zurück

Dringlichkeit besteht immer: Die Digitalisierung der Arbeitswelt

WMDE allgemein

14. Oktober 2014

Die dritte Veranstaltung der Reihe Digitale Kompetenzen befasste sich am 29. September mit der Digitalisierung der Arbeitswelt. Sabria David vom Slow Media Institut und Prof. Dr. Tim Hagemann von der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld diskutierten mit den etwa 50 Teilnehmenden über die Veränderungen, die die zunehmende Digitalisierung im Arbeitsalltag mit sich bringt und die damit einhergehenden Folgen für ArbeitnehmerInnen und -geberInnen.

Sabria David vom Slow Media Institut erläuterte in ihrem Vortrag die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt, Bild von Christopher Schwarzkopf, CC-BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Der Titel der Veranstaltung “Digitalisierung der Arbeitswelt – zwischen Kollaboration und Selbstausbeutung” war zugegebenermaßen reißerisch formuliert, sollte aber auch zum Ausdruck bringen, dass es sich hierbei eigentlich um ein kontroverses Thema handelt.Gleichwohl hielt Sabria David in ihrem Impulsvortrag fest, dass die Digitalisierung überwiegend positive Effekte auf das Arbeitsleben hat, denn sie fördert in erheblichem Maße Kreativität und Innovation zum Beispiel durch technische Entwicklungen wie Wikis. Was sich allerdings nicht im selben Tempo wie die Technik mit verändert – und da waren sich Sabria David und Prof. Hagemann einig – ist die Kultur, wie mit der voranschreitenden Digitalisierung umgegangen wird.

Grundzustand der Technik früher: AUS

Grundzustand der Technik heute: AN

Deutlich wird das, so David, am Beispiel der E-Mail als Nachfolgerin des klassischen Briefes: Früher wurde die Post einmal am Tag geliefert und bearbeitet, damit war der Tag frei für andere Aufgaben. Heute treffen kontinuierlich Nachrichten im digitalen Posteingang ein und die wenigsten Menschen checken ihre E-Mails nur einmal täglich. Hinzu kommt, dass E-Mail-Kommunikation meist nicht besonders effizient organisiert ist und es leicht zu einer wahren Flut an Mails kommt – Die Kommunikation über E-Mails ist daher als kollaboratives Arbeitswerkzeug eher ungeeignet.

Im Arbeitsschutzgesetz werden die Veränderungen durch die zunehmende Digitalisierung bisher nur partiell einbezogen. Zwar sind Arbeitgebende verpflichtet, ihre Arbeitsplätze auf mögliche psychische Belastungen zu überprüfen, allerdings, warf eine anwesende Vertreterin von Ver.di ein, passiere das nur in seltenen Fällen. Mit dem von Sabria David entwickelten Interaktionsmodell Digitaler Arbeitsschutz (IDA), das auch wissenschaftliche Basis für den in Kooperation mit TÜV Rheinland entwickelten Standard zum Digitalen Arbeitsschutz ist, stellte Sabria David eine präventive Handlungsmöglichkeit vor, die sich weniger mit technischen Aspekten als mit der Arbeitskultur an sich beschäftigt. Ansatzpunkt dafür bildet ein konstruktives mediales Klimas in Organisationen, dass motiviert, Ideen und Kreativität fördert und durch Transparenz und Strukturen ein produktives Leistungsklima schafft. Im Gegensatz dazu steht Daueralarmbereitschaft durch ständige Erreichbarkeit und eine damit suggerierte Dringlichkeit.

Prof. Dr. Tim Hagemann im Gespräch mit Nina Lindlahr (Moderation) und Sabria David (v.r.n.l.), Bild von Christopher Schwarzkopf, CC-BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

In der anschließenden Diskussion warf Prof. Hagemann ein, dass die technischen Fortschritte in der Kommunikation (Email, Chat, etc.) ohne Zweifel grundsätzlich zusätzlich stressfördernd sein können, sich die Digitalisierung von Arbeitsprozessen allerdings insgesamt auf das Stresslevel der Mitarbeitenden auswirkt, und zwar unabhängig davon, welcher Kommunikationsstruktur sie unterliegen. Als Beispiel führte er Studien auf, die belegen, dass Produktionsmitarbeitende zwar nicht dem Druck der ständigen Erreichbarkeit unterliegen, psychisch jedoch stärker belastet sind als Angehörige der Managementebene mit ihren Dienst-Smartphones.

In Bezug auf die Frage, ob sich dies durch neue gesetzliche Regeln, wie etwa die von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles und Gewerkschaften geforderte “Anti-Stress-Verordnung” verändern ließe, gaben sich die beiden Podiumsgäste eher skeptisch. Einerseits würde die bisherige Gesetzeslage ja psychische Belastungen bereits beinhalten und müsste nur konsequent umgesetzt werden und anderseits wäre es sinnvoller, wenn Organisationen eine Kultur etablierten, die Arbeitnehmenden einen individuellen Umgang mit den digitalen Medien ermöglicht. Letzteres wurde beispielsweise bereits im August von dem Unternehmen Daimler eingeführt, das Mitarbeitenden ermöglicht, Emails während der Urlaubsabwesenheit löschen zu lassen. Genauso denkbar sind auch Richtlinien, die partizipativ in Teamkontexten entwickelt werden und dadurch einerseits eine höhere Akzeptanz bekommen und anderseits die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden einbeziehen.

Der gelungene Vortrag von Sabria David und die anschließende spannende Debatte zwischen Podium und Teilnehmenden hat einen kleinen Teil des Themas beleuchtet. Sicherlich interessant wäre die Teilnahme eines Unternehmens gewesen, dass diesbezüglich bereits aktiv Schritte eingeleitet hat und zum Beispiel über Erfahrung mit kollaborativen Arbeitswerkzeugen verfügt.

 Preview: Die nächste Veranstaltung der Reihe “Digitale Kompetenzen” zum Thema Algorithmus is watching for you – droht die »Filter Bubble«?” findet am 27.10.2014 statt.

——————————————————

Videozusammenfassung der Veranstaltung mit Interviews:

 Video der Veranstaltung in voller Länge:

 

 

Noch keine Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert