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“Ein bisschen Aufklärung würde schon reichen”

WMDE allgemein

2. Dezember 2011

Das Gemeinschaftsprojekt zur Erstellung einer Enzyklopädie startete erst vor 10 Jahren. Die größte Wissenssammlung der Menschheit ist Wikipedia bereits heute.

“Millionen Freiwillige haben ihr kostenlos zugearbeitet, haben Artikel verfasst, redigiert, korrigiert, überarbeitet, in ihrer Freizeit wieder und wieder überprüft. Deshalb steht Wikipedia wie kein anderes Projekt des vergangenen Jahrzehnts für die guten Seiten des Internets und für den Drang des Menschen, etwas fürs Gemeinwohl zu tun,”

so schreibt Zeit online zum 10-jährigen Geburtstag von Wikipedia. Aber Wikipedia ist nicht perfekt. Viele Bereiche sind noch nicht oder unzulänglich abgedeckt. Das weiß die Wikipedia-Autorengemeinschaft wie auch Wikimedia Deutschland. Darum gibt es zahlreiche Bemühungen, die freie Enzyklopädie zu verbessern. Dies war auch das Ziel des 2007 vom nova-Institut und Wikimedia Deutschland realisierten Projekts „Nachwachsende Rohstoffe in der Wikipedia“. Begleitet und unterstützt wurde das Projekt durch die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV). Es war das erste und bislang einzige öffentlich geförderte Vorhaben zum inhaltlichen Aufbau eines Themenbereichs in der Wikipedia. Nach einer Bestandsaufnahme und der Strukturierung des Artikelbestands wurden Experten zu Nachwachsenden Rohstoffen gesucht, die zur Ergänzung und Verbesserung der Inhalte beitragen sollten. Innerhalb und außerhalb der Wikipedia-Community sollten Fachleute gefunden werden, die  kompetente Recherchen zu diesem Themenbereich durchführen und qualitativ hochwertige Artikel verfassen. Beabsichtigt war, die Projektlaufzeit über drei Jahre zu nutzen, um die Artikel dieses Feldes zu optimieren bzw. zu aktualisieren und somit die Öffentlichkeit umfassend zur breiten Palette der „Nachwachsenden Rohstoffe“ informieren zu können. Zusammenfassend sei erwähnt: Im Verlauf des Projektes:Nachwachsende Rohstoffe konnte das Projektteam über 500 Stichworte aufarbeiten bzw. ganz neu hinzufügen und zahlreiche Aufklärungsveranstaltungen und Workshops mit Interessierten durchführen. Das Themenspektrum erstreckt sich von einzelnen Rohstoffpflanzen über zahlreiche Themen im Umfeld der Bioenergie bis hin zu den vielfältigen Optionen der stofflichen Nutzung. Der Wikipedia-Leser findet heute alle relevanten Informationen zu Ackerfrüchten wie Raps, Mais und Rüben oder Nischenkulturen wie Miscanthus und Hanf – aber auch zentrale Stichworte aus den Bereichen Holzwirtschaft, Bioenergie, Biotechnologie, Verbundwerkstoffe, Papier oder Holzwerkstoffen. Durch die aktive Beteiligung der Wikipedia-Community am Projekt, deren Experten sich vor allem in den Bereichen Chemie, Biologie und Forstwissenschaften aktiv einbrachten, wurde das Projekt konstruktiv und kritisch begleitet.

2010 wurde das Projekt abgeschlossen. Überraschend, dass es nun eine Seite in der aktuellen Ausgabe der ZEIT füllt. Aber leider geht es in dem ZEIT-Artikel nicht um Qualitätsverbesserung oder richtigen und kritischen Umgang mit Wikipedia, sondern vielmehr um  Anschuldigungen gegen einen einzelnen ehrenamtlichen Wikipedia-Autor, der im Rahmen des Projektes “Nachwachsende Rohstoffe” tätig war.

Immer wieder erleben wir, wie erklärungsbedürftig Prinzip und Arbeitsweise von Wikipedia sind. Deshalb gehört Aufklärung zu einer unserer wichtigsten Aufgaben. Auch auf die Anfrage des freien Journalisten (der Autor des ZEIT-Artikels ist) zum Projekt “Nachwachsende Rohstoffe” haben Wikipedia-Autoren (allen voran Achim Raschka) wie auch Wikimedia Deutschland zahlreiche Fragen beantwortet und informative Links zur Verfügung gestellt (siehe unten).

Was hat es also mit dem aktuellen ZEIT-Artikel ‘Wikipedia oder Wahrheit’ auf sich? Wurde hier wirklich gründlich recherchiert? Warum sind die zahlreichen verfügbaren Informationen nicht in den Artikel eingeflossen? Warum werden aus dem Zusammenhang entnommene Zitate nur gestückelt wiedergegeben?

Die Projektseiten in Wikipedia wie auch die ausführlichen Darstellungen des nova-instituts geben umfassend Auskunft. Darüber hinaus berichtete der Verein in seinen Tätigkeitsberichten von 2007-2010 und in zahlreichen Blogbeiträgen über das Projekt. An Transparenz mangelte es diesem Projekt nicht. So handelt es sich bei dem ZEIT-Artikel auch nicht um eine Enthüllungsgeschichte, sondern um Informationen, die bereits vor Jahren kommuniziert und publiziert wurden.

Wir möchten im Folgenden einiges ergänzen und in den richtigen Zusammenhang stellen:

Der ZEIT-Artikel setzt die Leistung und aktive Mitarbeit des ehrenamtlich tätigen Wikipedia-Autors Achim Raschka stark herab. Raschka erstellte zahlreiche lesenswerte und exzellente Artikel und engagierte sich darüber hinaus in verschiedenen ehrenamtlichen Positionen im Bereich der Qualitätssteigerung für Wikipedia. Als erfahrener Wikipedianer genießt er Vertrauen in der Community, was auch dazu führte, dass er von der Wikipedia-Autorengemeinschaft mehrfach zum Administrator gewählt wurde. Dieses bis heute unermüdliche Engagement verdient Anerkennung statt Anschuldigung.

Mit Bezug auf den Abschlussbericht von Nawaro wird zitiert, “bezahlte Mitarbeiter” von “interessierten Einrichtungen” hätten an der Erstellung von Artikeln mitgewirkt. Richtig ist: Von Beginn an machte es sich das Projekt zum Ziel, Experten zur Mitarbeit zu bewegen. Richtig ist auch, dass dieser Anspruch freiwilliger Hilfe Wikipedia zwar bis heute so erfolgreich macht, gleiches im Nawaro-Projekt aber leider nicht gelang. Die nötige Zahl an Experten konnte nicht gewonnen werden, daher wurden Universitäten angesprochen. Die “bezahlten Mitarbeiter” waren wissenschaftliche Hilfskräfte, die “interessierten Einrichtungen” Universitäten.

Auch moniert der Verfasser des ZEIT-Artikels, dass Bildmaterial der FKuR (Hersteller für Bioplaste-Produkte) in Wikipedia-Artikel eingebaut wurde. Das stimmt: Fast alle Bilder des Artikels Polyactide sind von der FKuR gestellt worden. Sie sind in der deutschsprachigen Wikipedia zahlreich eingebunden und werden auch außerhalb von Nawaro-Artikeln weltweit genutzt. Diese unabhängige Nutzung verdeutlicht den Wert der Bild-Freigaben. Und genau das entspricht unseren Zielen: Wir wollen Inhalte befreien, die Mitarbeit an Wikipedia steigern und Informationen frei zur Verfügung stellen. Aus diesem Grund klären wir (bis heute) Unternehmen, Verbände und Institutionen auf, wie sie sich beteiligen können, ohne dabei die Wikipedia als verlängerte Homepage zu missbrauchen. Daneben geben wir in zahlreichen Veranstaltungen und Workshops Hilfestellungen zur richtigen Nutzung von Wikipedia. Hierfür stehen unter anderem auch unser Schulprojekt und das Projekt Silberwissen, in denen sich Mitarbeiter von Wikimedia ebenso wie ehrenamtliche Wikipedia-Aktive engagieren. Wir freuen uns jederzeit über Anfragen zu Schulungen und Workshops.

Darum ging es auch im Vortrag “Wikipedia als PR-Instrument?” Hier wurde, entgegen der Behauptung des ZEIT-Artikels, gerade davor gewarnt, Werbetexte als Inhalte einzustellen. Vielmehr klärte der Referent über korrekte Wege der Mitarbeit auf. Denn: Mitmachen kann jeder, auch Pressestellen, nur sollten sie sich als solche zu erkennen geben und die Regeln und Grundprinzipien von Wikipedia einhalten. Das Nawaro-Projektteam koordinierte und organisierte im Rahmen des Projektes innerhalb der Community “Schreibwettbewerbe” und führte Workshops durch, um die richtige enzyklopädische Mitarbeit zu gewährleisten. Im ZEIT-Artikel scheint es verwerflich, dass diese Schulungen auch zu Wikipedia-Artikeln führten. Das sehen wir anders und so sei nochmals ausdrücklich betont, dass die Information und Aufklärung über Wikipedia eine unserer wichtigsten Aufgaben ist.

