10 Jahre Bündnis Freie Bildung
Gemeinsam für mehr Offenheit in der Bildung – so geht’s!
Franziska Kelch
12. September 2024
Entstanden ist die Idee der offenen Bildung im Fahrwasser der Openness-Bewegungen, die seit den 90er Jahren freie und offene Software entwickelt oder offene Wissensprojekte wie die Wikipedia gestartet haben. Während die beiden Ideen bald aus den USA nach Deutschland rüber schwappten, blieb offene Bildung hierzulande lange ein Nischenthema. Eine sehr aktive aber kleine Community erstellte Bildungsmaterialien, machte diese digital und frei zugänglich und arbeitete gemeinsam daran, Kompetenzen im Erstellen freier Lernmaterialien aufzubauen. In der Bildungspolitik, in der Lehrkräfteaus- und -fortbildung spielte offene Bildung aber kaum eine Rolle, wurde lange weder gefördert noch erforscht.
Warum sind offene Bildung und Open Educational Resources so fabelhaft?
Bildungsgerechtigkeit: Zugang zu Bildung hängt in Deutschland stark vom ökonomischen Status ab. Da OER für alle kostenlos zugänglich sind, können sie Bildungsgerechtigkeit stärken.
Individualisierbar: Die freie Lizenzierung von OER führt auch dazu, dass jede*r die Materialien nach Bedarf anpassen kann.
Partizipativ: Lehrkräfte und Lernende erleben Lernen und Bildung durch die Offenheit der Materialien als ein Gut, das sie aktiv mit entwickeln können.
Ressourcensparend: Materialien, die frei zugänglich sind und digital geteilt werden können, müssen nicht hundertfach reproduziert – und gekauft – werden.
Um offene Bildungspraktiken und -materialien in der bildungspolitischen Agenda zu verankern, sie in der Bildungspraxis bekannter zu machen und in die Lehrerausbildung zu tragen, haben die Open Knowledge Foundation, Creative Commons und Wikimedia Deutschland 2014 das Bündnis Freie Bildung gegründet.
Zum zehnten Geburtstag des Bündnisses blicken wir auf Projekte, die Lehrkräften und allen anderen an OER interessierten Menschen nützen, die OER zugänglicher machen, Kompetenzen für offene Bildung stärken und mit denen das Bündnis in den bildungspolitischen Raum gewirkt hat.
Wir Lernen Online geht an den Start
Die Suchmaschine für OER gibt es seit 2020. Sie bietet in Fachportalen von B wie Biologie bis Z wie Zukunfts- und Berufsorientierung offene Lehrmaterialien an, die von Fachredaktionen geprüft wurden. Das Angebot ist also kuratiert. Über die Suchfunktion können Interessierte dann alle der mittlerweile über 230.000 OER nach Fachgebiet, Bildungsstufe oder auch nach Inhaltetyp filtern. Wer nach einem Video für den Mathematikunterricht der Sekundarstufe I zum Thema Logarithmen sucht, erhält so zum Beispiel 100 Treffer.
Wer bis 2020 auf der Suche nach offenen Lehrmaterialien war, fand sich schnell auf dem Weg von Pontius zu Pilatus – die OER-Landschaft war stark fragmentiert. Für Neulinge war zudem nicht gleich ersichtlich: Welche Materialien passen zu meinem Bedarf? Redaktionell kuratierte Angebote gab es kaum. Warum sich das ab 2020 geändert hat?
Als Wikimedia Deutschland und edu-sharing.net vom Bundesministerium für Bildungs und Forschung gefragt wurden, ob sie freie Bildungsmaterialien mit der Open-Education-Community erschließen und kuratieren können, war klar: Hier gibt es die Chance, das Thema offene Bildung in ein großes Bildungsprojekt einfließen zu lassen. Mit Wir Lernen Online ist damit nicht nur eine Suchmaschine entstanden, die erstmalig eine so große Menge an offenen Bildungsmaterialien auffindbar macht. Da Wir Lernen Online in unterschiedliche Redaktionssysteme der Länder, u.a. in die Bildungscloud eingebunden ist, können Lehrende die OER über die Cloud und damit direkt in ihrer Arbeitsumgebung finden und nutzen.
