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Erklärung zum Fall Reiss-Engelhorn-Museen [Update]

John Weitzmann

21. Juni 2016

Der folgende Text ist eine Erklärung der Wikimedia Foundation und Wikimedia Deutschland hinsichtlich des Verfahrens der Reiss-Engelhorn-Museen gegen die Wikimedia Foundation (WMF) und gegen Wikimedia Deutschland. Der Anlass dieses Schreibens ist es, der Wikimedia-Commons-Community dabei zu helfen, die juristischen Hintergründe nach diesem ersten Urteil besser zu verstehen und sie bei der Entscheidungsfindung im Umgang mit Fotos der betreffenden Gemälde zu unterstützen.

[Update: Text war zunächst ohne Redigat online gegangen, welches um 17:56 nachgeholt wurde]

 

Liebe Community,

Das Landgericht Berlin hat entschieden. (Bild von 1902, gemeinfrei)

leider haben wir schlechte Nachrichten zu verkünden. Das Landgericht Berlin hat der Klage der Reiss-Engelhorn-Museen (REM), Mannheim gegen die Wikimedia Foundation stattgegeben. Ein zentraler Bestandteil des Prozesses war die Aufforderung, mehrere Bilder von Wikimedia Commons zu löschen, die von einem bei den Museen beschäftigten Fotografen stammen und später in Commons hochgeladen und als gemeinfrei gekennzeichnet wurden (am bekanntesten im Fall eines Porträts Richard Wagners). Die Klage argumentierte, dass die Fotografien durch einen Hausfotografen entstanden seien und daher ein Unterlassungsanspruch der Museen hinsichtlich der Veröffentlichung dieser Fotos bestehe, obwohl es sich hierbei um sehr originalgetreue Repro-Fotografien gemeinfreier Werke handelt.

Dieser Argumentation setzten wir entgegen, dass es sich um – wegen des gemeinfreien Status’ der abfotografierten Gemälde ohne Erlaubnis zulässige – Vervielfältigungen und nicht um urheberrechtlich schutzfähige Lichtbildwerke handelt, weil das Abfotografieren auf möglichst geringe Abweichungen vom Original abzielt und daher gerade kein Spielraum für irgendeine Individualität bleibt, die einen urheberrechtlichen Werkschutz rechtfertigen könnte. Des weiteren führten wir an, dass die Museen ihren Besuchern das Aufnehmen von Fotos verbieten, gleichzeitig aber einen Urheberrechtsanspruch auf ihre eigenen Reproduktionen erheben. Dies stelle einen Widerspruch zum öffentlichen Auftrag der Institutionen und einen Versuch dar, das bereits abgelaufene Urheberrecht an den Originalen faktisch zu erneuern. Das Gericht aber entschied, dass die Fotos des Museumsfotografen unabhängig vom Motiv nach dem deutschen Urheberrecht zumindest als Lichtbilder geschützt seien, und daher das Gemeinfreisein der Vorlage unerheblich sei. 

Wir sind davon überzeugt, dass das Gericht eine falsche Entscheidung gefällt und nicht berücksichtigt hat, welch langfristigen Schaden dieses Urteil für den Zugang zu gemeinfreien Werken darstellt, insbesondere in einer Welt, in der Menschen ihre Kultur zunehmend digital entdecken und erleben. Daher hat die Wikimedia Foundation sich dazu entschieden, beim Kammergericht Berlin Rechtsmittel einzulegen. In letzter Instanz könnte es in diesem Prozess zu einer Revision durch den Bundesgerichtshof (BGH) kommen, sollten das Kammergericht oder das BGH dieser weiteren Prüfungsstufe zustimmen.

Es gibt jedoch auch gute Nachrichten: Die Klage gegen Wikimedia Deutschland, die neben der Wikimedia Foundation im selben Fall verklagt worden war, wurde abgewiesen. Das Gericht begründete dies (wie andere Gerichte zuvor) damit, dass Wikimedia Deutschland rechtlich nicht für die Inhalte auf Wikimedia Commons verantwortlich ist.

In Hinblick auf die Bilder selbst ist die WMF aus zwei Gründen weiterhin der festen Überzeugung, im Recht zu sein. Zum einen ist die WMF überzeugt, dass das Landgericht Berlin sich mit seinem Urteil und der Begründung geirrt hat und für Repro-Fotografien nichts anderes gelten kann als für sonstige Vervielfältigungen. Zum anderen ist die WMF der Auffassung, dass selbst wenn die Bilder in Deutschland einem urheberrechtlichen Schutz unterliegen, sie in den USA dennoch weiterhin als gemeinfrei gelten. Die Begründung hierfür lässt sich auf der PD-Art Seite nachlesen. Entsprechend glauben wir, dass die Entscheidung, ob die betroffenen Bilder weiterhin in Commons verbleiben sollen, in der Community liegt. Wie auch immer sich die Community in diesem Fall entscheiden wird, wird die WMF sie darin unterstützen.