Und so bleibt die Frage, ob der Ruf des freien Journalisten nach ein “bisschen Aufklärung” nicht auch dem ZEIT-Artikel gut gestanden hätte….

 Die Transparenz des Projektes ist hier nachzuvollziehen:

Wikimedia Deutschland Tätigkeitsberichte:

http://www.wikimedia.de/images/1/14/Taetigkeitsbericht_2007.pdf

http://www.wikimedia.de/images/c/c0/Taetigkeitsbericht_2008.pdf

http://www.wikimedia.de/images/7/7b/Taetigkeitsbericht_2009.pdf

http://www.wikimedia.de/images/3/3c/T%C3%A4tigkeitsbericht_2010_online.pdf

Links der nova-instituts GmbH:

Zwischenbericht 1/2008: http://www.nova-institut.de/wikipedia/data/File/08-01-18%20Zwischenbericht%20Wikipedia.pdf

Zwischenbericht 2/2008: http://www.nova-institut.de/wikipedia/data/File/08-06-23%20Zwischenbericht%20Wikipedia%20.pdf

Zwischenbericht 2009: http://www.nova-institut.de/wikipedia/data/File/09-06-30%20Zwischenbericht%20Wikipedia.pdf

Abschlussbericht 2010 http://www.fnr-server.de/ftp/pdf/berichte/22028206.pdf

In Wikipedia:

http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:WikiProjekt_Nachwachsende_Rohstoffe

http://de.wikipedia.org/wiki/Portal:Nachwachsende_Rohstoffe

Zur Communitybeteiligung exemplarisch:

erster Marathon mit 56 Artikeln: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wikipedia:WikiProjekt_Nachwachsende_Rohstoffe/Nawaro-Marathon&oldid=60205142

zweiter Marathon mit 46 Artikeln: http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:WikiProjekt_Nachwachsende_Rohstoffe/Nawaro-Marathon

Veranstaltungen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:WikiProjekt_Nachwachsende_Rohstoffe/Erster_Workshop

http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:WikiProjekt_Nachwachsende_Rohstoffe/Workshop

Kommentare

  1. Matthias M.
    28. Dezember 2011 um 14:56 Uhr

    Ich habe von dem Projekt damals am Rande etwas mitbekommen und fand die Idee eigentlich sehr gut staatlich geförderte freie Information in Wikipedia einzustellen. Da der ZEIT-Artikel keine einzige Stelle nennt an der Unternehmen gezielt Falschinformationen eingebracht haben oder jemand missbräuchlich mit seinen Adminrechten umgegangen ist, frage ich mich was da überhaupt recherchiert wurde. Es wurde im NAWARO-Projekt ja sogar Klarnamenbenutzerkonten mit Projektzugehörigkeit erstellt um das ganze transparent zu gestalten. Zudem macht Biokunststoff und Energie aus nachwachsenden Rohstoffen doch wirklich nur einen sehr kleinen in Entwicklung befindlichen Sektor aus, dass man da wohl kaum von bösen Oligarchen und Lobbyisten sprechen kann. Außerdem ist das Thema in der Gesellschaft sicherlich deutlich beliebter als Kernenergie, Intensivtierhaltung oder die anderen üblichen Verdächtigen. Innerhalb der Community haben doch auch nur die gemeckert, die sowieso bei Wikipedia nur herumstänkern.

  2. […] 25. Juni, am 29. Juni, am 14. Juli und am 21. Oktober. Auch der Wikimedia-Verein schreibt in seiner ausführlichen Stellungnahme nach Erscheinen des Zeit-Artikels, er habe vorher zahlreiche Anfragen beantwortet und Links zu […]

  3. Catrin Schoneville (WMDE)
    7. Dezember 2011 um 10:23 Uhr

    Hallo KurtR, ja ich habe dem Ressortleiter einen Hinweis auf unseren Vereinsblog geschickt, aber bislang noch keine Reaktion.

  4. KurtR
    7. Dezember 2011 um 02:51 Uhr

    Hat man DieZeit auf diesen Blogeintrag aufmerksam gemacht? Gabs eine Reaktion?

  5. Marcus Cyron
    4. Dezember 2011 um 09:33 Uhr

    Und das ist eine Aussage, die ich für justitiabel halte. Wollen sie uns nicht mal sagen, wer genau sie sind, lieber anonymer Mitdiskutant?