Bildungspolitik ko-kreativ gestalten: Das Forum Open Education
Beim Forum hat das Bündnis Freie Bildung Bildungspraktiker*innen und zivilgesellschaftliche Akteur*innen mit Bildungspolitiker*innen zusammengebracht. Bei zahlreichen Workshops ist es gelungen, nicht nur Wissen auszutauschen, sondern auch gemeinsam an Strategien und Handlungsempfehlungen zu arbeiten, die offene Bildung fördern. Bildungspolitiker*innen konnten so auch direkt von Expert*innen erfahren, was Lehrkräfte und Schulen brauchen, um digitale und offene Bildung zu realisieren.
In der Gruppe „Open Educational Resources in Hochschule und Lehrkräftebildung“ etwa haben Bildungspolitiker*innen wie Dr. Jens Brandenburger und Katja Suding mit den Pädagoginnen Nele Hirsch, Aliki Kaiser und andere Expert*innen zusammengearbeitet. Gemeinsam mit Dominik Theis von Wikimedia Deutschland haben sie konkrete Vorschläge dafür entwickelt, an welchen Punkten in der Lehrkräfteausbildung das Thema „digital literacies“ verankert werden sollte, welche Ressourcen es dafür braucht bzw. welche Hindernisse aus dem Weg geräumt werden müssen.
Offene Bildung vernetzen, lokale Communitys sichtbar machen
Die OER World Map macht es möglich, die relevanten Personen, Projekte und Organisationen, Werkzeuge, oder OER-Policies in verschiedenen Regionen oder Staaten zu finden. Sie macht damit auch das weltweite Ökysystem der offenen Bildung sichtbar. Neben der Suchfunktion, über die man je nach individuellem Interesse und nach Weltregionen filtern kann, bietet die Karte auch die Möglichkeit, Daten zu exportieren und weiter zu verwenden. Und natürlich ist mitmachen gefragt! Die FAQs für Editorinnen und Editoren erklären, welche Informationen man wie beitragen kann.
Wie so viele Projekte von Menschen aus dem Bündnis Freie Bildung ist die OER World Map ein Gemeinschaftsprojekt. Bereits seit 2014 tragen verschiedene Akteur*innen dazu bei, neue Inhalte zu ergänzen. Entwickelt hat die Karte Jan Neumann vom Hochschulbibliothekszentrum Nordrhein-Westfalen mit der Open University und gefördert von der William and Flora Hewlett Stiftung. Seit 2023 hat die OERinfo |Informationsstelle Open Educational Resources am Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation das Projekt übernommen und treibt seinen Ausbau voran.
In zehn Jahren wurde viel erreicht
Die Bilanz vom Bündnis Freie Bildung zeigt vor allem eins: Unermüdliches Engagement, die Bündelung unterschiedlicher Expertisen und das Teilen von Wissen mit bildungspolitischen Akteur*innen zahlen sich aus. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat mittlerweile immerhin eine nationale Strategie zur Förderung von Open Educational Resources entwickelt, an deren Entwicklung sich das Bündnis mit eigenen Strategie-Inputs beteiligt hat. Doch nun geht es unter anderem um die Implementierung der Strategie in der Lehkräfterausbildung und fortbildung. Um die Bildung und vor allem die Lehrpraxis zu öffnen, braucht es neben den zeitlichen und finanziellen Ressourcen auch entsprechende Kompetenzen.
Um aufzuzeigen, wie man diese Kompetenzen entwickeln kann, hat das Bündnis mit die Offenheitskompetenzen entwickelt. Darin beschreiben die Bildungspraktiker*innen und Forschende, welche Fähigkeiten Lehrkräften wie entwickeln können, damit sie eine offene Bildungspraxis umsetzen können und digitale Kompetenzen erweitern können. Zusätzlich dazu gibt es Lernressourcen, mit denen Lehrkräfte den Einstieg in eine offene Bildungspraxis auch ein Stück weit selbst in die Hand nehmen können.