  • Noch zwei Hinweise, die hoffentlich weiterhelfen:

    Die Gemeinfreiheit der zweidimensionalen Vorlage darf bei der Frage, ob davon abgeleitete Reprofotos dem Schutz des § 72 UrhG unterliegen, keine Rolle spielen. Dies ist kein Widerspruch zur Entscheidung des LG Berlin, die allerdings auch ich im Ergebnis für falsch halte. Nur die klare Aussage, dass die Herstellung von originalgetreuen Reproduktionen keinen urheberrechtlichen oder vergleichbaren Schutz verdient, hilft weiter. Für nicht auf fotografischem Wege hergestellte Reproduktionen ist das so (vgl. BGH Apfel-Madonna)

    Die Auffassung des LG Berlin, es sei nicht nachvollziehbar, “dass ein laienhaftes und schlechtes Knipsbild des Gemäldes dem Lichtbildschutz unterliegen, ein mit größerem Aufwand hergestelltes Reproduktionsfoto aber wie das Gemälde gemeinfrei sein solle”, greift nicht. Wenn Reproduktionsfotos von Gemälden grundsätzlich ungeschützt wären, würde dies natürlich auch für den Ausschnitt des Gemäldes auf dem Kipsbild gelten. Der dürfte dann “ausgeschnitten” und beliebig bearbeitet werden (also z. B. in ein rechteckiges Format zurücktransformiert werden).

    MfG
    Johannes

    Kommentar von J. Röhnelt (Schmunzelkunst) am 10. August 2016 um 19:07

  • Vielleicht ist es wünschenswert, dass das Verfahren bis zum Bundesgerichtshof geht, damit endlich mal dieses Hin und Her aufhört und auch für die Wissenschaft eine Sicherheit besteht, deren Abwesenheit momentan zu einer massiven Behinderung der Umstellung auf Internet-Veröffentlichungen führt.

    Prof.Dr.Hubertus Kohle
    Institut für Kunstgeschichte
    LMU München
    Zentnerstr. 31
    D – 80798 München
    Tel.: 08921805317
    Fax: 08921805316
    twitter: @hkohle

    Kommentar von Hubertus Kohle am 30. Juni 2016 um 08:21

  • Es ist zu begrüßen, daß der Rechtsweg weiter beschritten wird, denn es geht m.E. auch darum, wem das kulturelle Erbe gehört (http://thtbln.blogspot.de/2015/07/wem-gehort-das-kulturelle-erbe.html).

    Kommentar von Thomas Tunsch am 22. Juni 2016 um 18:17

  • Ihr seid doch selber schuld, wenn ihr dauernd zulasst, dass User ungeprüft jeden Scheiss schreiben dürfen, der dann oft falsch ist. Ihr argumentiert immer, dass es mindestens zwei Quellen geben muss, damit der Wahrheitsgehalt reicht. Was wenn beide Quellen der selben Lüge aufgesessen sind? Hm. Wikipedia braucht kein Mensch, denn sehr sehr oft verbreitet ihr nur Propaganda oder schlicht unwahres.

    Kommentar von Reisser am 22. Juni 2016 um 11:06

    • Bildrechte haben zwar nichts mit wahr oder falsch zu tun, aber ich antworte trotzdem mal: Nicht nur kann jede/r Inhalte bei WP-Projekten beitragen, sondern sie auch überprüfen und gleich verbessern oder löschen. Die Fehlerquote ist erwiesenermaßen gering und eine vergleichbare Demokratisierung der Wissenssammlung kann keine redaktionelle Publikation jemals bieten.

      Kommentar von John Weitzmann am 26. Juni 2016 um 17:44

  • Auch hier in den Kommentaren nochmal der Hinweis: Der Text wie er um 11 heute Vormittag online ging, war in großen Teilen eine unredigierte Übersetzung aus dem Englischen und daher in der juristischen Ausdrucksweise vor dem deutschen Rechtshintergrund teilweise ungenau. Uns ist zuvor eine Redigatsschleife durchgerutscht, wofür wir um Nachsicht bitten.

    Kommentar von John Weitzmann am 21. Juni 2016 um 18:11

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