  6. nuja
    4. Dezember 2011 um 02:14 Uhr

    Nuja, sagen wir mal aus den Tätigkeitsberichten geht eher die Untransparenz Tätigkeiten hervor. Wer den Vorstand dafür entlastet hat…ich weiß ja nu nich. Einer Recherche benötigt es dafür nicht, dafür muss man nur rechnen können. Ist einfach eine Veruntreuung von Spendengeldern – nicht mehr und nicht weniger.

  7. pill
    3. Dezember 2011 um 12:29 Uhr

    Hoi, interessant. Gibt es vor dem Hintergrund irgendeine Erklärung dafür, warum Herr Oppung (der für seine Recherche in dieser Sache ja nach eigener Angabe gar ein “Stipendium der Otto Brenner Stiftung” erhielt), dann schreibt: “Wikimedia beantwortet schriftlich eingereichte Fragen zu diesem Komplex nicht” und später: “Wikimedia nahm zu diesen Fragen nach mehrfacher Aufforderung wieder nicht Stellung.”? Irgendeine Idee, was damit gemein sein könnte? Im Text hier heißt es ja, auf Fragen hätte man reagiert.

  8. Marcus Cyron
    3. Dezember 2011 um 10:24 Uhr

    Wow – das war ja echt “substantielle”, “objektive” Kritik, liebe(r) Adi. Qualitätsposting, was?!

  9. Achim Raschka
    3. Dezember 2011 um 10:20 Uhr

    Lieber Adi (Brummfuss), du solltest dich um das Brenner-Stipendium bewerben – Halbwahrheiten zusammenwürfeln und nach Laune dann wie beliebt zusammenpuzzeln kannst du ja, wie du regelmäßig beweist, und das scheint Aufnahmebedingung zu sein. Trotzdem Gruß nach Sachsen …

  10. Adi
    2. Dezember 2011 um 22:23 Uhr

    Achja, und dann war da noch E10…

  11. Adi
    2. Dezember 2011 um 22:10 Uhr

    Oh wei, diese Schoneville! Das ist ja schon ein bisschen peinlich.

    Was könnte schon daran falsch sein, dass diese Gruppen (RWE u.a.) komerzielle Interessen vertreten? Die “kritische Mitarbeit” sah dann also so aus, dass der Steuerzahler für diese Art Artikel Geld bezahlt hat. Und obwohl doch die Wikipedia ein Freiwilligenprojekt ist, wurden also Vertreter von Firmen bezahlt, um Inhalte der “freien Enzyklopädie” (vielleicht auch in ihrem Sinne, wie man später herausfand war das das Ziel von Raschkas Seminaren) zu bearbeiten.

    Ja der Achim! Was sollte man gegen den Achim schon Schlechtes sagen oder schreiben können. Da müsste man ja ein böser Bub sein! Denn er hat auch viele Friedhofs- und Geschlechtsteilsartikel verfasst und war vor Erfindung der Wikipedia schon ein als sehr erfahrener Wikipedianer Sexberater in einem Internetforum. Beim Thema “Holzpellets”, “Stärke als Weltenretter” und “Energiewald” (das genaue Lemma ist mir nun leider nicht present) hat er sich sehr ins Zeug gelegt und fachkundige kritische Bearbeiter mit der Benutzersperre als Admin bedroht, wenn sie hanebüchenen Mist geradeformulieren wollten.

    Dass dann sich Konzerne wie RWE u.a. tatkräftig an der Verbesserung der Enzyklopädie beteiligen, ist auch vollkommen okay, warum sollte es das auch nicht sein^^? Oder steht in der Bibel irgendwo geschrieben: “Du sollst mit der Wikipedia keinen Reibach machen?” – Nein, also. Also darf Achim Raschka auch als freier MA einer Werbeagentur (Fachgebiet Guerilla-Marketing) daran verdienen, wenn er diesen Konzernen in Seminaren vermittelt, wie sie Inhalte in ihrem Sinne beinflussen können, ohne gegen WP-Richtlinien zu verstoßen.

  12. Tim Moritz
    2. Dezember 2011 um 16:47 Uhr

    Besten Dank für die schnelle Reaktion auf diese hochgradig schlecht recherchierte und oberflächliche Möchtegern-Enthüllung! Wie schon auf der Mailingliste angesprochen – könnte man vielleicht zusätzlich einen Leserbrief oder eine Gegendarstellung in anderer Form versuchen?

  13. WiseWoman
    2. Dezember 2011 um 15:03 Uhr

    Danke, Catrin, für die Zeitnahe Aufklärung! Nach zu Guttenberg und diesen Artikel musste man sich einen Zeit-Abo holen, um es gleich wieder zu kündigen…. Journalismus sieht anders aus.

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