Suche nach Lösungen wurde aber auch deutlich, dass sich viele Bereiche überschneiden und potentielle Maßnahmeneiner kulturellen Abwägung bedürfen. Laura Hale fasste die Diskussion mit der sinnvollen Forderung zusammen: „If women have a real, life-worthy, time-lasting motivation to edit, then finding time, confidence and technical skills become secondary (and solvable) issues.”
Interessant war auch zu beobachten, dass sich die besprochenen Themen z.B. der Punkt, dass Frauen auf Grund der Verantwortung für Familie und Kindern weniger Zeit haben um in der Wikipedia zu arbeiten, sich auch im „realen“ Camp widerspiegelten. So konnten nicht alle Teilnehmerinnen über die komplette Zeit anwesend sein, weil sie sich daheim um Familie und Kinder kümmern mussten.
Was die generelle Arbeitsatmosphäre des Camps angeht, so führten lediglich laute, aufgeregte Diskussionen bei brisanten Themen, manchmal zu der mütterlichen Ermahnung, man möge sich doch bitte erst ausreden lassen. Auch die schlechte Akustik in den sehr hellhörigen Räumen, erschwerte zeitweise das konzentrierte Arbeiten. Eine teilweise fehlende Visualisierung der Ergebnisse ist mangelndem Material und in einigen Fällen zu wenig Moderation der Gruppe geschuldet. Allerdings wurde im Wiki versucht die Sessions (unter der entsprechenden Session-Seite verlinkt in der Agenda) zu protokollieren.
Dass alle Redebeiträge für nicht englischsprechende stets auf Spanisch übersetzt wurden, verlangsamte zwar die Diskussionen, ermöglichte es aber gerade den zwei argentinischen Seniorinnen ihre wertvollen Erfahrungen mit der Gruppe zu teilen.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Ansammlung an Frauen mit sehr unterschiedlichen Charakteren, Alter und Kulturen sehr bereichernd war. Es herrschte eine gute und vor allem offene Atmosphäre, in der es sich sehr gut zusammenarbeiten ließ und man viel über die Kulturen anderer Länder und von persönlichen Erfahrungen lernen konnte.
Am Schluss war man sich einig, dass das WikiWomenCamp unbedingt fortgesetzt werden müsse. Als nächstes Gastgeberland hat sich Australienbeworben. Für die Planung des kommenden Camps wurden bereits erste Anforderungen formuliert und festgesetzt, dass dafür die Plattform “Wikichix” für die Kommunikation wiederbelebt werden soll. Was die Zielsetzung angeht so steht die Schaffung eines Ortes im Vordergrund, an dem die Möglichkeit für Frauen besteht sich völlig frei und ungezwungen über jegliche Themen äußern zu können, Kontakte zu knüpfen, Projekte zu starten. Zudem wurde betont, dass die Unterstützung von gleichgesinnten Frauen zu lernenvon unschätzbarem Wert ist.
Deshalb an dieser Stelle vielen Dank an die Organisatorinnen, die finanzielle Unterstützung vor allem durch Wikimedia Deutschland, Wikimedia Australien und Wikimedia Österreich und natürlich an alle Teilnehmenden. Wir freuen uns beim nächsten Camp wieder mit einem lauten Lachen im Frühstücksraum begrüßt zu werden!
Bericht von: Nathalie Köpff
Weitere Informationen, wie z.B. die Zusammenfassungen der Sessions, befinden sich im Metawiki.
Weitere Berichte:
- Laura Hale (Englisch): WikiWomenCamp brings together female Wikimedians in Buenos Aires
- Christina Haralanova (Englisch): Elderly & Wikipedia, Why so few women edit?, How to educate quality contributors
- Anastasya Lvova (Russisch): WikiWomenCamp & WikiGenero
- Argentinische Presse “Tiempo Argentino” (Spanisch): Las mujeres wikipedistas llegaron a Buenos Aires para hablar sobre género
Fotos und einige Videos finden sich auf WikimediaCommons unter „WikiWomenCamp“. Ein Video mit Eindrücken und Interviews wird zeitnah zur Verfügung gestellt.
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