Wer jetzt schon mit der Stoppuhr darauf wartet, Remixe der ersten Beatles-Single zu erstellen und auf Wikimedia Commons hochzuladen, wird wohl erneut enttäuscht werden. “Love me do”, am 4. September 1962 aufgenommen, dürfte auch weit über das nächste Jahr hinaus nicht frei nachgenutzt werden können. Obwohl die Songs der Fab Four längst zum gefühlten Weltkulturerbe zählen, werden sie frühestens in zwanzig Jahren ins Gemeingut übergehen. Wie die Urheberrechts-Plattform iRights.info berichtet, könnte bereits morgen in Brüssel ein entsprechender Antrag auf Verlängerung der Schutzfrist für Tonaufnahmen zur Beschlussfassung im Europäischen Rat am 12. September vorbereitet werden. Damit hätte sich einmal mehr das Lobbying der Musikindustrie gegenüber den Einwänden renommierter Forschungsinstitute durchgesetzt.
Wie ein von Wikimedia Deutschland e.V. gefördertes Themendossier von Philipp Otto und John Hendrik Weitzmann darlegt, sind die vorgebrachten Argumente für eine Verlängerung der Schutzfristen von gegenwärtig 50 auf 70 Jahre fadenscheinig: Hauptprofiteure wären allein die vier großen Major-Labels Universal, Sony BMG, Warner Music und EMI, die über umfangreiche Backkataloge verfügen. Demgegenüber würden die ausübenden Künstler durch ihre Rechte-Buy-Outs nur in sehr geringem Maße an den Einnahmen partizipieren. Wenn es vor allem um die Vergütung der Urheber ginge, so die Autoren, “wäre eine Reform des Urhebervertragsrechts wesentlich effektiver”. Vor allem aber, so weisen Otto/Weitzmann unter Rückgriff auf einschlägige Studien nach, schaffe eine nachträgliche Schutzfristverlängerung in der Regel keine Anreize zur Schaffung neuer Werke. Im Gegenteil entstünden “Dämpfungseffekte auf neue Musikwerke und ganze Genres wie den Remix”. Wer also auf einen legalen Nachfolger des legendären Grey Albums gehofft hat, muss sich weiterhin in Geduld üben.
[…] nur händisch nachgeschrieben wird, weiß niemand. Nur eines ist klar: Im Unterschied zu den langen Schutzfristen bei Tonaufnahmen soll bei Bestandteilen aus Presseerzeugnissen die Schutzfrist von einem Jahr […]
[…] für das BMJ und geben Inputs für Grünbücher, nehmen an Hearings der EU teil, klären über die Ausweitung von Schutzfristen auf, thematisieren in Wahlprüfsteinen die Effekte eines restriktiven Urheberrechts und erläutern […]
@AndreasP: Völlig d`accord, was das höhere Commons-Potenzial von Traditionals im Verhältnis zu zeitgenössischer Popmusik angeht. Aber ich hatte ja bewusst das Beispiel einer Bearbeitung gewählt. Denn wer sollte mich daran hindern, Samples aus einer nicht mehr geschützten Aufnahme zu verwenden und das Ergebnis (mit eigener Schöpfungshöhe) dann unter CC-BY-SA zu stellen?
Der Beitrag führt etwas in die Irre. Ob die interpretatorischen Leistungen (also die Aufnahmen) 50 oder 70 Jahre geschützt sind, spielt bei Popmusik keine Rolle für eine wirklich freie Nutzung. Denn auch wenn die Aufnahme von “Love me do” 2013 frei würde, könnte man sie dennoch nur gegen Lizenzzahlungen an Lennons Erben und an Paul McCartney nutzen, denn für das Urheberrecht von Komponist und Texter gilt schon lange die 70-Jahre-post-mortem-auctoris-Regel. In der Wikipedia könnte man das Stück also ohnehin nicht nutzen.
Für Wikimedia relevant sind daher nur die über 50 Jahre alten Aufnahmen von “Traditionals”/”Volksliedern” (wo sich dann allerdings die Frage der Schöpfungshöhe der Arrangements anschliesst) und vor allem “klassischer” E- und U-Musik, deren Komponisten und Texter schon länger als 40 Jahre tot sind.